Völkerrecht. Bernhard Kempen
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3.Bestimmung der Staatszugehörigkeit juristischer Personen
4.Übertragung des Rechts auf diplomatischen Schutz
5.Internationale Organisationen
V. Art und Umfang der Schutzausübung
VI. Anspruch auf diplomatischen Schutz in der BR Deutschland
Lit.:
C.F. Amerasinghe, Diplomatic Protection, 2008; L. Gramlich, Diplomatic Protection against Acts of Intergovernmental Organs, GYIL 27 (1984), 386; ILC, Draft Articles on Diplomatic Protection with Commentaries, 2006; Th. Kleinlein/D. Rabenschlag, Auslandsschutz und Staatsangehörigkeit, ZaöRV 67 (2007), 1227; G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Diplomatischer Schutz im Völker- und Europarecht, 1996; G. Ress, Der internationale diplomatische Schutz und die Grund- und Menschenrechte, HGR VI/2, 2009, § 179; M. Ruffert, Diplomatischer und konsularischer Schutz, HStR X, 3. Aufl. 2012, § 206.
I. Allgemeines
Unter diplomatischem Schutz versteht man eine Handlung zugunsten von natürlichen oder (privatrechtlichen) juristischen Personen gegenüber völkerrechtswidrigem Verhalten fremder Hoheitsgewalten (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche) durch den → Staat, dessen → Staatsangehörigkeit/Staatszugehörigkeit die betroffene Person innehat (Heimatstaat). Das Ziel des diplomatischen Schutzes besteht darin, einen anderen Staat zur Einhaltung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen sowie ggf. eine Wiedergutmachung für die entstandenen Schäden zu erlangen. In der Regel wird zwar von diplomatischem Schutz durch bzw. gegenüber Staaten gesprochen, allerdings können auch andere Völkerrechtssubjekte, wie etwa → Internationale Organisationen, an der Ausübung von diplomatischem Schutz beteiligt sein.
Die Regeln des diplomatischen Schutzes sind noch immer eines der Gebiete im Völkerrecht, die am meisten vom Gewohnheitsrecht und somit von der Staatenpraxis geprägt sind. Von der International Law Commission (ILC) wurde der Versuch unternommen, die geltenden Regeln zu kodifizieren. Der von ihr 2006 vorgelegte und von der → UN-Generalversammlung zur Kenntnis genommenen Entwurf (Draft Articles on Diplomatic Protection; im Folgenden: ILC-Entwurf), kann in weiten Teilen als Ausdruck des momentan geltenden → Völkergewohnheitsrechts angesehen werden.
II. Rechtliche Natur des diplomatischen Schutzes
Die rechtliche Natur des diplomatischen Schutzes ist insbesondere in der neueren Völkerrechtslehre umstritten.
Nach der traditionellen und bis heute herrschenden Auffassung wird das Individuum (jedenfalls im Grundsatz) nicht als Träger subjektiver Rechte anerkannt, sondern ausschließlich als Objekt der Völkerrechtsordnung (→ Individuum, Rechtsstellung). Ein Völkerrechtsverstoß, den ein Staat in Bezug auf einen fremden Staatsangehörigen begeht, wird deshalb in der Regel nicht als Verstoß gegen im Völkerrecht begründete Rechte des Individuums angesehen, sondern als Verletzung der Rechte des Heimatstaates. Bei der Ausübung diplomatischen Schutzes handelt es sich folglich um ein originäres Recht des Staates. Dieser Ansicht folgten sowohl der StIGH im sog. Mavrommatis-Fall (Mavrommatis Palestine Concessions [Greece v. United Kingdom], PCIJ Ser. A, No. 2 (1924), 12) als auch der → IGH im Nottebohm-Fall (Nottebohm Case [Liechtenstein v. Guatemala], ICJ Reports 1955, 4).
An der tradierten Vorstellung wird seit geraumer Zeit Kritik geübt. Der Grund hierfür ist, dass das moderne Völkerrecht in zunehmendem Maße Individuen eigene Rechtspositionen einräumt, insbesondere in menschenrechtlichen Verträgen (→ Menschenrechte, allg.). Während das Völkerrecht in früherer Zeit dem Einzelnen keine Rechte zuerkannte und die Ausübung diplomatischen Schutzes dogmatisch somit nur durch die Mediatisierung des Individuums erklärt werden konnte, ist diese Notwendigkeit angesichts der gestärkten Rechtsstellung des Individuums nach einer im Vordringen begriffenen Ansicht mittlerweile entfallen. Daher sei zumindest in all denjenigen Fällen, in denen ein Staat gegen eine Rechtsnorm verstößt, die gerade dem Individuum Rechte verleihen soll, davon auszugehen, dass der Heimatstaat des Betroffenen bei der Ausübung diplomatischen Schutzes ein Recht seines Staatsangehörigen in Prozessstandschaft wahrnehme. Diese Auffassung kann sich u. a. auf die Aussage des IGH im LaGrand-Fall (LaGrand Case [Germany v. USA], ICJ Reports 2001, 446) stützen, wonach Art. 36 Abs. 1 b) WÜK ein eigenes Recht des Beschuldigten darstellt.
Praktisch relevant werden die unterschiedlichen Auffassungen insbesondere bei der Frage, wer auf das Recht des diplomatischen Schutzes verzichten kann. Geht man davon aus, dass der Heimatstaat bei der Gewährung diplomatischen Schutzes ein eigenes Recht wahrnimmt, kann auch nur der Heimatstaat auf dieses Recht wirksam verzichten. Sollten sich z. B. ein Gaststaat und ein ausländischer Investor darauf geeinigt haben, dass der private Vertragspartner auf diplomatischen Schutz durch seinen Heimatstaat verzichtet (sog. Calvo-Klausel, → Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches), könnte diese Vereinbarung dem Heimatstaat des Investors nicht entgegengehalten werden. Nimmt man hingegen an, der Heimatstaat mache nur ein Recht seines Staatsangehörigen in Prozessstandschaft geltend, dann wäre ein Verzicht durch den Staatsangehörigen grundsätzlich möglich.
III. Voraussetzungen des diplomatischen Schutzes
Die Ausübung diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat ist völkergewohnheitsrechtlich an drei Voraussetzungen geknüpft, sofern nicht vertraglich anderweitige Vereinbarungen getroffen wurden.
1. Völkerrechtswidriges Verhalten
Zunächst bedarf es eines völkerrechtswidrigen Verhaltens eines Staates bzw. eines anderen Völkerrechtssubjektes, damit diplomatischer Schutz gewährt werden kann. Das völkerrechtswidrige Verhalten kann in einem Handeln, aber auch in einem Unterlassen bestehen. Bei dem Verstoß kann es sich sowohl um eine Missachtung des Völkergewohnheitsrechts oder Allgemeiner Rechtsgrundsätze als auch von völkervertraglichen