Die wilde Reise des unfreien Hans S.. Martin Arz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die wilde Reise des unfreien Hans S. - Martin Arz страница 2
45 Der Vampir
46 München
Nachwort
Personenverzeichnis und weitere Anmerkungen
Bayezids Familie im Überblick
Tamerlans Familie im Überblick
Liste der Mamelukensultane und Khane
Historische Orte und ihre heutigen Namen
Lektüre
1 An der Donau
Ich, Johannes Schiltberger, zog von meiner Heimatstadt München, gelegen in Bayern, aus zu der Zeit, als König Sigismund in Ungarn gegen die Heidenschaft zog. Das war im Jahr 1394 nach Christi Geburt«, las Josef laut vor und ließ die Papiere sinken.
»Ausbaufähig. Ein bisschen trocken. Klingt aber ganz gut als Einstieg«, sagte Max und zupfte ein wenig auf seiner Laute. »Aber viel ist es noch nicht, Hans.«
»Natürlich nicht«, entgegnete Hans eingeschnappt. »Viel haben wir ja auch noch nicht erlebt. Das wird ein Reisebericht. Ich schreibe auf, was alles passiert, damit ich dann, zurück in München, davon berichten kann.«
Max und Josef tauschten einen abschätzigen Blick. »Willst wohl berühmt werden, Hans«, spottete Josef.
»Immerhin kann er schreiben, der Hans«, sagte Max und spielte eine kleine Melodie.
»Kann ich auch«, antwortete Josef. »Lesen und schreiben!«
»Das eine bedingt doch das andere«, sagte Hans.
»Mein Herr hält das nicht für nötig«, sang Max zu der Melodie seiner Laute. So gut er spielte, so schlecht sang er.
»Mein Herr auch nicht, aber ich habe trotzdem schreiben und lesen gelernt«, sagte Hans Schiltberger. »Er hat damals gesagt, er bringt mir das nicht bei, ich solle es aber können, wenn ich sein Knappe werden will. Also hab ich es gelernt.«
»Bei den Pfaffen?«
»Wo sonst? Mein Vater hat dafür teuer gezahlt.«
»Bei den Pfaffen kann man bloß saufen und huren lernen«, sagte Josef, und alle lachten.
Die drei Burschen lagen nackt auf einem Felsen am Donaustrand und ließen sich von der Sonne trocknen. Rings um sie herum lagerten in größeren oder kleineren Gruppen unzählige weitere Knappen. Eben rannten rund zwanzig Jungs mit wilden Anfeuerungsrufen in die Donau, stürzten sich auf eine Gruppe, die im flachen Wasser gesessen hatte, und schnell entflammte eine spielerische Wasserschlacht. Ein sauertöpfischer Pfaffe schlurfte laut schimpfend vorbei, Beichtvater eines schwäbischen Ritters und wider Willen mit auf den Kreuzzug gekommen, denn sein Herr wollte keinesfalls auf seinen persönlichen Beichtvater verzichten. »Sodom und Gomorra«, zeterte der Pfarrer. Doch mehr als »Sündenpfuhl«, »Todsünde« und irgendetwas mit »Verderbtheit der Nackten« verstanden die Burschen nicht von dem Gebrabbel. Man kannte den Geistlichen und seine Suada. Er streunte regelmäßig die Strände entlang. Doch für die Knappen war Nacktheit nichts Ungewohntes. Niemand wäre jemals in München auf die Idee gekommen, an einem heißen Sommertag angezogen in einen der vielen Stadtbäche zu springen. Bis zu einem gewissen Alter, und manchmal auch darüber hinaus, waren Buben und Mädels ganz selbstverständlich zusammen beim Baden, was die Geistlichkeit regelmäßig auf die Palme brachte und immer wieder Thema der Sonntagspredigten war. Doch der Pfarrer, der die Gottesdienste in der Peterskirche hielt, die Hans besuchte, lallte meist undeutlich. Und die wenigen Male, die er nüchtern war und sich klarer artikulieren konnte, wählte er andere Predigtthemen als die »teufflis-fisch-flissche Unssucht«. Nacktsein gehörte auch dazu, wenn Hans seinen Vater und später seinen Ritter ins Badehaus begleitete. Wo sahen die Pfaffen da nur das Problem?
»Geh in dein Zelt und wichs dir einen«, rief Josef dem brabbelnden schwäbischen Gottesmann zu. Gelächter brandete durch die Burschengruppen.
»Du …« Der Pfarrer hob drohend seinen knorrigen Zeigefinger und richtete ihn zitternd auf Josef.
»Argh!«, rief Josef, drückte sich dramatisch die Hände vor die Brust, als sei er getroffen worden und ließ sich nach hinten kippen. »Die Rache Gottes …«, keuchte er, zuckte ein paarmal mit Armen und Beinen und blieb dann wie tot liegen. Die Burschen ringsum grölten. Einige machten anstößige Gesten, der Pfarrer zog die Kapuze seiner Kutte tiefer ins Gesicht und trottete wütend brabbelnd davon.
Hans, Max, Josef und die anderen Knappen, mehrere Tausend an der Zahl, genossen die Tage, die wie im Flug vergingen. Vor fast zwei Wochen hatte das gewaltige Kreuzritterheer vor der Stadt Nikopolis die Zelte aufgeschlagen – seitdem herrschte Müßiggang. Die Burschen, alles Knappen bayrischer Ritter, erledigten vormittags rasch ihre Pflichten, versorgten die Pferde, rußten die Rüstungen der Herren, denn im feuchten Flusstal setzten die besonders schnell Rost an und Ruß war das einzige leicht verfügbare Mittel, um ein wenig dagegenzuhalten, fetteten die Scharniere ein, brachten die Wäsche zu den Waschfrauen und polierten die Waffen. Ihre Herren sahen die Burschen fast nie. Die amüsierten sich bei den Gauklern, in den Spiel- oder Hurenzelten.
»Wieso hast du eigentlich 1394 geschrieben?«, fragte Max. »Wir sind doch erst dieses Jahr losgezogen. Was habt ihr denn die zwei Jahre lang gemacht?«
»Was glaubst du wohl?«, antwortete Hans und setzte sich auf. Er wackelte mit den Zehen. Josef lachte, weil er die Antwort schon kannte. Er und Hans hatten sich schon auf dem Weg nach Buda angefreundet. Hans fand zwar, dass Josefs geistiger Horizont stark begrenzt war, aber wenigstens war er lustig. Max war erst nach Buda zu ihnen gestoßen. Hans mochte Max, der war nicht so laut und ungehobelt wie Josef, und abends unterhielt er sie mit lustigen Liedern, die er auf der Laute spielte. Wenn er gnädig war, ersparte er den anderen seinen »Gesang«.
»Vor zwei Jahren war ich gerade vierzehn«, sagte Hans. »Da habe ich in der Kirche die Knappenweihe erhalten …«
»Und wie lange warst du schon …«
»Seit ich acht bin«, unterbrach Hans die Frage von Max. Max nickte und sagte: »Ich auch. Gut, weiter!«
»Na, jedenfalls hat mein Herr, kaum dass ich endlich Knappe war, sofort alles gepackt und zum Aufbruch gedrängt. Da war es praktisch, dass die Päpste zum Kreuzzug aufriefen …«
»Die Päpste?«, unterbrach Josef. »Die Päpste! Depp. Es gibt doch nur einen.«
Max lachte. »Wo hast du denn die letzten Jahre gelebt? Es gibt zwei. Einen in Rom und einen in Avignon, das sollte doch jeder gute Christenmensch wissen. Schon mal vom Schisma gehört?«
»Was für ein Schisser? Verarschen kann ich mich alleine.«
»Vergiss es.«
»Und welcher ist dann der richtige?«, fragte Josef irritiert.
»Na, beide.«
»Das verstehe ich nicht.« Josef riss die Augen so weit auf, dass seine Augenbrauen fast mit dem Haaransatz verschmolzen, wie immer, wenn er überfordert war, was recht häufig passierte.
»Ist doch egal, das mit den Päpsten«, nahm Hans ungeduldig den Erzählfaden wieder auf. »Jedenfalls kam damals gerade der Aufruf zum Kreuzzug, für meinen Herrn wahrlich ein Geschenk Gottes, denn …« Hans zögerte ein wenig, um seine Geschichte