Hungern für die Liebe. Cassandra Light

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Hungern für die Liebe - Cassandra Light

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Kuchen im Backofen. Die Zeit, die er brauchte, um fertig zu backen, nutzte ich und räumte auf. Ich rief meine Mutter an und fragte sie, wann sie nach Hause käme. Um 14.30 Uhr wollte sie da sein. Bis dahin blieb mir nicht mehr viel Zeit. Ich schaffte es trotzdem, rechtzeitig den Tisch zu decken, aufzuräumen, Kaffee zu kochen und die Wäsche abzunehmen.

      Alles war vorbereitet. Ich war so gespannt, denn ich wollte meiner Mutter und nach Feierabend auch meinem Vater eine Freude machen und sie mit meinem gemütlich gedeckten Kaffeetisch und dem selbst gebackenen Kuchen überraschen.

      14.30 Uhr war vorbei, doch Mutti kam nicht. Also wartete ich, bis sie von der Arbeit zurückkehrte. Als sie endlich da war, fand ich, dass ihre Begeisterung gar nicht so groß war, wie ich es mir ausgemalt hatte. Na ja, war nicht so schlimm. Ich lobte mich selbst für meinen Kuchen.

      Es ist traurig, in meinen damaligen Tagebüchern zu lesen und mich daran zu erinnern, dass ich mich selbst lobte. Aus meiner heutigen Sicht ist ein zwölfjähriges Mädchen eben nicht in der Lage, sich ausschließlich selbst zu loben. In jeder Phase des Lebens braucht ein Kind Liebe und Zuneigung, und gerade in der Zeit der Entwicklung sind liebevolle, anerkennende Worte Balsam für die kleine Kinderseele. Balsam, der mir fehlte. Diese Worte berühren mich, denn aus heutiger Sicht tut mir das Kind – also ich – leid.

      Als zwölfjähriges junges Mädchen stand ich da, wollte meiner Mutter eine Freude machen und hätte gerne ein Lob gehört. Ich wollte sie entlasten – nicht nur an diesem Tag. Stets gab ich mir große Mühe und begann, um ihre Anerkennung zu kämpfen. Doch von ihr kam nie eine Reaktion. Das Gleiche gilt für meinen Vater. Meine Mühe wurde nicht gesehen und schon gar nicht gewürdigt.

      Wenn ich mich heute in das Mädchen von damals hineinversetze, sehe ich, dass es für mich völlig unverständlich war und ich diese Ignoranz als Ablehnung empfand. Ich bezog die gerade beschriebene und ähnliche Situationen auf mich persönlich, fühlte mich nicht angenommen und geliebt. Heute weiß ich, dass meine Eltern nach bestem Wissen und Gewissen handelten. Ich vergebe ihnen, denn ich liebe sie so, wie sie sind. So, wie sie waren. Sie gaben ihr Bestmögliches und hatten ihre eigenen Ängste. Es gab Gründe, weshalb ihnen so wenig Zeit für mich zur Verfügung stand. Einer dieser Gründe war die Arbeit, weshalb wir es materiell immer gut hatten und für mich und meine Schwester gesorgt war.

      Diese Erfahrungen der Kindheit schenkten mir jedoch schon ganz früh die Fähigkeit, ganz bei mir zu sein, in meiner Mitte. Sie ermöglichten es mir, mir selbst durch den Blick nach innen Liebe, Wärme, Lob und Aufmerksamkeit zu schenken. Aus dem Bedürfnis wurde eine Stärke.

      Ein Kind ist von Natur aus offen und nicht geprägt von Ängsten und Erfahrungen. Es blickt liebevoll, voller Erwartungen, Freude und mit offenem Herzen, voller Licht in unsere Welt. Es ist zerbrechlich, verletzlich, unendlich sensibel und liebebedürftig.

      Es darf immer gesehen werden: Ein Kind kommt unbefleckt auf diese Welt und weiß nicht, wie ihm geschieht. Es ist einfach da.

      Ich wünsche vielen Kindern auf dieser Welt, dass sie sanft, liebevoll, voller Verständnis und vorsichtig behandelt werden. Und ich wünsche genauso den Eltern das Bewusstsein für diese Liebe. Die Fähigkeit, so lieben und ihren eigenen Eltern deren Fehler vergeben zu können. Es ist nicht unsere Pflicht, die Fehler und Ängste unserer Eltern zu übernehmen. Wir haben die Wahl.

      Ein Kind bezieht alles auf sich und kann nicht verstehen, warum seine Eltern so handeln, wie sie handeln. So, wie auch ich das nicht verstehen konnte. Ich dachte, ich wäre der »Fehler im System«, den keiner lieben wollte. Der es nicht wert war, geliebt zu werden. Allein. Verloren und ohne Halt. Geboren, um sich hier auf dieser Welt durchzukämpfen und dann doch keine Liebe zu erfahren.

      Auf diese Weise begann ein ablehnendes Bild meiner selbst in mir zu wachsen. Da war aus meiner damaligen Sicht nichts. Nichts, woran ich hätte festhalten können außer Schule, Leistungen, mein Ich sowie die Gedanken und Gefühle, mit denen ich allein war.

      Es gab mich, mein Tagebuch und die Leidenschaft zu schreiben. Bereits mit sieben Jahren schrieb ich täglich Ereignisse, Gedanken und Gefühle nieder. Alles, was mich bedrückte, verletzte, erfreute, und das, was in mir vorging, schrieb ich in mein Tagebuch hinein. Es war mein Freund und Begleiter. Doch auch hier war ich allein, ich erfuhr keine Reaktion auf meine Gedanken.

       Ein Blick zurück

      Ich erinnere mich zurück und weiß, dass das Nicht-Essen schon eine Rolle spielte, seitdem ich bewusst wahrnehmen konnte, was um mich herum geschieht. Allgemein das Thema Essen hatte einen besonderen Stellenwert, insbesondere aber gemeinsame Mahlzeiten. Bei uns in der Familie gab es diese kaum. So mancher denkt vielleicht: Na was denn sonst? Gemeinsame Mahlzeiten sind doch wohl normal! Und ich sage aus meiner Sicht: Nein, das sind sie eben nicht.

      Ja, bei uns gab es Mahlzeiten. Diese nahm ich zusammen mit meiner kleinen Schwester ein. Währenddessen wuselte meine Mutter in der Küche herum, erledigte Arbeiten, die ihr dort in die Hände fielen, machte sauber oder schmierte die Arbeitsbrote für meinen Vater. Alles natürlich weit weg vom Tisch und im Stehen.

      In den seltensten Fällen konnten meine Schwester und ich unser Abendbrot in Gegenwart unseres Vaters genießen. Und auch hier saß meine Mutti nicht mit am Tisch. Sie bereitete lediglich das Essen für alle zu, doch sich selbst nährte sie nicht, jedenfalls nicht gemeinsam mit uns. Sie aß nebenbei.

      Als Kind orientierte ich mich an meinen Eltern. Ich beobachtete, was meine Mutter aß. Immer wieder fragte ich mich: Was esse ich? Ist das normal? Sie isst anders. Esse ich zu viel?

      Wenn ich das verglich, dachte ich: Ja, dann esse ich wohl zu viel. Es ist doch unnormal, wie viel ich esse.

      Mich ärgerte es, denn ich wünschte mir, dass wir alle zusammen aßen. Doch das gab es nicht. Ich empfand es so, als würden wir von unserer überanstrengten, genervten Mutter etwas zu essen vorgesetzt bekommen, getreu dem Motto: »Um zu leben, gehört Essen dazu.« Und ihre Pflicht – ob sie wollte oder nicht – war es, uns Kinder zu versorgen. Das tat sie. An Essen mangelte es nicht, an einer liebevollen, gemeinsamen Mahlzeit schon.

      Zu Recht stellte ich mir irgendwann die Frage: Warum soll ich denn essen? Sie isst doch auch nicht!

      Ich verband mit Essen keinen Genuss, keine Liebe, sah es nicht als etwas Schönes an, vielmehr empfand ich es als Mittel zum Zweck. Für mich war es eher ein Muss. Man möchte leben, also braucht man Nahrung. Nicht mehr und nicht weniger.

      Jetzt, mit vierunddreißig Jahren, bin ich an dem Punkt, an dem mir bewusst wird, was ich mit dem Essen verbunden habe und auch teilweise noch verbinde. Und zwar genau das: etwas Notwendiges. Nichts Schönes. »Das Mittel zum Zweck« – vom Genuss ganz weit entfernt.

      Ich begann, mein Leben, meine Eltern und das Essen zu hassen. Ich wollte nicht mehr auf dieser Welt sein. Essen hieß Leben, und leben wollte ich nicht. Ich ließ Stück für Stück das Essen weg und entfernte mich dadurch immer weiter vom Leben. Mit jedem Hungergefühl war ich dem Leben ferner, während ich meinem Wunsch, nicht mehr auf dieser Welt zu sein, näher kam. Essen zu mir zu nehmen fiel mir immer schwerer, denn »es« arbeitete sozusagen gegen mich. Gegen das festgesetzte Ziel: Raus aus dieser Welt und endlich das Ende des Lebens erreichen! In Frieden und Liebe »da oben« leben und nicht lieblos, allein und pflichtbewusst »hier«.

      Mit der Nahrungsaufnahme kam der Widerstand. Es quälte mich, wenn ich aß. Jeder Bissen erzeugte Abwehr in mir. Mit jedem Bissen kamen Wut und Verzweiflung in mir hoch. Mein Ziel war es, in Ruhe zu sein. In Frieden. In Liebe. Widerstandslos. Ohne Essen auszukommen.

      Jeder, der mir Essen anbot, mich zum Essen überreden

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