Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

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Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg

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richtigen Riecher anerkennend zu würdigen. Denn der Anblick, der sich ihnen bot, ließ sie betroffen und entsetzt verstummen. Jedes Denken, alle Mutmaßungen der letzten halben Stunde gerieten auf der Stelle in Vergessenheit! Auch Wolfgangs stets kluges Mundwerk stand nun still. Er bekam ohnehin gerade eine sehr brennende Lektion erteilt und verzog schmerzhaft sein Gesicht.

      Vor ihnen lag ein Mann, seitlich gekrümmt, halb über einem Holzklotz hängend. Sein Hemd war zerrissen und gab den Blick auf eine hässliche, blutverkrustete Wunde in seinem oberen Bauchbereich frei. Blutige Stoff- und Papiertuchfetzen lagen überall herum. Er musste vergeblich versucht haben die blutende Wunde abzudrücken. Für diesen, gelinde gesagt, hageren, eher schmächtigen Mann war es wohl zu schwer gewesen, die von außen gesicherte Türe aus den Angeln zu hebeln. Womöglich, kopflos und panisch vor Angst, kam ihm diese Möglichkeit nicht in den Sinn. Vermutlich war er aber auch einfach nur ohnmächtig geworden und umgekippt, durch den starken Blutverlust, oder eingeschlafen vor Schwäche und nicht wieder aufgewacht. Die übrigen Einsatzkräfte und der Arzt erreichten nun ebenfalls den Holzschuppen. Auch sie standen still, fast andächtig, vor der offenen Türe, vor diesem Anblick des Schreckens. Keiner sprach auch nur ein einziges Wort. Sie fanden offensichtlich Bernhard Haas, die Suche nach ihm konnte beendet werden.

      Fest stand auch jetzt, seine Frau war ihm körperlich um einiges überlegen gewesen. Was war da geschehen? Wieso vernahm keiner der Nachbarn Rufe oder Geschrei? Mit Sicherheit war das nicht stumm vonstatten gegangen. Waren sie bei dieser Familie an laute Auseinandersetzungen gewöhnt oder war es nur zu unbequem hinzuhören? War das Gezeter über das Grundstück und das vermüllte Haus wichtiger? Hätte bereits am vermeintlichen Unglückstag die Spurensuche auf das Grundstück ausgedehnt werden müssen, obwohl sich alles so darstellte, als wäre die Verletzte mit dem Kind alleine gewesen, sie anfangs auch noch Zweifel hegten, was das kleine Mädchen betraf? Zumindest so lange, bis die Spuren an dem Fleischerbeil untersucht gewesen waren. Wäre Herr Haas zu retten gewesen? Der Arzt konnte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nur noch den Tod feststellen.

      „Wie lange?“, fragte Löffler.

      „Seit vorgestern? – Kann erst nach der Obduktion mehr sagen.“

      „Verdammt.“ Löffler drehte sich um, er erlag wieder einmal einer gehörigen Portion Selbstzweifel. „Verdammt noch mal“, stöhnte er, da fiel sein Blick auf Wolfgang, er schluckte und ging auf ihn zu. „Komm Junge, du wirst mal ein ganz großer Detektiv! Wie kamst du nur darauf, konntest dir so sicher sein?“

      Der Gefragte hob verlegen die Schultern. „Nur Gefühl!“

      Langsam verließen sie den wüsten Garten. „Danke Junge, ohne dich wüssten wir immer noch nicht die Wahrheit.“

      „Ach Kommissar, Sie haben doch selbst gedacht: Vielleicht eingesperrt! Und ich habe doch immer gesagt, dass ich so lange ich lesen kann alle Krimis verschlungen habe. Die Frau hat ihn eingesperrt!“

      „Ja, sicher! Jetzt gibt ihr Geschrei im Krankenhaus auch einen Sinn.“ Sie entfernten sich von diesem grausigen Ort. Den Rest mussten die Leute der Spurensicherung und Gerichtsmedizin nun übernehmen.

       15

      An diesem Sonntag, der bisher einiges an Schrecken brachte, rief abends Frank Hauff bei Susanne Schnells an. Nach seiner Abfahrt am Freitag begann ja merkwürdigerweise das Unglück in der Siedlung und von Frank kam nun auch keine gute Nachricht. „Tag Susanne, wie geht es bei euch, hier ist es fürchterlich! Und ich vermisse dich!“

      „Seit du weg bist, ist hier der Teufel los. Wir haben Zuwachs bekommen, die kleine Rosi von gegenüber, mit polizeilicher Anordnung!“ Susanne schilderte ihm in Kurzfassung bis zum Zinksarg, in welchem Bernhard Haas vor wenigen Stunden aus dem Haus getragen worden war, von den ihr bereits bekannten entsetzlichen Ereignissen und versicherte Frank: „Ich vermisse dich auch. Und du, sag wie geht es bei dir, was hat sich bei dir denn Fürchterliches getan?“

      „Es ist zwar keine blutige Sache, aber eine für uns alle sehr enttäuschende finanzielle krumme Tour, wie es Lukas schon ausgedrückt hat“, berichtete Frank: „Meine geschiedene Frau hat offensichtlich schon seit mehreren Jahren immer wieder sehr dreist Unterschlagungen vorgenommen. Oder Scheinbuchungen vom Firmenkonto, jedenfalls betrügerische Taten gemacht, was weiß ich, das muss jetzt ans Tageslicht gekommen sein. Es steht noch nicht der Fehlbetrag fest, aber er muss ziemlich hoch sein.“

      Susanne fühlte plötzlich Hass für diese Frau, ja sie hasste sie, ohne sie zu kennen, alleine schon deshalb, weil Frank ihretwegen sogar seinen Urlaub verfrüht abbrechen musste. Das plötzlich aufsteigende Gefühl von Ärger in ihr, ließ ihre Worte sehr frostig klingen: „Das hat keiner gemerkt, oder gibt es Mitwisser die ihre Hände aufgehalten haben?“

      „Vermutlich ja, das wird sich noch herausstellen, vorläufig ist Monika in Untersuchungshaft.“

      „Nicht zu fassen. Meinst du denn, du kannst trotzdem nächstes Wochenende zu uns kommen?“, fragte Susanne erregt.

      „Ich weiß es noch nicht. Im Moment kann ich Lukas und die Buchhaltung nicht hängen lassen.“ Frank holte tief Luft und schlug vor: „Vorerst sollten wir uns mit dem Telefon begnügen. Falls irgendetwas Wichtiges ist, ruf mich auf dem Handy an, ich lasse es eingeschaltet. Ich melde mich aber auch bald wieder.“

      Als sie sich verabschieden wollte, kam Michael ungestüm zur Tür herein. „Mit wem telefonierst du, etwa mit Frank?“ Susanne nickte und Frank, der ihn hörte, bat: „Gib ihn mir mal kurz und mach’s gut, bis bald.“

      Michael nahm den Hörer hastig an sich, atemlos rief er: „Frank, wir haben noch nicht den Wildbewuchs am Fluss geschlagen, keine Zeit. Wann kommst du?“

      „Das wird so bald nichts, frag deine Mutter, sie weiß Bescheid. Tschüss Micha, bis demnächst.“

      Der Junge war sichtlich enttäuscht und Susanne sagte tröstend: „Ach Micha, wir wollen dir doch sowieso helfen und können morgen gemeinsam anfangen, wenn du das unbedingt jetzt schon willst.“

      „Aber Michael muss doch in die Schule“, wunderte sich Rosi, die mit ihm hereingestürmt war.

      „Immer nach dem Mittagessen gehen wir alle zusammen zum Steg, Tante Brigitta geht auch mit und wenn Tante Helene von Herrn Scholz kommt, kann sie noch nachkommen“, versprach Susanne.

      Damit war Rosi zufrieden, aber auch müde. Heute stand ihre dritte Nacht bei Schnells bevor. Sie schlief bei Susanne im Bett und manchmal schreckte sie weinend auf, dann musste Susanne sie liebevoll beruhigen, sie in ihren Arm nehmen und sie fragte sich längst, ob die Mutter ihr Kind auch manchmal in ihrem Arm schlafen ließ? Ihre Nächte waren jedenfalls ziemlich unruhig, seit Rosi bei ihr schlief.

      Montagmorgen, nachdem Michael zur Schule aufgebrochen war, wollte Susanne versuchen, etwas mehr über und von Rosi zu erfahren. Während ihrem gemeinsamen Frühstück, das Kind genoss es sichtlich, begann Susanne mit ihren Fragen: „Rosi, wie alt bist du eigentlich und weißt du deinen Geburtstag?“

      „Ja, weiß ich. Ich bin fünf Jahre alt und habe am 12. Dezember Geburtstag, dann werde ich sechs Jahre.“

      „Und Lehrerin Stein möchte, dass du schon dieses Jahr in die Schule kommst?“, fragte Susanne verblüfft. Eigentlich war das Kind viel zu zart, um schon einen Schulranzen mit Inhalt zu tragen, fand sie. „Wie kam das denn, ging deine Mama mit dir zu Frau Stein?“

      „Mama und Papa. Alle zwei waren mit mir bei Frau Stein in der Sprechstunde, die unterrichtet nämlich die erste

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