Holzbau-Taschenbuch. Группа авторов
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2.6 Entwurfssystematik im Holzbau – der wichtige Vorentwurf
Auch wenn man wie oben dargestellt heute im Prinzip im Holzbau die gleiche Entwurfssystematik verwenden kann wie im Stahlbetonbau, empfiehlt es sich dennoch die Entscheidung für die Bauweise möglichst früh zu treffen. Denn selbstverständlich sind für die Bauweisen unterschiedliche Eigenschaften zu berücksichtigen:
Das unterschiedliche Leistungsgewicht, also das Verhältnis von Festigkeit und Steifigkeit zur Rohdichte, beeinflusst das Gesamtgewicht der Konstruktion und damit die Gründung, aber auch das Schwingungsverhalten von Decken oder Trägern.
Das unterschiedliche Verhältnis von Steifigkeit und Festigkeit führt bei den meist maßgebenden Nachweisen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (Durchbiegung, Schwingungen) zu anderen Querschnittsmaßen.
Die differierenden Brandschutz- und Schallschutzeigenschaften insbesondere von Decken- und Trennwandrohkonstruktionen erfordern andere Bauteilaufbauten und beeinflussen ebenfalls die Abmessungen.
Im Betonbau ist das materialbedingte Kriechen und Schwinden besonders zu berücksichtigen, im Stahlbau temperaturbedingte Dehnungen und im Holzbau feuchtebedingtes Schwinden und Quellen sowie der Holzschutz, was insbesondere den Bauablauf oder den Vorfertigungsgrad und damit die erforderlichen Planungs- und Errichtungszeiträume beeinflusst.
Aus architektonischer Sicht sind zudem die unterschiedlichen Oberflächenqualitäten, Einflüsse auf Baufeuchte und später Raumklima, der gestalterische Ansatz und nicht zuletzt das Budget des Bauherrn zu beachten.
Regelmäßig entstehen große Schwierigkeiten, wenn die genannten Randbedingungen nicht frühzeitig berücksichtigt werden. Praktisch ist eine Neuplanung erforderlich, wenn beispielsweise ein eigentlich als Stahlbetonbau konzipiertes Neubauvorhaben eines mehrgeschossigen Wohngebäudes später auf „Holzbau“ umgestellt werden soll – und umgekehrt. Denn gerade im Wohnungsbau unterliegt der architektonische Entwurf einer Vielzahl von Restriktionen: Architektonischer Anspruch des Bauherrn, Wohnungsmix und -anzahl, förderfähige Flächen im sozialen Wohnungsbau mit ihren klaren Flächenvorgaben, behindertengerechtes Bauen, optimierte Grundstücksausnutzungen, Bebauungspläne oder bei Baulücken Zwänge aus der Nachbarbebauung, die optimale Grundstücksausnutzung, das Budget etc. – die Liste ist lang. Die Summe der Anforderungen führt damit meist zu einem Einzelentwurf (one-design).
Ändert sich nach der Vorplanung die Bauweise – und damit z. B. Wanddicken oder Deckenstärken –, führt das zu Flächenveränderungen oder einer größeren Traufhöhe. Es ist dann nicht mehr nur eine Anpassungs-, sondern eine Neuplanung erforderlich.
Der Phase des Vorentwurfs kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Hier ist bereits zu entscheiden, ob eine reine Stahlbetonbauweise oder – wünschenswerter – eine der Hybridbauweisen oder eine reine Holzbauweise verwendet werden soll.
Im Holzbau mit seinen hohen Vorfertigungsgraden ist besonders spürbar, dass sich eigentlich schon länger und in allen Baustoffen eine Verschiebung der Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure [2.28] andeutet. Im Vorentwurf oder spätestens im Entwurf müssen viele Entscheidungen unter Einbeziehung des Bauherrn getroffen werden. Zu diesem Zeitpunkt sollte bereits ein Bauteam mit Vertretern aller Planungsdisziplinen beauftragt sein, in dem idealerweise die Werkplanung durch die später ausführenden Firmen vertreten ist, um spätere Produktionsprozesse berücksichtigen zu können. Besonders wichtig – auch das gilt wieder für alle Bauweisen – ist die frühzeitige Integration der Planung der technischen Gebäudeausrüstung, da zunehmend komplexere Installationen von Lüftung bis zu Datennetzen erforderlich werden.
Der Lohn einer frühen integrierten Planung ist eine hohe Preis- und Prozesssicherheit. Planen ist die geistige Vorwegnahme zukünftigen Handelns und nur wer erst fertig plant und dann baut, kann mit einer präzisen Ausführung rechnen. Die Vorstellung, man könne während des Bauens noch wesentliche Planungsänderungen vornehmen, ist schlicht überholt, wenn man eine qualitätsgesicherte und preiswerte Realisierung eines Bauvorhabens erwartet.
Die im Holzbau erforderlichen Prozesse haben Kaufmann und ein internationales Forschungsteam im Projekt LeanWood evaluiert [2.29] und in einer zusammenfassenden Broschüre dargestellt [2.30].
2.7 Industrielles Bauen – eine Utopie oder eine Chance für den Holzbau?
Echtes industrielles Bauen kann man – auch wenn die Vergleiche immer hinken – zum Beispiel aus der Automobilindustrie ableiten: Produktion einer hohen Anzahl gleicher Elemente auf der Basis einer vollständigen Planung, die neben den gestalterischen und funktionalen Aspekten auch alle zur Produktion erforderlichen Daten enthält. In der Automobilindustrie kann man als Beispiele Getriebeeinheiten, Armaturenbretter, Lichtmaschinen oder Fahrwerkselemente nennen, die in vielen zum Teil unterschiedlichen Typen und sogar Marken verwendet werden. Bei der Konfiguration eines spezifischen Automobils können dann in einem festgelegten, nicht veränderbaren Rahmen Individualisierungen vorgenommen werden.
In einigen Bereichen gab oder gibt es das auch im Bauwesen: Industriehallen aus Stahl oder Holz, Containermodule für temporäre Bauten, Viehställe, Hotels oder Fertighäuser. Hier können beispielsweise die hoch standardisierten Fertighäuser der Firma Okal aus den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts genannt werden. Im mehrgeschossigen Wohnungsbau wurden in Ost und West ähnliche Standardisierungen vorgenommen – der Plattenbau. Die weitgehende Standardisierung der Grundrisse und Bauelemente ergab allerdings eine architektonische Monotonie, die heute nicht mehr gewünscht ist und nicht den Prinzipien nachhaltiger Architektur entspricht. Denn zu dieser gehört eine ansprechende Gestaltung, die nicht zu Abrissen von Gebäuden nach 30 Jahren, sondern zu einem langfristigen Erhalt führt.
Eine weitgehende Standardisierung zumindest von Bauelementen ermöglicht aber eine Optimierung der Produktionstechnologie und damit preiswerteres Bauen.
Eine derartige Industrialisierung ist jedoch heute im Bauwesen und im Holzbau in Europa kaum zu finden. Auch die Fertighausindustrie hat sich den individuellen Anforderungen der Kunden an Architektur und Ausstattung weitgehend ergeben und ist sehr nahe am Einzelentwurf (one-design) angekommen. Zudem umfasst sowohl im Ein- und Zweifamilienhausbau wie auch im mehrgeschossigen Holzbau die Vorfertigung meist nur die Herstellung des Rohbaus. Die technische Gebäudeausrüstung, der Trockenbau leichter Trennwände und abgehängter Decken, die Herstellung der Oberflächen usw. erfolgen überwiegend mit entsprechendem Zeitaufwand auf der Baustelle.
Dabei wäre eine echte Industrialisierung dringend erforderlich. Einerseits aus den bereits oben genannten Gründen der vielfältigen Anforderungen, die nicht in jedem Fall zu neuen Lösungen führen sollten. Vor allen Dingen aber, weil weltweit infolge der Migration in die Städte ein enormer Bedarf an bezahlbarem Wohnraum besteht. Die im Jahr 2020 für den Wohnungsbau je Quadratmeter aufzuwendenden Mittel für reine Baukosten (Kostengruppen 300 und 400 nach DIN 276 [2.31]) übersteigen mit ca. 1800−2500 Euro/m2 vermietbarer Fläche inklusive Mehrwertsteuer jedenfalls die durch die Wohnungswirtschaft allein ökonomisch aufbringbaren Kosten. Der (soziale) Wohnungsbau ist daher auf eine intensive staatliche Förderung angewiesen.
Auf der Seite der Baumaterialien, auch im Holzbau, sind selbst unter Berücksichtigung von Mengeneffekten praktisch keine weiteren Einsparungen möglich. Durch den enormen Baubedarf weltweit sind keine fallenden Preise zu erwarten. Auch Arbeit als Produktionsfaktor wird eher teurer. Es besteht ein ausgesprochener Fachkräftemangel auf allen Ebenen, angefangen