Völkerrecht. Bernhard Kempen
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3. Errichtung der diplomatischen Mission und Ernennung der Diplomaten
Die Errichtung einer diplomatischen Mission erfolgt durch die Bestellung eines Missionschefs. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst die Auswahl einer geeigneten Person durch den Entsendestaat. Anschließend muss der Entsendestaat die Zustimmung des Empfangsstaats (sog. Agrément) einholen, Art. 4 Abs. 1 WÜD. Der Empfangsstaat kann sein Einverständnis mit der ausgewählten Person aber auch verweigern, ohne diese Entscheidung begründen zu müssen, Art. 4 Abs. 2 WÜD. Sollte der Empfangsstaat dagegen seine Zustimmung erteilen, wird der Missionschef vom Staatsoberhaupt des Entsendestaates ernannt, vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a WÜD. Das Verfahren wird durch die Überreichung des Beglaubigungsschreibens oder einer formgetreuen Abschrift hiervon abgeschlossen, Art. 13 WÜD. Die weiteren Mitglieder des Personals der Mission bedürfen keiner expliziten Zustimmung des Empfangsstaates. Ausgenommen sind lediglich die Staatsangehörigen des Empfangsstaates und die Militär-, Marine- und Luftwaffenattachés, bei denen dem Empfangsstaat im Vorfeld ihre Namen zwecks Zustimmung mitgeteilt werden müssen, Art. 7 WÜD.
Das WÜD sieht daneben in den Art. 5 f. WÜD einige Erleichterungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch Kleinstaaten vor. So kann ein Missionschef vom Entsendestaat zugleich für mehrere Empfangsstaaten bestellt werden, Art. 5 WÜD oder ein Missionschef bei einem Empfangsstaat für mehrere Entsendestaaten tätig werden, Art. 6 WÜD. Ein Beispiel für den zuletzt genannten Fall ist die Wahrnehmung der liechtensteinischen Angelegenheiten, die in vielen Staaten durch den Vertreter der Schweiz erfolgt.
4. Beendigung der diplomatischen Mission und der Tätigkeit eines Diplomaten
Eine diplomatische Mission wird mit einem actus contrarius zur Errichtung, der vorübergehenden oder endgültigen Abberufung der Mission, beendet. Eine solche Handlung wird insbesondere in den Fällen vorgenommen werden, wenn ein vollständiger Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Entsende- und dem Empfangsstaat erfolgt ist. Der Empfangsstaat hat aber auch nach der Abberufung die fortwirkende Pflicht, die Räumlichkeiten der Mission zu schützen (s. zur Schutzpflicht unter III.1.), Art. 45 WÜD. Diese Verpflichtung entfällt auch dann nicht, wenn es zum Ausbruch eines bewaffneten Konfliktes zwischen beiden Staaten gekommen ist, Art. 44 WÜD.
Hinsichtlich der Vorgaben für das Ende der Tätigkeit eines Diplomaten sind in Art. 43 WÜD zwei Wege vorgesehen. Den Regelfall bildet die Abberufung des Diplomaten durch den Entsendestaat, Art. 43 lit. a WÜD. Auch der Empfangsstaat kann im Ergebnis die Aufhebung des Status eines Diplomaten erreichen, allerdings kann er den Diplomaten nicht direkt ausweisen, sondern muss ihn zunächst gem. Art. 9 Abs. 1 WÜD zur persona non grata (zur unerwünschten Person) erklären. Andere Möglichkeiten bestehen dagegen nicht, da es sich beim Diplomatenrecht um ein geschlossenes System (self contained regime) handelt (s. oben unter I.), das abschließend die Rechte und Pflichten der Staaten in diplomatenrechtlichen Angelegenheiten regelt. Sollte der Empfangsstaat eine Erklärung nach Art. 9 Abs. 1 WÜD abgegeben haben, hat der Entsendestaat den Diplomaten im Normalfall innerhalb einer angemessenen Frist abzuberufen. Nur bei schweren Gesetzesverstößen kann auch ein sofortiges Verlassen des Landes gefordert werden. Nimmt der Entsendestaat die Abberufung nicht vor, kann es der Empfangsstaat gem. Art. 43 lit. b WÜD ablehnen, den Diplomaten als Mitglied der diplomatischen Mission anzuerkennen.
III. Der Schutz der diplomatischen Mission
Diplomatische Missionen stehen nach dem WÜD unter einem besonderen völkerrechtlichen Schutz, der ihre Funktions- und Arbeitsfähigkeit sowie ihre Würde gewährleisten soll. Begründet wird diese Sonderstellung gegenüber den Staatsangehörigen des Empfangsstaates mit einer Kombination von zwei Begründungsansätzen, der Repräsentationstheorie, nach der die diplomatische Mission bzw. die Person des Diplomaten den Entsendestaat im Empfangsstaat repräsentiert, sowie der Funktionstheorie, nach der die diplomatische Mission bei der Ausübung ihrer Funktionen nicht behindert werden soll, vgl. auch Abs. 4 der Präambel zum WÜD (vgl. hinsichtlich der abweichenden Begründung für die Immunität von Staaten und obersten Staatsorganen → Staatenimmunität).
Die Schutzvorschriften des WÜD dienen dabei vor allem dem Zweck, einen Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen dem Interesse des Entsendestaates an einer uneingeschränkten Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission sowie dem Interesse des Empfangsstaates an der Beachtung und Einhaltung seiner Rechtsordnung zu finden.
a) Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Mission
In Art. 22 Abs. 1 WÜD wird der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der diplomatischen Mission aufgestellt. Der Empfangsstaat darf daher durch seine Repräsentanten die Räumlichkeiten der Mission im Sinne des Art. 1 lit. i WÜD nur dann betreten, wenn der Missionschef zuvor seine Zustimmung erteilt hat. Weiterhin genießen diplomatische Missionen Immunität vor jeder Zwangsmaßnahme, d. h. den Schutz vor jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung, Art. 22 Abs. 3 WÜD. Von dem Schutz nach Art. 22 Abs. 3 WÜD sind auch die Einrichtung oder sonstige in den Räumlichkeiten der Mission befindliche Gegenstände mitumfasst, wie z. B. Schriftstücke, Archive oder das Gepäck, Art. 22 Abs. 3 und Art. 24 WÜD. Weiterhin sollen nach Ansicht des BVerfG (E 46, 342/364) auch die offiziellen Zwecken dienenden Botschaftskonten denselben Schutz genießen. Der in diesem Zusammenhang oftmals verwendete Begriff der „Extraterritorialität“ ist allerdings irreführend, da das Gelände diplomatischer Missionen zum → Staatsgebiet des Empfangsstaates zählt. Dieser besitzt daher z. B. auch die Strafgewalt für auf einem Botschaftsgelände begangene Straftaten. Lediglich die Durchsetzung, nicht aber die Geltung, nationalen Rechts ist eingeschränkt.
Um die Unverletzlichkeit der Mission auch gegen Übergriffe von Privatpersonen sicherzustellen, unterliegen die Räumlichkeiten der Mission zusätzlich einer besonderen Schutzpflicht des Empfangsstaates, Art. 22 Abs. 2 WÜD. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang vor allem der Umgang mit Protestaktionen gegen die Politik des Entsendestaates. Als Ausgangspunkt gilt dabei, dass friedliche Demonstrationen vor den Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission zulässig sind. Ein Einschreiten der Behörden des Empfangsstaates wird aber dann erfolgen müssen, wenn schwerwiegende beleidigende Handlungen vorgenommen werden, die mit der Würde der Mission unvereinbar sind oder die Proteste sogar soweit eskalieren, dass eine Bedrohung der Sicherheit der Mission vorliegt. Einen eklatanten Fall der Verletzung der Schutzpflicht bildete der Teheraner Geiselfall (s. oben unter I.), bei dem iranische Studenten im Jahr 1979 das Botschaftsgelände der USA stürmten und die Mitglieder der Botschaft gefangen nahmen. Die iranischen Behörden blieben während des Vorfalls nicht nur untätig, sondern erklärten in der Folge ausdrücklich ihre Unterstützung für das Vorgehen der Demonstranten.
b) Ausnahmen von dem Grundsatz
Problematisch und hoch umstritten ist die Frage, ob in bestimmten Situationen Ausnahmen von dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der diplomatischen Mission zuzulassen sind. Diesbezüglich sind drei Konstellationen zu unterscheiden.
Zunächst kann der Empfangsstaat durch seine Organe in Notsituationen