Die magische Schwelle. Kai Pannen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die magische Schwelle - Kai Pannen страница 7

Die magische Schwelle - Kai Pannen

Скачать книгу

euch nicht schon am frühen Morgen. Ich muss los in die Praxis«, sagte ihre Mutter. »Habt ihr eure Hausaufgaben fertig?«

      »Klar, Mama«, stöhnten Heidi und Flo im Chor.

      »Also dann, bis heute Abend. Und Flo, mach was Gesundes auf dein Pausenbrot.«

      »Geht klar, Mama«, stöhnte Flo erneut und tauchte sein Messer in das Glas mit Schokocreme.

      »Wow, wahnsinnig gesund«, kommentierte Heidi.

      »Ein Meer aus brauner Schokolade, auf dessen Wogen auch die stolzesten Schiffe wie kleine Nussschalen schaukeln …«, sagte Flo und meinte die Schokocreme auf seinem Brot.

      »Geht das schon wieder los mit deinen komischen Fantasien? Eines Tages wirst du noch darin hängen bleiben.«

      Womöglich hatte sie damit sogar recht! War er nicht gestern in seine eigenen Fantasien geraten? Hatte er nicht das zu sehen geglaubt, was er zuvor auf der Eisenbahnanlage gespielt hatte?

      Bevor er zur Schule fuhr, rannte er in die Kleine Freiheit, da er nicht mehr genau wusste, ob er den Chevi zurück ins Regal gestellt hatte.

      Unverändert stand der auf der Viehweide neben dem Bauern. Immer noch melkte der seine Kühe. Nichts hatte sich seit gestern verändert. Wie auch? Es waren schließlich alles unbelebte Plastikfiguren. Vielleicht wäre es besser, erst einmal einen großen Bogen um die Anlage zu machen, bis Flo wieder etwas Abstand zu seinen Fantasiewelten gewonnen hätte. Er stellte den kleinen Chevi zurück ins Regal und machte sich auf den Weg zur Schule.

      Flo war kein besonders guter Schüler. Im Unterricht träumte er oft, krickelte herum und beteiligte sich kaum. Außerdem war es ihm unangenehm, vor vielen Leuten zu sprechen, und meist wurde er dabei sofort rot im Gesicht. Was die Sache noch unangenehmer machte und seinen Kopf sogar noch röter …

      Deutsch war sein Lieblingsfach, am wenigsten mochte er Sport. Er fühlte sich klein und schmächtig neben seinen athletischen Klassenkameraden, die ihn höchstens müde belächelten oder die Augen verdrehten, wenn er beim Fußball mal wieder ins Leere trat. Er war erleichtert, diesen wöchentlichen Termin in den ersten beiden Schulstunden hinter sich gebracht zu haben, zumal Fußball so gar nicht sein Ding war. Abgesehen von Tischfußball, doch den gab es leider nicht im Sportunterricht.

      »Gullivers Reisen! Ich hoffe, ihr habt alle die ersten Seiten gelesen«, begann Frau Denkhaus, Flos Deutschlehrerin, mit ihrer etwas zu schrillen Stimme den Unterricht. »Worum geht es in dieser Geschichte? Boris, was meinst du?«

      Boris war eine der Sportskanonen und gehörte zur Gruppe der coolen Jungs in der Klasse. Flo hingegen war Vorsitzender im Club der Außenseiter, der nur ein einziges festes Mitglied hatte, nämlich ihn selbst.

      »Also? Worum geht es?«, wiederholte Frau Denkhaus.

      Boris legte ein charmantes Lächeln auf und sagte voller Überzeugung: »Um einen bösen Riesen, der eine Insel überfällt und dort gegen die Menschen kämpft.«

      Die Klasse kicherte über diese etwas eigenwillige Zusammenfassung. Offensichtlich hatte Boris den Text nicht besonders aufmerksam gelesen, wenn überhaupt.

      Frau Denkhaus seufzte. Dann blickte sie auf Flo, der gerade kleine Männchen in sein Heft malte. »Florian, was denkst du? Ist Gulliver ein Riese?«

      Flo schreckte von seinem Heft auf und sofort schoss ihm das Blut in den Kopf. »Ja … ähm … also, nein. Dieser Gulliver ist überhaupt kein Riese. Der ist ein Seemann, dessen Segelschiff bei einem Sturm untergeht. Er rettet sich auf eine unbekannte Insel, auf der nur kleine Menschen leben. Vielleicht gerade mal um die 15 Zentimeter groß.« Flo warf einen schnellen Blick hinüber zu Boris, der ihn grimmig ansah. »Der ist ein ganz normal großer Mensch und nur für diese kleinen Leute wirkt er so riesig. Ist ja auch eigentlich nur eine Frage des Standpunkts, was groß oder klein ist.«

      »Genau die richtige Insel für Flo. Dann wäre er endlich einmal der Größte«, raunte jemand aus Boris’ Richtung. Laut genug, dass alle es hören konnten.

      »Sehr witzig«, krächzte Frau Denkhaus. »Wahre Größe lässt sich nicht in Zentimetern messen.« Immerhin war sie selbst eine sehr kleine Person und hatte in ihrer Schulzeit sicher viele Bemerkungen darüber ertragen müssen. »Sehr gut, Flo. Und was glaubt ihr, ist das eine realistische Geschichte?«

      »Nee, bestimmt nicht. So kleine Menschen gibt es in Wirklichkeit gar nicht«, meinte Melanie.

      ›Oder wir haben sie einfach noch nicht entdeckt und es gibt sie doch‹, dachte Flo. ›Oder vielleicht bildet sich Gulliver das alles nur ein und am Ende stellt sich heraus, dass er verrückt geworden ist.‹ Seit seinem Erlebnis im Kofferraum des Chevrolets war sich Flo überhaupt nicht mehr sicher, was die Wirklichkeit anbetraf.

      In der Pause hatten Flo und Jakob mit Glück einen Platz an einem der Kicker ergattert. Boris lauerte mit seinen Freunden etwas abseits darauf, dass ein Tisch frei wurde. Und um das zu beschleunigen, lästerten sie über Flo.

      »Spielt gar nicht so schlecht, der kleine Klugscheißer«, bemerkte Boris. »Ach was, der große Klugscheißer. Ist schließlich alles nur eine Frage des Standpunkts, stimmts? Eigentlich ist er ein Riese.«

      Die drei anderen Jungs um Boris feixten gehässig. Boris ging etwas in die Knie und starrte Flo von der Seite an. Flo tat so, als bemerke er ihn nicht. Doch vergeigte er jetzt fast jeden Ball.

      »Von Nahem betrachtet, wird jeder zum Riesen. Sieh an, du hast ja Sommersprossen.« Boris sog die Luft ein und hielt sich dann mit gespieltem Ekel die Nase zu. »Aber vielleicht sind das ja überhaupt keine Sommersprossen. Ich hatte ganz vergessen, dass du unter der Eisenbahnbrücke wohnst. Habt ihr da nicht alle braune Flecken im Gesicht? Woher kommen die noch mal?«

      Auch die anderen Jungs machten jetzt ein gespielt angewidertes Gesicht.

      »Ach ja, jetzt fällts mir wieder ein. Die Zugtoiletten, da war doch was …«

      Flo war hundeelend zumute über diese Demütigungen und wäre am liebsten fortgerannt. Aber die Blöße wollte er sich nicht geben.

      »Ich hab irgendwie keine Lust mehr«, sagte Jakob schließlich, um Flo aus der Situation zu befreien, und zog ihn mit sich fort. »Ich spiele nicht vor Publikum, das unter meinem Niveau ist«, fügte er etwas lauter hinzu.

      Boris ließ ihm diese Bemerkung durchgehen. Lag es an Jakobs Fußballfähigkeiten, dass er ihn einigermaßen respektierte? Oder an Jakobs älterem Bruder, der noch ein bisschen größer war als Boris.

      »So, genug gespielt. Schluss jetzt!«, rief Christian. Jakobs älterer Bruder war glücklicher Besitzer eines superschnellen Computers. Hin und wieder ließ er auch Flo und Jakob für eine Weile ran und die nutzten jede Gelegenheit, sich in virtuelle Spielwelten zu versenken.

      »Nur noch dieses Rennen zu Ende fahren«, protestierte Jakob.

      »Nix da. Ich muss was für die Schule machen.«

      »Als ob. Das sagst du immer und dann spielst du doch nur heimlich selbst«, beschwerte sich Jakob.

      »Das ist mein Zimmer und mein PC. Da bestimme ich.«

      »Und wenn ich Mama erzähle, dass du hier in Wirklichkeit dauernd nur rumdaddelst?«

      »Dann

Скачать книгу