Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

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Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg

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und als er den Jungen am Getränkeautomat sah: „Aha, los zieh deine Jacke über, komm mit! Kannst noch was lernen!“ Ja, er wollte den jungen Anwärter vom Kommissariat dabeihaben und es sollte sich später auch noch herausstellen, dass genau diese Anordnung als besonders wertvoll bezeichnet werden konnte.

      Diesmal schalteten sie Blaulicht und Sirene ein, erschreckten damit die gesamten Bewohner der Siedlung. Spätestens mit Eintreffen weiteren Einsatz- und dem Notarztwagen sammelten sie sich auf der Straße. Selbst die beiden ältesten Herren, Schmitz und Scholz, standen dabei. Aufgebrachte, teils hörbar verärgerte Stimmen waren zu hören. Manche Leute wirkten auch irgendwie verschlafen. Nachbarn, die sich bisher nur wenig kannten, sie redeten nun mit einander, erlebten Gemeinsames, zumindest reichte es aus, bis zur allgemeinen Empörung. Sensationshungrig vermutete ohnehin jeder etwas Anderes oder glaubte gar zu wissen, was Sache war. Die Satz- und Wortfetzen schwirrten nur so durch die Gegend. Doch eigentlich fühlten sie sich mehr in ihrer gewohnten Sonntagsruhe gestört, das erkannte man nun deutlich aus etlichen verärgerten Bemerkungen: „Was machen wir eigentlich hier?“ – „So was gab es hier noch nie!“ – „Diese unmöglichen Haas!“ – „Verkommene Leute, ein Schandfleck in der ganzen Siedlung!“ – „Immer ist es nur dieses Haus.“ – „Dreckiges Pack!“ – „Die wollen Ökos sein? Seht euch den Garten an, dann wisst ihr alles.“ – „Ökos? Eher Schlamper, denkt mal wie es im Haus ist, da stinkt es doch wie die Pest!“

      Susanne fasste es nicht, ihre Entrüstung über das Benehmen der Leute war echt. Haas waren schließlich auch Nachbarn und die Eltern dieses kleinen Mädchens. Sie raunte Brigitta und Michael zu: „Bitte geht ein wenig mit Rosi zum Fluss, wer weiß was hier sonst noch abgeht, sie muss das nicht alles mithören“, ehe auch sie sich, wie schon Helene vorher, dem Menschenpulk etwas näherte. Allerdings hielten beide einigen Abstand zum Grundstück und Haus der Chaos familie. Sie hörten sich schweigend die vielen Äußerungen ihrer Nachbarn an und konnten manchmal nur verständnislose, verwunderte Blicke austauschen. Besonders Helene war über einige Bemerkungen mehr als erstaunt, es schien ihr doch sehr viel entgangen zu sein. Zum Glück behinderte aber niemand die Polizei bei ihren Ermittlungen. Jedenfalls versuchte keiner neugierig auf das Grundstück Haas zu gelangen. Sie würden ohnehin erfahren was geschehen war, was einen Großeinsatz nötig machte. Als alle Einsatzkräfte endgültig im Haus verschwanden, die Haustür sich hinter ihnen schloss, leerte sich auch allmählich die Straße. Nur Susanne und Helene blieben noch stehen. Sie wollten keinesfalls wie neugierige Hühner hinter der Gardine am Fenster stehen, sie gedachten hier draußen geduldig zu warten, auf das, was noch geschehen würde. Wenn sie auch nicht die direkten polizeilichen Aktionen mitbekamen, irgendeinen Grund musste es doch geben plötzlich das Haus zu stürmen. Es erschien ihnen zwar rätselhaft, denn eigentlich konnte niemand mehr in diesem Hause sein, dennoch entschlossen sie sich einfach auszuharren.

      Indessen prüften zwei Beamte noch einmal jeden Winkel im Haus, fanden aber auch heute nur die gleiche Unordnung wie schon am Tattag zuvor. Es gab keine Veränderung, hier war inzwischen niemand gewesen. Die Kommissare Schneider und Löffler mit Assistenten übernahmen den Garten, immerhin befand sich das mit Blut besudelte Beil draußen. Das, was sie bisher unbeachtet ließen, musste nun näher untersucht werden. Nämlich dieser total verwilderte Garten, der so ziemlich blickdicht genannt werden konnte. Zuerst suchten sie nach so etwas wie einem Gartenweg. Logisch wäre, wenn er von diesen Stufen abginge, in deren unmittelbarer Nähe das Küchenbeil am Freitag entdeckt worden war. Also drückten sie mit Händen und Armen die Sträucher seitlich weg, hielten dabei gleichzeitig ständig nach irgendwelchen verräterischen Spuren Ausschau. Tatsächlich entdeckten sie nun bei näherem Hinsehen an einigen Blättern einer Forsythie verwischtes Blut. Jedenfalls sah es nach Blut aus und einige dünne Äste hingen geknickt oder auch gebrochen herunter. Hier schien sich also wirklich jemand entlang gekämpft zu haben. Es ergab sich dadurch eine vage Spur, die offensichtlich noch tiefer in die Wildnis hinein führte und auch so etwas wie einen alten Gartenweg erkennen ließ. Über diesen Pfad arbeiteten sie sich mühsam vorwärts. Nach wenigen Metern erkannten sie, durch einen hohen Haselnussstrauch schimmernd, eine Holzwand. Sie gehörte zu einem fast gänzlich versteckten Gerätehaus, welches derartig zugewachsen war, dass es vom Haus aus nicht einmal sichtbar, geschweige denn auch nur hätte vermutet werden können. Dorthin schlängelten sie sich jetzt durch. Herr Haas würde doch nicht etwa den Schuppen als Versteck oder Unterschlupf nutzen? Seit Freitag? Und sein Auto? Nein unmöglich, auch heute passte noch nichts zusammen. Gar nichts! Kopfschüttelnd standen sie staunend vor der Türe. Hier hielt sich niemand auf! Diese Türe war mit einem gebogenen Stahlstab, der in einer relativ stabilen Verschlussöse, ebenfalls aus Stahl, steckte, gesichert. Seltsamerweise konnte die Tür sowie das nahe Umfeld frei zugänglich genannt werden. Dieser Schuppen wurde anscheinend benutzt, nur jetzt konnte niemand drin sein! Er war zugesperrt! Also weiter das Gesträuch absuchen? Viel größer konnte doch das Grundstück gar nicht sein. Ratlosigkeit stand in ihren Gesichtern geschrieben. Die vermutliche Blutspur fehlte sowieso seit etwa zwei Metern. Schweigend sahen sie einander an. Standen sie vor dem nächsten Problem? War der Mann tatsächlich über den Zaun geklettert und durch die Wiesen geflüchtet? War sein Auto wirklich irgendwo abgestellt gewesen und er kam zu Fuß zurück, um seine Frau los zu werden? Denn wenn sich hier jemand aufgehalten hatte, dann war er längst auf und davon. Auch lagen überall alte und neuere Strauchruten zertreten am Boden. Aber es konnte definitiv niemand hier sein! Bestimmt nicht im Schuppen! Wie erklärte sich aber sein Blut auf dem Beil? Verletzte er sich wirklich zuerst selbst beim Zerteilen des Fleischstückes? Aber sein Blut war doch zuletzt auf das Beil gekommen! Und wieso wollte Frau Haas nach Hause, um mit ihrem Mann Schluss zu machen, war die Frau nicht mehr ganz bei Sinnen?

      „Ist er am Ende doch im Haus? Vielleicht eingesperrt?“ Löffler wollte gerade die Suche in dieser merkwürdigen Gartenanlage abblasen. Doch genau da trat Wolfgang in Aktion. Normalerweise käme kein Mensch auf die Idee, eine so von außen abgesperrte Türe zu öffnen, wäre da nicht Wolfgang das Greenhorn, wie sie ihn oft scherzhaft nannten! Ihm kamen jedoch die an dieser Türe sichtbaren dunklen Spritzer suspekt vor, die sichtbar geworden waren bei näherem Hinsehen. „Hier könnte doch die Hauptaktion stattgefunden haben“, fand er wichtigtuend. Bekam jedoch einen Vogel gezeigt. Kein Laut war zu hören, weder auf Klopfen und das „Hallo“ von Frau Schneider, die Wolfgang zuliebe scherzhaft auch noch an der Türe zu rütteln begann. Natürlich tat sich nichts, wie auch, die Türe war nun mal zu. Verriegelt von außen!

      Aber das Wort ‚eingesperrt‘ existierte nun mal jetzt vorrangig in Wolfgangs Kopf! Die Spuren auf dem Holz sahen zwar älter aus. Und ob das Blut war an der Tür? Es konnte genauso gut altes Öl oder was Ähnliches sein. War alles nur blinder Alarm? Würde jemand zuerst eine Türe zusperren und dann flüchten? Bestimmt nicht, wenn ein Täter vorsätzlich handelt! Egal ob die Türe nun auf oder zu gewesen war, würde der nicht einfach nur schnellstens abgehauen sein? Die Tür war bestimmt immer verriegelt. Wieso eigentlich? Wer sollte hier in dieser Wildnis etwas suchen wollen, außer den Ökos Haas selbst? Also weiter das Gestrüpp am Zaun entlang kontrollieren, oder den Einsatz ergebnislos abbrechen? Eine Probe der getrockneten dunklen Flecke, die Wolfgang für Blut hielt, von der Türe abkratzen und mitnehmen! Ebenso einige der befleckten Blätter von den Sträuchern – und Schluss!

      Doch dann, im nächsten Moment geschah es!

      Der Jüngste, dieser vorwitzige Assistent Wolfgang Ließem, von Natur aus mit einer so genannten großen Klappe bedacht, drängte sich ungeduldig an seiner Chefin vorbei, zog kurz entschlossen den Stab aus der Öse, beförderte ihn achtlos über seine Schulter hinter sich, riss die Türe auf und flog sogleich, wie von Geisterhand gestoßen, rückwärts zu dem entsorgten Stab. Und, oh Schreck, mitten hinein in ein Brennnesselfeld. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätten sie ihn zuerst gerügt, wegen eventueller Vernichtung von Beweismitteln, danach schallend ausgelacht, zumal er sich nicht aus den Brennnesseln so einfach befreien konnte, ohne diese unter Schmerzen immer wieder zu berühren. Nein! Sie fanden nicht einmal die Zeit, ihm hinterher zu sehen bei seinem Fall in das Nesselfeld. Seine eigenständige Aktion war mit einem Mal vorläufig in den Hintergrund gerückt.

      Das blanke Entsetzen ermächtigte sich ihrer. Sie vergaßen augenblicklich und auch

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