Die Flüchtlinge sind da!. Armin Himmelrath
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Auch andere Hochschulen engagieren sich im Bereich der Flüchtlingshilfe und kombinieren dabei häufig den Hilfsaspekt für die Zuwanderer mit Qualifikationsangeboten für die eigenen Studierenden. So basteln etwa an der Hochschule Koblenz Flüchtlingskinder im Workshop »beHAUSt sein« zusammen mit Architekturstudenten Spielhäuser, die sie innen und außen nach eigenen Vorstellungen gestalten. An der Hochschule Düsseldorf können angehende Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen ihr Praxismodul in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt in der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Flüchtlingskindern absolvieren; der Beginn des Praktikums wurde wegen des großen Bedarfs sogar vorgezogen. Die Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden bietet wegen der stark gestiegenen Zahl von Flüchtlingen für angehende Ärztinnen und Ärzte im Bereich Allgemeinmedizin ab Sommer 2016 erstmals das Wahlpflichtfach »Flüchtlingsversorgung« an. Medizinstudenten arbeiten bereits seit 2015 in der Flüchtlingsambulanz in Dresden mit – bisher allerdings ohne strukturierte Vorbereitung auf die medizinischen und interkulturellen Herausforderungen. Das ändert sich nun durch das neue Wahlpflichtfach.
An der Martin-Luther-Universität in Halle steht ebenfalls der Sprachunterricht für Geflüchtete im Mittelpunkt der Bemühungen: Mit einer neuen Veranstaltungsreihe des Germanistischen Instituts wird ehrenamtlich engagierten Personen, aber auch Studierenden und Dozierenden der Universität das nötige Praxiswissen für den Unterricht und die alltägliche Kommunikation mit Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten und deren Kindern vermittelt. An 15 Terminen geben erfahrene Didaktikerinnen und Didaktiker das Basiswissen weiter, das nötig ist, um Sprachunterricht gestalten zu können, und geben Hinweise, wie man mit den eigenen und fremden Sprachbarrieren umgeht. Dazu gehören neben der Didaktik und Methodik beim DaZ-Lernen auch die Aussprache oder das geeignete Vokabular für eine Basiskommunikation. »Ein Bereich, der bisher völlig unterschätzt wird, ist die Alphabetisierung«, erklärt Deutsch-Didaktiker Matthias Ballod vom Germanistischen Institut. Nicht jeder Mensch, der in Deutschland ankommt, könne überhaupt lesen und schreiben, manche hätten nie eine Schule besucht, ihnen sei jegliches institutionelles Lernen fremd – auch darauf müssen angehende Lehrerinnen und Lehrer vorbereitet sein.
Es bewegt sich also etwas, auch in den Hochschulen und bei den Ausbildungsinhalten für angehende Lehr- und pädagogische Fachkräfte. Doch noch handelt es sich bei diesen Qualifizierungsangeboten allzu häufig um einzelne und optionale Maßnahmen. Es wäre also fatal, erst auf eine flächendeckende Änderung der Studieninhalte zu warten, weil das vermutlich noch einige Jahre dauern könnte. Stattdessen handeln Schulen sowie Lehrerinnen und Lehrer schon jetzt in Eigeninitiative – einfach, weil sie es müssen. Und sie verändern Schule und Unterricht damit wahrscheinlich mehr und nachhaltiger, als es ministerielle Erlasse je könnten.
Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar
Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar
Marita Müller-Krätzschmar ist Mitarbeiterin im Institut für Lehrerfortbildung Hamburg und Leiterin des Bereichs Deutsch als Zweitsprache (DaZ)/ Sprachförderung, der unter anderem einen 30-Stunden-Kurs DaZ anbietet.
Was lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Ihnen im 30-Stunden-Kurs?
Müller-Krätzschmar: »Die 30 Stunden sind eine grundsätzliche Einführung in alle Bereiche von Deutsch als Zweitsprache, also Grammatik und die Fertigkeiten von Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen. Es geht aber auch um die Inhalte der Sprache selbst, also Deutsch als Zweitsprache im Fachunterricht. Und um Spracherwerbstheorien und Diagnoseinstrumente. Das ist also eher eine Einführung, die zwar auch methodische Hinweise beinhaltet, die aber nicht zu einem Thema umfassend sagt: ›Wie kann ich damit jetzt umgehen?‹ Dafür haben wir dann andere Veranstaltungen.«
Bieten Sie den 30-Stunden-Kurs schon länger an, oder ist der Schnelldurchlauf eine kurzfristige Maßnahme wegen der aktuellen Zuwanderung?
Müller-Krätzschmar: »Nein, wir haben vor fünf Jahren damit angefangen, als sich noch niemand für Deutsch als Zweitsprache interessierte. Es gab zwar bereits Vorbereitungsklassen an Hamburger Schulen in geringem Umfang, aber die Kolleginnen und Kollegen, die das machten, waren damals schon sehr erfahren und brauchten auch keine Fortbildung mehr. Und dann haben wir gesagt, wir probieren es mal mit einem Zertifikatskurs, um mehr Lehrerinnen und Lehrer von DaZ zu überzeugen. Da kamen dann ganz am Anfang 15 Personen. Ein Jahr später waren es schon 30. Allerdings waren darunter auch viele Lehrkräfte, die ins Ausland gehen wollten, sich aber nicht über das Goethe-Institut, sondern über uns qualifiziert haben. Mittlerweile sind die Kurse ausgebucht, die erste Veranstaltung des jüngsten Fortbildungskurses, der im Februar 2016 begann, besuchten 320 Lehrer. Das sind etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor.«
Werden die Lehrerinnen und Lehrer auch auf Begleiterscheinungen des Unterrichts wie mögliche Traumata der Lernenden oder die kulturelle Vielfalt vorbereitet?
Müller-Krätzschmar: »Dafür sind wir nicht zuständig. Auch für den interkulturellen Bereich gibt es eine andere Beratungsstelle, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten und auch schon Seminare zusammen angeboten haben.«
Ist die deutsche Sprache besonders schwer zu erlernen für Kinder und Jugendliche aus dem arabischsprachigen Raum?
Müller-Krätzschmar: »Es gibt unterschiedliche Theorien dazu. Ob es hilft, wenn die Sprache sich sehr von Muttersprache unterscheidet, oder ob es eher den Lernprozess erschwert. Wir bieten DaZ ja seit 20 Jahren an. Da gab es ja schon viele türkischsprachige Kinder, es gab Kinder aus afrikanischen Ländern. Die haben alle die deutsche Sprache gelernt. Ich denke, es hängt von unterschiedlichen Situationen ab: Ist jemand motiviert? Gibt es einen besonderen Grund, warum die Sprache gelernt werden muss? Bringt der oder die Lernende Voraussetzungen mit, hat er oder sie vielleicht schon einmal eine andere Sprache gelernt? Das sind alles individuelle Bedingungen, die eine Rolle spielen.«
Welche Probleme bringt die häufiger werdende Mehrsprachigkeit im Unterricht mit sich?
Müller-Krätzschmar: »Es wäre schön, wenn Kolleginnen und Kollegen sich mehr darauf einlassen würden, die sprachlichen Kompetenzen der Kinder in den Unterricht mit einzubeziehen. Das ist nicht immer ganz einfach. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich da überfordert bzw. fühlen sich unsicher, wenn sie nicht verstehen, was die Lernenden sagen. Sie haben auch wenige Ideen, wie sie dann darauf reagieren und wie sie die Sprache miteinbeziehen können.«
Was gibt es da für Lösungsansätze?
Müller-Krätzschmar: »Man könnte zum Beispiel, wenn Schülerinnen und Schüler alphabetisiert sind und schreiben können, sie in ihrer Herkunftssprache eine Text schreiben lassen. Und den dann wiederum ins Deutsche übersetzen. Das ist aber natürlich eine Zeitfrage. Auch ist denkbar, dass Lernende, welche die gleiche Sprache sprechen, sich zu einem Thema erst einmal in ihrer Sprache in einer Gruppenarbeit auseinandersetzen und darüber reden. Viele Lehrkräfte glauben den Schülerinnen und Schülern allerdings nicht, dass sie tatsächlich über das Thema reden.«
Inwiefern profitieren deutschsprachige Kinder und Jugendliche von einer Mehrsprachigkeit im Unterricht?
Müller-Krätzschmar: »Indem sie einfach auch mitbekommen, welche unterschiedlichen Sprachen es gibt. Ich denke, dass