Digitalisierung und Lernen (E-Book). Erik Haberzeth
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Digitalisierung in Bildungsmanagement und Programmplanung von Weiterbildungsorganisationen
Weniger im Blickfeld steht die Organisationsebene der Weiterbildungsanbieter selbst, also die Bedeutung der Digitalisierung für die internen Prozesse des Bildungsmanagements sowie der Programm- und Angebotsplanung beziehungsweise -entwicklung (Meister 2008, S. 523). Erstaunlicherweise gibt es dazu bis dato wenig Erkenntnisse und damit ebenso wenige zur Weiterbildung als Teil einer sich durch digitale Systeme wandelnden Arbeitswelt selbst.
Dabei ist offensichtlich, dass der Computer, das Internet, Datenbanken und sonstige digitale Anwendungen die Verwaltung (Online-Anmeldung, Kursmanagementsysteme, Intranet etc.), das Marketing (Internetauftritt, Social Media etc.) und die Angebotsplanung (Online-Einheiten, Digitalisierung als Thema von Kursangeboten, Selbstlernbereiche etc.) massiv verändern. In einer schon länger zurückliegenden Studie ist Stang (2003) am Beispiel der Volkshochschulen der Frage nachgegangen, wie Informations- und Kommunikationstechniken die Arbeitsorganisation der Weiterbildungsanbieter beeinflussen. Untersucht wurde die technische Infrastruktur (Internetzugang, Homepage, Computerarbeitsplätze), die technische Betreuung durch qualifiziertes Personal sowie allgemein die Bedeutung von Technologien zum Beispiel bei der strategischen Ausrichtung. Uns ist keine aktuelle empirische Studie dazu bekannt, obwohl sich Anbieter durchaus damit beschäftigen (z. B. Schöll 2017).
Irena Sgier, Erik Haberzeth und Philipp Schüepp präsentieren in ihrem Beitrag Daten zweier Befragungen in der Schweiz. Im Rahmen dieser Studien wurden 338 Organisationen und 1325 Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner zu ihrem Umgang mit der Digitalisierung befragt. Zwar lag der Fokus auf dem Lehr-Lern-Geschehen und der entsprechenden technischen Ausstattung sowie auf dem Einsatz digitaler Anwendungen und ihrem pädagogischen Nutzen. Einige Daten geben zudem Hinweise auf die Bedeutung der Digitalisierung für die Bildungsplanung.
Kerstin Mayrberger stellt am Beispiel der Hamburg Open Online University, einem seit 2015 laufenden Verbundprojekt der sechs staatlichen Hochschulen Hamburgs, eine umfassende institutionelle Online-Strategie in der Hochschulbildung vor. Bei der Entwicklung von Angeboten und Materialen sind vier Ideen leitend: Lernendenorientierung, Wissenschaftlichkeit, Öffnung für neue Zielgruppen und zivilgesellschaftliche Relevanz sowie Open Education. Im Beitrag wird insbesondere eine Lernendenorientierung unter den Bedingungen und mit den Möglichkeiten von Digitalisierung diskutiert.
Digitalisierung und das Weiterbildungssystem
Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Weiterbildung als Bildungsbereich im Zuge der Diskussion um die Digitalisierung weiter in ihrer Bedeutung aufgewertet wird. Wissen und Kompetenz und deren Aneignung über die gesamte berufliche Laufbahn und Lebensspanne sind gefragt. Genauer beobachtet werden müsste allerdings, wie sich der digitale Wandel auf die Strukturen der Weiterbildung auswirkt, etwa in Bezug auf neue Akteure in der Weiterbildung sowie auf neue oder veränderte Kooperationen (vgl. z. B. Meister 2005).
Grotlüschen (2018) legt eine erste vertiefte Analyse zu möglichen Disruptionen im Weiterbildungsmarkt durch den Eintritt von Unternehmen der Digitalwirtschaft vor. Analysiert werden die Geschäftsmodelle von drei Unternehmen (XING, Google und LinkedIn), die sich zunehmend als Akteure auf dem Weiterbildungsmarkt positionieren. Gezeigt wird, wie es diesen Unternehmen gelingt, durch die Nutzung verschiedener Datenbestände wie Lebenslaufdaten, Daten zu Interessensgebieten und beruflichen Positionen sowie Daten aus Stellenausschreibungen sehr gezielt Weiterbildungswerbung zu schalten und Angebote zu platzieren. Grotlüschen vermutet, dass diese Entwicklung vor allem für die kommerziellen Weiterbildungsanbieter relevant wird und eventuell sogar eine wirtschaftliche Bedrohung darstellt. Ein disruptives Potenzial dieser neuen Geschäftsmodelle und Marketingstrategien scheint jedenfalls gegeben.
Ronald Schenkel setzt mit seinem Beitrag in diesem Band an der Analyse von Grotlüschen (2018) an. Er sieht Parallelen zwischen der Medienbranche und der Weiterbildung und malt der Weiterbildung am Beispiel der durch die Digitalisierung bedingten Entwicklung in der Medienbranche aus, was ihr bevorstehen könnte. Die Medienbranche ist durch Suchmaschinen, neue News-Portale und Social Media in ihren Grundfesten erschüttert worden. Folgen sind zum Beispiel eine Entmonopolisierung der Gatekeeper-Funktion, eine zunehmende Abhängigkeit von Plattformen (Suchmaschinen, Social-Media-Kanäle), internationale Konkurrenz oder Kompetenzverschiebungen in den Organisationen selbst. Geliefert werden damit Aspekte, die zur Analyse für aktuelle und mögliche zukünftige Entwicklungen in der Weiterbildung genutzt werden können. Schenkel liefert Beispiel dafür.
Professionelles Handeln unter den Bedingungen der Digitalisierung
Schließlich lässt sich eine Ebene differenzieren, auf der das professionelle Handeln des erwachsenenpädagogischen Personals unter den Bedingungen der Digitalisierung thematisiert wird. Es geht um medienpädagogische Kompetenzen von in der Erwachsenenbildung Tätigen, um die Analyse entsprechender Anforderungen sowie um Angebote und Wege zur Professionalisierung (vgl. Schmidt-Hertha/Rohs 2008, S. 3). Dies betrifft alle erwachsenenpädagogischen Aufgabenbereiche: Management, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Programm- und Angebotsplanung, Lehre/Unterricht, Beratung sowie Verwaltung (vgl. Kraft 2018, S. 1114).
Interessant ist zunächst die Frage, inwiefern sich medienpädagogische Inhalte überhaupt in den Kompetenzmodellen für Erwachsenenbilderinnen und -bildner sowie in den Aus- und Weiterbildungsangeboten finden. Eine erste Analyse von Modellen und Angeboten im deutschsprachigen Raum nimmt Matthias Rohs in seinem Beitrag vor. Es zeigt sich, dass medienbezogene Inhalte in den Kompetenzstandards zunehmend beachtet werden und inzwischen ein breites und diverses Angebot vorliegt mit Fokus auf mediendidaktische Inhalte. Es deutet sich an, dass weiterführende Thematisierungen der Digitalisierung, die sich von unterrichtsbezogenen Fragen der Methodik und Didaktik absetzen, eher zu kurz kommen. Zu denken wäre hier etwa an eine Thematisierung von möglichen Gefahren einer sozialen Selektivität von Online-Angeboten oder von Fragen des Datenschutzes und der Selbstbestimmung der Lernenden. Sinnvoll wäre es zudem, breitere kulturelle und arbeitsbezogene Fragen, wie sie von Stalder und Böhle u. a. in diesem Band aufgeworfen werden, zu behandeln.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach möglichen Veränderungen des Berufsbildes des Erwachsenenbildners beziehungsweise der Erwachsenenbildnerin. Matthias Rohs stellt hierzu erste Überlegungen an. Vermutet wird eine «Neukonfiguration und Spezialisierung der klassischen Tätigkeitsfelder in der Weiterbildung». Umfassende empirische Analysen fehlen hierzu allerdings noch.
Ein medienpädagogisches Kompetenzmodell für Erwachsenenbildnerinnen und -bildner stellen Karin Julia Rott und Bernhard Schmidt-Hertha in ihrem Beitrag vor. Sie gehen dabei von Modellen aus, die in der Lehrerbildung entwickelt wurden, passen diese Modelle aber an, um den besonderen Bedingungen im Feld der Erwachsenenbildung gerecht zu werden. Das vorgeschlagene Modell besteht aus den Facetten Feldkompetenz, Fachkompetenz, didaktische Kompetenz sowie Einstellungen und Selbststeuerung. Eine erste empirische Testung des Modells wurde mit 622 Lehrenden vorgenommen. Auf Grundlage dieser Daten gehen Rott und Schmidt-Hertha in ihrem Beitrag der Frage nach, ob die medienpädagogische Kompetenz von Lehrenden in der Erwachsenenbildung vom Alter abhängig ist, wie es auch für die Mediennutzung und Medienkompetenz der Bevölkerung im Allgemeinen gilt.
Die Beiträge dieses Bandes stecken ein Feld von Digitalisierung, Weiterbildung und Lernen ab und zeigen eine Vielfalt der Themen, die in diesem Zusammenhang zu diskutieren sind. Die Weiterbildung muss sich in vielerlei Hinsicht mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Dies macht die vorgestellte Differenzierung unterschiedlicher Ebenen