transformers. Группа авторов

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Diese Schwäche der sozial- und kulturwissenschaftlichen Zeitdiagnose gab es auch nach Occupy, als man sich im Nachgang immer mal gewünscht hätte, von den so vielen euphorischen Stimmen in Wissenschaft und Zivilgesellschaft auch mal was darüber zu lesen, warum so vieles nicht geklappt hat und welche Verheißungen nicht eingetreten sind. Das im Blick zu behalten, heißt natürlich nicht, dass wir nicht nach emanzipatorischen Ansatzpunkten in der Krise suchen sollten, dass wir nicht nach historischen Beispielen schauen und nicht auch im Kultursektor die Frage nach der Transformation stellen sollten: Wie kann eine Situation by Desaster etwas anstoßen, das darüber hinausweist, das Räume öffnet? Wenn wir noch mal an die Pendelbewegungen von Polanyi denken: Führt uns die Pandemie vielleicht doch schneller als gedacht in ein post-neoliberales Zeitalter? Was wird die Rolle des Staates nach der Pandemie sein? Werden Privatisierungen im Gesundheitswesen oder die Ausbeutung von Pflegekräften in Zukunft vielleicht nicht mehr ganz so geräuschlos vonstattengehen? Wie können wir aus der Ausnahmesituation der Pandemie lernen und dazu kommen, die Transformation selbst in die Hand zu nehmen?

      wann, wenn nicht jetzt?

      ein zwischenruf von adrienne goehler

      Nachhaltigkeit braucht Entschleunigung braucht Grund ein aus kommen ermöglicht Entschleunigung ermöglicht Nachhaltigkeit1

      Wir befinden uns gegenwärtig nicht in einer ökologischen Krise, im Sinne eines temporären Ausnahmezustands, sondern erleben eine irreversible Mutation des globalen Klimas und der Bewohnbarkeit des Planeten Erde.

      Bruno Latour2

      Into the Great Wide Transformation

      Es hat eine verdammt lange Zeit gebraucht und die immer insistierendere Haltung solch unumstößlicher Autoritäten wie Bruno Latour oder Donna Haraway, bis auch in der Kunst angekommen ist, dass sie ebenfalls auf dem Fundament kolonialer, patriarchaler und ressourcenzerstörender Strukturen der kapitalistischen Produktionsweise steht und dass es kein Wegducken mehr vor der Schärfe des Klimawandels geben kann. Es muss gehandelt werden. Von allen. Jetzt. Punkt.

      Wir brauchen die Vorstellungskraft der Künste für diese Transformation, ihre „Verweltlichungen“, ein schönes Bild von Donna Haraway, um die menschlichen Beziehungen, Zeit, Arbeits- und Denkweisen als Ressourcen zu sehen, als Modelle für die Zukunft, die schon längst begonnen hat, jenseits der noch eher hermetischen Räume der Selbstvergewisserung der Künste wie Museen und Theater. Die Kunst wird sich auf vielfältige Weise neu sortieren müssen. Sich des großen Koordinatensystems bewusst werden, in dem sie steht, zwischen Klimawandel, damit zusammenhängenden Migrationsbewegungen, sich ausweitender sozialer Ungleichheit und maßlosem Ressourcenverbrauch. Werden künftig noch dieselben Themen/Fragen/Zustände/Visionen in denselben Räumen vor demselben Publikum verhandelt werden? Wie kann sich künftig Überfluss, Fülle, Verschwendung in den Künsten zeigen?

      Werden die Künstler*innen und ihre Gemeinden weiter von Festivals zu Biennalen jetten können wollen und wollen können? Wird Nachhaltigkeit, als globale Gerechtigkeit verstanden, ästhetisch ein Anliegen? Wie wird spürbar, dass die Künste in der Pandemie system-, vor allem aber gesellschaftsrelevant sind? Hat es Demonstrationen eines hungrigen Publikums für die Öffnung unserer Orte gegeben?

      Die Theater, Museen, Kinos haben die ausgeklügeltsten Hygiene- und Abstandskonzepte: Wieso gehen sie eigentlich keine Allianzen mit Schulen ein? Eine Mathearbeit auf der Bühne, Biounterricht vor großer Leinwand im Kino, Kunstunterricht im Museum, das würde sich ins Gedächtnis brennen und ziemlich sicher neues Publikum erschließen.

      It matters!

      Die zehn reichsten Milliardäre verdienten an Corona mehr als Impfungen für alle Menschen kosten würden. Oxfam zufolge braucht es für Impfstoffproduktion, Verteilung und Impfung weltweit 141,2 Milliarden Dollar3. Eine ihrer älteren Studien belegt, dass das eine – reichste – Prozent der Weltbevölkerung mehr als doppelt so viel klimaschädliches Treibhausgas ausstößt wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Dieser Fakt der sich verschärfenden sozialen Ungleichheit wird in den Nachhaltigkeitswissenschaften als systemisches Risiko bewertet.4 Die Weltbank geht bis 2050 von 143 Millionen Menschen aus, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen.5

      Eine über sich selbst hinausweisende Kunst muss so etwas künftig auf dem Zettel haben. Denn eine weltweit ökologische Transformation ohne sozialen Ausgleich ist nicht vorstellbar. Dort, wo Menschen Bedrohung, Angst und Armut ausgesetzt sind, wo sie mit ihren Fähigkeiten oder mit ihrem Wunsch, zu gestalten und nützlich zu sein, nicht gefragt sind, erodiert die Basis von Sicherheit, von Empathie für die anderen, für die sie umgebende Welt, für den Planeten.

      Ein würdevolles Leben für alle geht also nur, wenn die Begrenztheit der weltweiten Ressourcen, der Klimawandel und Klimagerechtigkeit wesentlicher Maßstab des weltweiten Handelns werden. Verknüpft mit der praktischen Kritik an den unausweichlichen Begleiterscheinungen der kapitalistischen Ideologie des „höher, schneller, weiter, reicher, mehr“, die jedem wie auch immer gedachten nachhaltigen Leben entgegensteht.

      Dann erst wird der Blick darauf frei, dass Menschen, bezogen auf ihre Lebensgrundlagen, annähernd angstfrei sein müssen, um sich selbst als Subjekte der Veränderung zu erleben und Anteil an der sie umgebenden Welt nehmen zu können.

      Ein angstfreies ökonomisches Dasein ist die beste Voraussetzung, um die eigenen Geschicke selbst in die Hand nehmen zu können und mehr Kopffreiheit zu haben für die Fragen, wie will ich eigentlich leben mit und in der mich umgebenden Natur. Dabei wäre ein Grund ein aus kommen6 so etwas wie Hammer und Amboss, um das eigene Glück zu schmieden. Ermächtigung zur Selbstermächtigung eben, um „Gegenwartsmeister*innen“7 sein zu können.

      Corona verschärft die Verhältnisse – auch in den Künsten – ökonomisch, wie die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns betreffend. Aus dem Förderungsfüllhorn der BKM gab es Gewinner*innen, aber eben auch sehr viele Verlierer*innen. Die Fördermodalitäten wurden zwar gelockert, es braucht nicht unbedingt ein Produkt zum Schluss, haben sich aber nicht grundsätzlich geändert; es bleibt bei den infantilisierenden und ressourcenausbeutenden Behauptungen des „eben ganz neu gedachten“, des „noch nie dagewesenen“. Wir sind weiterhin gefangen in der Logik von Innovation, Einmaligkeit, Wettbewerb, Formalität, Kontrolle und rigidem Zeitmanagement.

      Zunächst hat die Pandemie das Diktat der Beschleunigung und Selbstoptimierung schlagartig in sein Gegenteil verkehrt und uns – die Freiberufler*innen, Soloselbstständigen, die Nicht-Angestellten und Nicht-Abgesicherten – in das Paradoxon verstrickt, aus einem rasend schnellen Leben heraus bis zum Stillstand zwangsentschleunigt worden zu sein. Aber wegen der damit einhergehenden, beängstigend steigenden harschen, ökonomischen Unsicherheit sitzen wir seither im kleineren Hamsterrad des Homeoffice, in Bademantel und Hausschuh, und schreiben weiterhin Anträge über Anträge, stellen uns super aktuell, super innovativ, super digitalisiert dar und warten auch noch im April auf die Novemberhilfen … Wollen wir uns das wirklich weiter antun: „Ich stelle einen Antrag, also bin ich! Ich habe einen Antrag bewilligt bekommen, also bin ich Künstler*in!“?

      Wir brauchen einfach andere, entschleunigte, nachhaltige Förderstrukturen (siehe „Aufruf zur Kompliz:innenschaft, für einen Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit | FÄN“, S. 144)

      Hartmut Rosa kennzeichnet die Corona-Zeit als die Gleichzeitigkeit von Erschöpfung und Ruhelosigkeit, von Beschleunigung von Zeit und Daten und eine Entwirklichung des Raums und des Sozialen.

      Wie kann die erzwungene Entschleunigung

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