Das Schuljahr nach Corona (E-Book). Armin Himmelrath

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Das Schuljahr nach Corona (E-Book) - Armin Himmelrath

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(etwas abgeschwächter) Form auch in anderen Bundesländern zu finden wären, weisen darauf hin, dass einige Schulen in Bezug auf die Risikogruppen kaum vor Probleme gestellt sind. Auf der anderen Seite gibt es Schulen, in denen ein Präsenzregelunterricht unter Rücksichtnahme auf die Risikogruppen kaum möglich erscheint. Wie kann man hier einen personellen Ausgleich schaffen? An dieser Stelle soll nicht auf mögliche Handlungsalternativen eingegangen werden. Dieser Beitrag soll nur auf dieses Problem hinweisen, das von Bildungsministerien und Schulämtern bearbeitet werden muss. Bisher ergibt sich eher der subjektive Eindruck, dass Schulen mit diesem Problem weitgehend alleingelassen werden, weil sie in vielen Fällen schulspezifische Konzepte zur Regelbetreuung erarbeiten sollen. An einer Schule mit 30 bis 50 Prozent Lehrkräften, die zur Risikogruppe gehören, kann dies kaum realisiert werden.

      2.2Schulbau und Corona

      Schon vor Corona gab es einen wahrgenommenen Investitionsrückstand bei Schulen (inkl. Erwachsenenbildung) von 42,8 Milliarden Euro (Kfw Research 2019). Besonders hohe Kosten im Schulbau ergeben sich aktuell für die größeren deutschen Städte und hierbei für die ostdeutschen Großstädte. Wie man in Abbildung 2 erkennt, sind die Schülerinnen- und Schülerzahlen in allen dargestellten Großstädten von 2005 bis 2018 teilweise sehr stark angestiegen. In München und Berlin um 20 Prozent, in Frankfurt am Main um knapp 30 Prozent. In den ostdeutschen Großstädten Erfurt, Magdeburg und Rostock gar um rund 45 Prozent und in Dresden, Leipzig und Potsdam sogar um 70 bis gut 80 Prozent. Dass sich der Anstieg in den ostdeutschen Städten derart entwickelt hat, hängt auch mit dem historisch einmaligen Bevölkerungseinbruch nach der Wende zusammen. Infolge der Wende schlossen zwischen 1995 und 2006 beispielsweise in Leipzig 23 Prozent aller Grundschulen und 44 Prozent aller Gymnasien. In Rostock schlossen 40 Prozent der Grundschulen, 33 Prozent der Gymnasien und in Erfurt 27 Prozent der Grundschulen sowie 23 Prozent der Gymnasien (Stba 2020, eigene Berechnungen). Mittlerweile sind die Kapazitäten im Zuge der wieder stark gestiegenen Schülerzahlen aber weitestgehend erschöpft. Auch in den nächsten 15 Jahren wird es gerade in den oben genannten Städten zu einem weiteren Bevölkerungswachstum kommen (Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2019). Die daraus resultierenden Kapazitätsprobleme finden sich in den Schulentwicklungsplänen in vielen deutschen Großstädten wieder, wie beispielsweise in Berlin, Frankfurt am Main, Dresden, Bremen, Leipzig, Erfurt und Köln. Folgerichtig wird in den Schulentwicklungsplänen dieser Städte stark auf Schulneubauten und Schulerweiterungsbauten gesetzt, die zu großen Teilen aus den kommunalen Haushalten finanziert werden müssen. Inwieweit diese Pläne im Zuge des Einbruchs der Kommunalfinanzen möglich sein werden, ist zumindest fraglich. Ein aktuelles Beispiel aus Erfurt zeigt, dass die Stadt geplante Investitionen auf den Prüfstand stellen muss. Denn das Thüringer Landesverwaltungsamt gewährte der Stadt nur die Hälfte der Kreditneuaufnahme, die aus Sicht der Stadt für die nächsten vier Jahre nötig gewesen wäre.4 Dieses Beispiel steht mit Sicherheit stellvertretend für die finanzielle Lage in einigen Städten. Ob die Schulbauten wie geplant kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können, ist im Hinblick auf die aktuelle Finanzsituation zumindest fraglich. Wo aber dann hin mit den Schülerinnen und Schülern? Im ungünstigsten Fall könnten reformpädagogische Konzepte zurückgedreht werden müssen, die einen deutlich höheren Raumbedarf aufweisen (z. B. Lernhausmodelle) (Nikolai et al. 2019) als etwa der Frontalunterricht. So könnte die Corona-Krise in einigen Schulen sogar zu einer pädagogischen Rolle rückwärts führen.

      Quelle: Stba (2020, eigene Berechnungen)

      3Fazit

      Der vorliegende Beitrag hat versucht, einige Punkte zu diskutieren, die sich im Zuge der Corona-Krise an Schulen verändern könnten. Dabei sollte klar geworden sein, dass es in der Folge von Corona mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg sozialer Ungleichheiten kommen wird. Dies betrifft nicht nur die Lernleistungen der Kinder im Homeschooling, sondern auch gesundheitliche Ungleichheiten, die sich z. B. aus einem sozial ungleichen Ernährungsverhalten ergeben. Das Ausmaß des Anstiegs sozialer Ungleichheiten wird dabei stark davon abhängen, wie lange kein Regelunterricht an unseren Schulen möglich sein wird. Gerade der Aspekt der Ernährung zeigt die Bedeutung einer Mittagsversorgung auf. Unterricht am Vormittag, bei dem alle Kinder und Jugendliche vor dem Mittagessen wieder nach Hause gehen müssen, ist dementsprechend zu vermeiden. Auf der anderen Seite gilt es weiterhin, Risikogruppen (z. B. ältere Lehrkräfte) zu schützen. Hier ergibt sich ein ethisches Dilemma im folgenden Spannungsfeld: Kindeswohlschutz auf der einen, die gesundheitliche Unversehrtheit von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern auf der anderen Seite. Dieses Dilemma ist in der öffentlichen Debatte bisher weitgehend ungelöst. Gar nicht in die öffentliche Debatte hat es die Tatsache geschafft, dass es an einigen Schulen eine sehr hohe Anzahl von Lehrkräften gibt, die zur Risikogruppe gehören, während sie an anderen Schulen kaum zu finden sind. Wie mit dieser Ungleichverteilung umzugehen ist, muss Einzug in die Debatte finden. Einzelschulen können hiermit nicht alleingelassen werden, weil sie dieses Problem kaum allein lösen können. Ein weiteres organisatorisches Problem für Schulen ergibt sich gerade in den größeren deutschen Städten, wo es eine drängende kommunalpolitische Aufgabe ist, genügend Schulplätze vorzuhalten. Durch die Belastung der Kommunalfinanzen durch die Corona-Krise könnte es hierbei zu mittel- und langfristigen Finanzierungsproblemen kommen, die sogar Einfluss auf die Pädagogik an Schulen haben könnte.

      Literatur

      Baumert, Jürgen, Petra Stanat und Rainer Watermann (2006). Schulstruktur und die Entstehung differenzieller Lern- und Entwicklungsmilieus. S. 95–188 in: Baumert, Jürgen, Petra Stanat und Rainer Watermann (Hg.), Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen: Differenzielle Bildungsprozesse und Probleme der Verteilungsgerechtigkeit. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

      Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2019). Die demografische Lage der Nation. Wie zukunftsfähig Deutschlands Regionen sind. Berlin. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

      Downey, Douglas, und Dennis Condron (2016). Fifty Years since the Coleman Report: Rethinking the Relationship between Schools and Inequality. Sociology of Education 89: S. 207–220.

      Helbig, Marcel und Stefanie Jähnen (2018). Wie brüchig ist die soziale Architektur unserer Städte? Trends und Analysen der Segregation in 74 deutschen Städten. WZB-Discussion Paper P 2018-001. Berlin. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

      Helbig, Marcel und Stefanie Jähnen (2019). Wo findet «Integration» statt? Die sozialräumliche Verteilung von Zuwanderern in den deutschen Städten zwischen 2014 und 2017. WZB Discussion Paper P 2019-003. Berlin. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

      Helbig, Marcel und Rita Nikolai (2019). Bekommen die «schwierigsten» Schulen die besten Lehrer? Eine explorative Studie über den Zusammenhang von Schulqualität und sozialer Zusammensetzung von Schulen am Beispiel Berlins. WZB Discussion Paper P 2019-002.

      KfW Research (2019). KfW-Kommunalpanel 2019. Frankfurt a. M. KfW Bankengruppe.

      Kuntz, Benjamin, Julia Waldhauer, Johannes Zeiher, Jonas D. Finger und Thomas Lampert (2018). Soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2. Journal of Health Monitoring 3: S. 45–63.

      Nikolai, Rita, Marcel Helbig und Heiko Wulschner (2019). Die vernachlässigte Rolle von »Beton« bei der Umsetzung von Schulreformen. S. 582–593 in: Berkemeyer, Nils, Wilfried Bos und Björn Hermstein (Hg.), Schulreform. Zugänge, Gegenstände, Trends. Weinheim/Basel: Beltz.

      RKI (2015). Gesund aufwachsen – Welche

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