Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

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Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg

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„Herr Haas ist seit über einem Monat nicht mehr in unserem Unternehmen tätig.“ Und ohne jedes weitere Wort beendete sie das Gespräch. Frau Haas würde hoffentlich bald ansprechbar sein, um zur Klärung beitragen zu können.

      Inzwischen lag das Ergebnis der Spurensuche, speziell des Fleischerbeiles, vor. Die gefundenen Fingerabdrücke, ebenso die daran haftenden Blutspuren waren untersucht. Schnell wurde festgestellt, es gab nicht nur frisches, sondern auch älteres Blut an der Tatwaffe. Bei dem Zustand der Wohnung war das wohl nicht verwunderlich. Fest stand auch, die alten blutigen Spuren entpuppen sich ausschließlich als tierisch. Die frischen Spuren stammten offensichtlich von dem teilweise zerkleinerten Stück Fleisch auf der Anrichte und zusätzlich von zwei verschiedenen Personen. Also von Frau Haas und sehr wahrscheinlich von ihrem Mann. Nach dieser vorläufigen Erkenntnis wurde Bernhard Haas zur Fahndung ausgeschrieben. Verletzte sich der Mann selbst oder verletzte ihn seine Frau und er war ausgerastet? Wollte er sie töten? War Herr Haas inzwischen untergetaucht? Wie war aber erklärbar, dass das Fahrzeug laut Zeugen zwischen 10 und 11 Uhr bereits nicht mehr vor dem Haus stand, während die Verletzung von Frau Haas erst Stunden später zustande gekommen war? Und wieso waren die Blutspuren der Frau teilweise vermischt mit denen ihres Mannes? Wurde der Mann zuletzt getroffen? Aber wo war er? Was für eine wirre Geschichte! Irrten sich die Nachbarn in der Zeit? Aber alle? Und das kleine Mädchen – wie passte das da hinein? Mit der Tat an sich konnte es jedenfalls nichts zu tun haben, denn das Küchenbeil wies keinerlei Abdrücke von kleinen Kinderhänden auf. Unverständlich war, wieso nicht wenigstens einer der Nachbarn etwas bemerkte. Das lief doch nicht still und leise ab! Und von wem wurde laut au gerufen, wie es Rosi gehört haben wollte? Also blieb nur die einzige Möglichkeit: Frau Haas! Doch mit der Verletzten zu reden, das wehrte der Arzt wiederholt und sehr entschieden ab. „Eine Vernehmung ist nicht möglich, derzeit völlig ausgeschlossen! Versuchen Sie es morgen.“

      Da beschlossen sie, einen Beamten im Krankenhaus vor der Zimmertüre bei Frau Haas zu postieren, falls der Ehemann irgendwie den Aufenthalt seiner Frau herausfinden konnte und ihr tatsächlich nach dem Leben trachten sollte, aus welchem Grund auch immer. Die Fahndung nach ihm war jedenfalls bisher völlig ergebnislos verlaufen. Später stellte sich die Vorsichtsmaßnahme auch als überflüssig heraus. Andererseits hatte sie auch etwas Guten, denn der Wachmann vor der Türe konnte zur gegebenen Zeit schnelle Notizen machen, die alle bisherigen Recherchen über den Haufen warfen.

      Weiterhin suchte die Kripo in den Papieren der Familie Haas nach irgendwelchen Anhaltspunkten einer neuen Arbeitsstelle des Herrn Haas oder nach Verwandten. Schon alleine des Kindes wegen musste sich jemand finden lassen. Susanne Schnells erklärte sich zwar vorläufig bereit, die kleine Nachbarin in ihre Obhut zu nehmen, dies konnte jedoch nur eine vorübergehende Lösung sein. Susanne war es gelungen, Rosi durch liebevolle Zuwendung abzulenken von ihrem erlebten Grauen, wobei das Kind irgendwann erklärte: „Richtig heiße ich Rosanna, aber Papa sagt immer Rose. Ihr dürft aber Rosi sagen, wenn Mama gut gelaunt war, sagte sie das auch zu mir.“

      Mal abgesehen von den Worten: ‚Wenn Mama gut gelaunt war‘, sprach Rosi in Vergangenheitsform von ihrer Mutter, also dachte sie immer noch ihre Mutter sei tot? In ihre Erinnerung mischte sich offensichtlich auch älter Erlebtes mit dem vom Tattag. Da zeitlich nichts übereinstimmte, konnte der Au-Schrei ihres Vaters sowieso nur von einem anderen Tag in ihrer Erinnerung existieren, sofern man das fehlende Auto bedachte. So jedenfalls stellte es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt dar.

       14

      Sonntagmittag erwachte Siglinde Haas endlich. Sie erkannte das Krankenhauszimmer sofort und war auch erstaunlicherweise augenblicklich hellwach. „Was mache ich hier, was soll das?“, schrie sie und begann fluchend zu randalieren.

      Es war schwierig für die Krankenschwester, die erschreckt zu Hilfe eilte, die Patientin zu halten und sie rief lautstark nach ihrer Kollegin und dem Arzt. Der herbeieilende Stationsarzt warf nur einen Blick auf die verworrene Situation und ordnete an, noch mal ein starkes Mittel zur Beruhigung der Infusion beizugeben. Dies hörte Frau Haas und bevor es dieses Mal dazu kommen konnte, riss sie sich die Kanüle aus dem Arm, womit sie sich zusätzlich selbst verletzte. Zwei Schwestern hatten alle Hände voll zu tun, um die neue Blutung zu stillen und gleichzeitig die sich wie wild gebärdende Patientin zu bändigen.

      „Weg da, geht weg“, keifte Frau Haas, „ich will nach Hause, ich muss zu ihm. Diesmal mache ich endgültig Schluss, jetzt ist es aus mit ihm!“

      Der Polizist, er stand in der offenen Türe, notierte das eifrig auf seinem Block, drückte gleichzeitig die Kurzwahltaste auf seinem Handy fürs Kommissariat und leitete damit live dieses Spektakel an die einzig richtige Stelle weiter.

      Der Arzt machte kurzen Prozess. „Los, wieder fixieren!“, rief er ärgerlich. Worauf Frau Haas gewaltsam ins Bett gedrückt und durch einen breiten Gurt festgehalten wurde. Im Augenblick gab es nur diese eine Möglichkeit, um sie vor sich selbst zu schützen. Das durfte sie sich nun selbst zuschreiben. Außerdem, ihre Drohungen konnten sich eventuell auch ganz schnell hier auf das Krankenhauspersonal ausweiten, denn rasende Menschen haben bekanntlich eine ungeahnte Kraft! Dennoch, trotz ihrer jetzt eingeschränkten Bewegungsfreiheit schrie und tobte sie völlig außer Kontrolle weiter. Laufend brüllte sie die fast identischen Worte: „Lasst mich nach Hause, ich muss zu ihm! Jetzt ist endgültig Schluss mit ihm“ oder auch, „ich mache ihn fertig, diesen Nichtsnutz!“

      Der Versuch, dieser wütenden Patientin Haas keine weiteren Beruhigungsmittel zu verabreichen, war damit fehlgeschlagen. Die Kommissare mussten sich weiterhin gedulden. Wenigstens schaffte man es nun auf diese Weise, ihr erneut ein Mittel zu spritzen, welches sie innerhalb weniger Sekunden außer Gefecht setzte. Die neue Wunde am Arm, ebenso die erneut blutende Wunde im Nacken wurden versorgt.

      Diese derartig heftigen Worte, von Frau Haas hinaus geschrien, ihr dringendes Bedürfnis sofort nach Hause zu müssen um Schluss ‚mit ihm‘ zu machen, sorgten für eine sofortige Wende in der polizeilichen Untersuchung. Mit den aus ihren harten Worten resultierenden Infos, brachte jetzt der vor Ort postierte Beamte, unkompliziert und direkt zum Mithören über sein Handy, völlig neue Überlegungen ins Rollen. Ganz unvermittelt entstand ein vollkommen anderes Bild.

      „Sag mal Hans“, sprach die Kommissarin ihren Kollegen an. „Dieses Hackmesser wurde doch neben der Terrasse gefunden, nahe der Stufen, die in den überwucherten Garten führen. Was, wenn es nicht weg geworfen wurde, wie wir es bisher annahmen, sondern, was weiß ich wie sie das Beil an sich gebracht hätte, irgendwie? Nur mal so angenommen, der Krach in der Küche ging draußen weiter, sie erwischte ihn, ließ das Ding fallen, konnte trotz ihrer Wunde auch wieder bis in die Küche gelangen, ehe sie umkippte. Die Finger- und Handabdrücke waren doch teilweise verwischt! Die Spurensuche hätte in das Gestrüpp ausgedehnt werden müssen, Hans! Das haben wir versäumt!“

      Löffler versuchte den Gedanken seiner Kollegin zu folgen. „Du meinst, wenn die Frau unbedingt nach Hause will um mit ihm Schluss zu machen? Wie meint sie das denn? Und was heißt, ihn fertig machen? Mein Gott, wo ist denn der Mann? Er wird am Ende stärker verletzt sein, wie wir dachten und gar nicht das Weite gesucht haben! Hat sie ihn da an der Treppe erwischt? Aber da waren doch keine Blutspuren! Und die Frau, woher hat sie die Wunde? War er das wirklich? Verstehe ich nicht! Oder, wenn du Recht hast, konnte er durch das Gebüsch davonkommen? Ohne Blutspuren? Vielleicht war seine Wunde auch nur oberflächlich und deshalb gab es keine Spur? Aber das Auto? Wo zum Teufel ist dieses verdammte Auto hin? Ist er durch die hinter dem Grundstück liegenden Wiesen damit abgehauen, oder stellte er irgendwo vorher das Auto ab?“ Kommissarin Schneider sah ihren Kollegen Löffler an, kam ihnen gerade der gleiche Gedanke in den Sinn? Wortlos legten sie ihre Halfter mit Waffen an und rannten los.

      „Tobias, wir brauchen Verstärkung, auch noch mal die Spusi und den Arzt, wir sind in der Bergstraße 4 bei Haas, es gibt neue Erkenntnisse!“ Löffler rief es im Hinauseilen einem

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