Hospiz ist Haltung. Группа авторов
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Wenn wir die heutige Situation noch einmal im Rückblick betrachten, so können Ehrenamtliche und Hauptamtliche aufzeigen, wie viel sich an Hospizkultur und Palliativversorgung in Deutschland getan hat.
Entwicklung in Deutschland
Untersuchungsergebnisse des Diplom-Psychologen W. George von 1988, veröffentlicht in Psychomed, Sonderdruck Heft 10 / 89, S. 749, geben Zeugnis der damaligen Situation. Über 50 % der Mitarbeiter im Krankenhaus hielten die räumliche Situation für völlig unzureichend. 65 % klagten über mangelnde Berufsausbildung in Bezug auf die Sterbebegleitung; vermisst wurde hier im Besonderen eine praxisnahe Übung im situativen Umgang mit Sterbenskranken. In dieser Studie sprechen sich 75 % der Mitarbeitenden im Krankenhaus für mehr Offenheit gegenüber dem Patienten aus. Gar 72 % hielten das Sterben im Krankenhaus für menschenunwürdig und 28 % glaubten, bei mehr Zuwendung dem Patienten gegenüber weniger Anerkennung bei den eigenen Kollegen zu erhalten. Diese Zahlen sprechen für sich und zeigen in einem die Entwicklung, die die Bürgerbewegung Hospiz in über 20 Jahren genommen hat. Waren es ca. 10 000 ehrenamtliche befähigte Hospizhelfer 1999, so sind es 2010 ca. 100 000 Ehrenamtliche; einen ähnlichen Aufschwung erlebte die Entwicklung von Palliativstationen und Hospizen.
Entwicklung der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste einschließlich der spezialisierten Dienste für Kinder
Entwicklung der stationären Hospize und Palliativstationen einschließlich der spezialisierten Einrichtungen für Kinder
Stand: 05/2008 Quelle: Wegweiser Hospiz und Palliativmedizin und DHPV Datenbank
Grundelemente der Hospizidee
Die Grundelemente der Hospizidee möchten wir an dieser Stelle noch einmal aufgreifen und darstellen.
Die psychosoziale Begleitung
die psychosoziale Begleitung
Die psychosoziale Begleitung umfasst die emotionale Unterstützung des sterbenden Menschen und seiner Angehörigen. Sie begleitet durch befähigte HospizhelferInnen. Diese Ehrenamtlichen der Hospizdienste werden entsprechend den vier Säulen der Hospizidee in über 100 Stunden fortgebildet und absolvieren zusätzlich ein Praktikum, entweder im Pflegeheim, Krankenhaus oder Hospiz. In der Regel sind die Ehrenamtlichen weiblich und suchen z. B. nach Abschluss der Familienphase ein soziales Betätigungsfeld, entweder aus Dankbarkeit dem Leben gegenüber oder aber aus einer Selbsterfahrung in Sterbeprozessen. Diese befähigten Ehrenamtlichen unterstützen die Betroffenen und die Nahestehenden nicht nur durch Gespräche, sondern auch durch die Begleitung unerledigter Dinge.
Die spirituelle Begleitung
die spirituelle Begleitung
Der Begriff der Spiritualität meint hier mehr als nur den Kulturkreis der Religion. Er bezieht sich auch auf die geistige Erfahrbarkeit, die sich an der Seins-Frage orientiert. Das Ziel der hospizlichen Bemühung, ein Leben in Würde bis zuletzt zu ermöglichen, orientiert sich an der jeweiligen Persönlichkeit des Sterbenskranken. Sie ist geprägt von einer extrinsischen Spiritualität, deren Kennzeichen die jeweilige Religiosität und das familiäre Umfeld sind, und einer intrinsischen Spiritualität, deren Geisteshaltung von innen kommt, d. h. neben den ritualisierten extrinsischen Faktoren (wie Gebet oder Gottesdienst) gibt es geistige Empfindungen, die von einer großen Ergriffenheit getragen sind, die in Abhängigkeit zur jeweiligen Person steht (z. B. die Ergriffenheit des Naturliebhabers beim Anblick einer blühenden Blume). Die spirituelle Begleitung ist somit durch die Fürsorge gegenüber dem Sterbenskranken in der Suche nach sich selbst gekennzeichnet (Selbstwert, Selbstbewusstsein), in der Begegnung mit sich (Lebensbilanz und Lebensbiografie) und im Sich-Finden. Das Sich-Finden meint hier die Suche nach einem sinnlich nicht erfassbaren, transzendenten, „göttlichen“ Etwas, das eine Art spirituelles Pendant zum Aha-Erlebnis der Verstandesebene darstellt, also nicht analytisch beschrieben, sondern nur als evidente, d. h. unmittelbar einsichtige Erfahrung erlebt werden kann. Durch diese spirituelle Begleitung haben Sterbende die Möglichkeit, ihr Leben selbstbestimmt zu erfahren. Die Beantwortung der Sinnfrage ist dabei nicht der vordringlichste Aspekt. Zur Sterbebegleitung gehört ebenso die Begleitung der trauernden Angehörigen.
Palliative Medizin und palliative Pflege
palliative Medizin und palliative Pflege
Aus dem lebensbejahenden Grundsatz der Hospizkultur leitet sich die Aufgabe der palliativen Medizin und palliativen Pflege ab. Sie ist darauf ausgerichtet, Schmerzen und andere Symptome, die in der letzten Lebensphase auftreten können, zu behandeln und zu lindern, um die Lebensqualität sterbender Menschen zu verbessern. Den Wunsch zu erfüllen, den die meisten Menschen hegen, nämlich zuhause in der vertrauten Umgebung zu sterben, ist dabei vorrangiges Ziel. Daraus ergibt sich der Grundsatz „ambulant vor stationär“, so dass Institutionen wie Hospize oder hospizlich geleitete Pflegeheime ergänzende Bestandteile der palliativen Arbeit sind. Hausärzte und Pflegekräfte können sich in Palliative Care in 160 Kursstunden qualifizieren.
Diese Arbeit im multidisziplinären Netzwerk und die andauernde Konfrontation mit Leid(en) und Mitleid(en) beruht auf einer lebensbejahenden Haltung von Toleranz, Mut zur Begegnung und Nächstenliebe – den Sterbenden und deren Nahestehenden gegenüber. Ziel aller hospizlichen Bemühungen ist es, ein Leben in Würde bis zuletzt und dauerhaft eine neue Sterbekultur möglich zu machen.
Die Säulen den Hospizidee
Schild des Künstlers Bazon Brock an den Hackeschen Höfen in Berlin 2006
Heute, im Jahre 2010, ist der Tod nicht nur in den Medien präsent; wo die Hospizbewegung „in die Jahre gekommen“ ist, ist er auch längst enttabuisiert. Der Philosoph Thomas Macho spricht dabei von der „Sichtbarkeit des Todes“9, und so manche Persönlichkeiten beschreiben öffentlich ihre letzte Lebensphase auf der Grundlage des kommenden, herannahenden Sterbens. Wird dem Sterben und dem Tod möglicherweise damit auch die ureigenste Intimität genommen?
Hieß es früher noch in den Todesanzeigen, der Tod sei „plötzlich und unerwartet“ eingetroffen, so gehen dem heute ein voraussehbarer längerer Sterbeprozess und Entscheidungen zu lebenserhaltenden oder lebensbegrenzenden Therapien voraus. Die hospiz zeitschrift beschrieb schon in ihrer ersten Ausgabe 1999 die Wirksamkeit der hospizlichen Grundhaltungen in konkreten Vernetzungen, verbunden mit der Vision der Hospizidee als Grundhaltung dem Anderen gegenüber. Die Wurzeln zum hospizbewegten Handeln waren schon früh verankert in Gesetzgebungen, die jedoch wenig Beachtung fanden. So beschrieb das Krankenhausgesetz von NRW in §3 Abs.1 schon in den 70er Jahren: „Die Patienten haben Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung, dies gilt in besonderem Maße für Sterbende.“ Erst die Ausführungen von Elisabeth Kübler-Ross zeigten der Gesellschaft auf, wo sich die Schwachstellen in Sterbesituationen befanden. Bis in die Anfänge der 90er Jahre fand in den Kliniken das Sterben noch immer hinter verschlossenen Türen statt, und die Sterbenden wurden in Pflegeheime abgeschoben.