Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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und Strafverfolgungsrecht. Schon Art. 88 Abs. 1 AEUV spricht von „Verhütung und Bekämpfung“; diese – wenn man so möchte: doppelfunktionale – Terminologie hält auch die Europol-VO konsequent aufrecht.

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      Es geht jedoch nicht um jede Art der Straftatenverhütung und -bekämpfung, sondern nur um besonders schwere Delikte. Dies wird in Art. 3 unter Verweis auf Anhang I Europol-VO bekräftigt. In diesem Anhang sind sämtliche Kriminalitätsformen aufgelistet, die den Zuständigkeitsbereich von Europol eröffnen. Gelistet sind 30 Deliktstypen, deren Bandbreite von Terrorismus über organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Schleusertum und Menschenhandel bis hin zu Völkermord reicht. Daneben sind allerdings auch Betrugsdelikte, Raub und Computerkriminalität aufgeführt. Angesichts dieses weit gezogenen Zuständigkeitskreises hat der primärrechtlich und in Art. 3 Abs. 1 Europol-VO genannte Vorbehalt einer Betroffenheit von zwei oder mehr Mitgliedstaaten und der Verletzung eines gemeinsamen Interesses besonderes Gewicht. Dies gilt erst recht, da Art. 3 Abs. 2 Europol-VO auch damit im Zusammenhang stehende andere (d.h. nicht gelistete) Deliktstypen erfasst.

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      Ist der Zuständigkeitsbereich von Europol einmal eröffnet, hat sie die Aufgabe, die Tätigkeit der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden zu unterstützen und zu verstärken. Dies geschieht im Schwerpunkt durch Datenaustausch, Informationsverarbeitung und Analyse, Art. 4 Abs. 1 Europol-VO. Weitere Aufgaben ergeben sich aus Art. 4 Abs. 2 bis 4 Europol-VO. Diese sind gerichtet auf die Unterstützung der europäischen Institutionen (→ Organe und Einrichtungen). Überdies ist Europol weiterhin Zentralstelle zur Bekämpfung der Euro-Fälschung gemäß dem Beschluss 2005/511/JI des Rates.

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      Eine strikte Trennung zwischen Aufgaben und Befugnissen, wie sie im deutschen Polizei- und Sicherheitsrecht zwingend erforderlich ist, nimmt die Europol-VO auf den ersten Blick nicht vor. Vielmehr verschmelzen Aufgabenbereiche mit konkreten Befugnissen zur Erhebung, Auswertung und Übermittlung personenbezogener Daten. Gleichwohl lässt sich aber feststellen, dass die Eröffnung eines Aufgabenbereichs von Europol conditio sine qua non ist für das Ergreifen konkreter Maßnahmen. Deren Voraussetzungen sind – Befugnisnormen nicht unähnlich – auch in der Europol-VO näher ausgestaltet.

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      Die konkreten Befugnisse von Europol lassen sich aus Kapitel IV – Art. 17 ff. – Europol-VO ableiten. Darin sind die Bedingungen zur Informationsverarbeitung genau benannt, woraus sich ergibt, dass die Datenerhebung und -verarbeitung nicht grenzenlos erfolgen darf. Zentral ist in diesem Zusammenhang der generalklauselartig formulierte Art. 18 Abs. 1 Europol-VO, der die Verarbeitung von Daten zur Verwirklichung der Ziele von Europol gestattet. Die Voraussetzungen der Erhebung und Verarbeitung von Daten normieren dann zugleich die Befugnisse von Europol. In den weiteren Befugnisnormen – zusätzlich flankiert von Anhang II der Europol-VO – wird jeweils differenziert zwischen eigener Erhebungstätigkeit von Europol einerseits und dem Datenempfang von dritter Seite andererseits, sodann werden anhand von Anlass und Zweck der Datenerhebung die weiteren Verarbeitungsbefugnisse festgelegt. Auch wenn die Regelungsdichte besonders in diesem Bereich recht ausgeprägt ist, so zeigt sich doch, dass Europol in der EU offenbar ein hohes Vertrauen und entsprechend umfangreiche Befugnisse zu Datenerhebung und -verarbeitung genießt. Dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit dem zuvor genannten Aufgabenkatalog, der ähnlich weit ausgestaltet ist.

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      In der Gesamtschau von Aufgaben und Befugnissen wird deutlich, dass Europol nicht nur klassische polizeiliche Befugnisse im Zusammenhang mit Daten eingeräumt werden, sondern auch solche, die im Kern im Bereich der Nachrichtendienste anzusiedeln wären. Dies unterstreicht, dass Europol gerade nicht nur der Strafverfolgung, sondern in ganz erheblicher Weise auch der Vorfeldaufklärung zur Straftatverhütung dient. Dafür spricht insbesondere der mit denselben Befugnissen flankierte Aufgabenbereich, strategische Analysen und Bedrohungsanalysen sowohl für den Bereich der EU (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 und 3 Europol-VO) als auch für den mitgliedstaatlichen Bereich (Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 und 3 Europol-VO) zu erstellen.

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      Zwangsmaßnahmen sind Europol hingegen weiterhin nicht gestattet, Art. 88 Abs. 3 S. 2 AEUV, Art. 4 Abs. 5 Europol-VO.

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      Die umfassenden informationellen Befugnisse von Europol können aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht ohne vergleichbar dichte datenschutzrechtliche Kanalisierungen existieren. Dies soll Kapitel VI – Art. 28 ff. – Europol-VO gewährleisten. Darin werden den Standards zum Datenschutz (s. → Datenschutz, Europäischer) entsprechend die weiteren Voraussetzungen für den Umgang mit einmal erhobenen und verarbeiteten Daten festgeschrieben wie etwa eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Erhebung, Zweckbindung sowie Speicher- und Löschfristen.

4. Kooperationspartner von Europol

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      Europol arbeitet eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, was sich bereits aus den Normen zu Aufgaben und Befugnissen ergibt. Zentral ist dabei der Datenaustausch über gemeinsame Informationssysteme, auf welche die Mitgliedstaaten nach dem „Treffer-/Kein-Treffer-Verfahren“ Zugriff haben. Neben Verpflichtungen zum Datenaustausch wird es Europol darüber hinaus ermöglicht, die Mitgliedstaaten auf deren Wunsch hin operativ zu unterstützen. Europol spielt dabei jedoch keine leitende, sondern lediglich eine assistierende Rolle; die Durchführung konkreter Maßnahmen verbleibt im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. In Deutschland ist gemäß dem Europol-Gesetz das Bundeskriminalamt (BKA) die intern zuständige Stelle für die Zusammenarbeit mit Europol.

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      Eine besondere Form der mitgliedstaatlichen Kooperation sind die in Art. 5 Europol-VO näher geregelten gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Diese gründen sich auf gesonderte Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und Europol; auch hier kommt Europol eher die Rolle eines „Dienstleisters“ als diejenige einer Einsatzstelle zu.

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      Daneben kann Europol auch von Amts wegen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten tätig werden. Zum einen kann sie einzelne Mitgliedstaaten auf Grundlage eigener Erkenntnisse dazu ersuchen, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, Art. 6 Europol-VO. Jedoch liegt auch hier die letztliche Entscheidungskompetenz ausschließlich bei dem ersuchten Mitgliedstaat selbst. Zum anderen hat sie gem. Art. 22 Europol-VO die Pflicht, die Mitgliedstaaten über sie betreffende Informationen zu unterrichten.

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      Europol ist überdies dazu ermächtigt, Kooperationen mit anderen Einrichtungen der EU einzugehen, Art. 23 Abs. 1 Europol-VO. Unabhängig davon ist die Datenübermittlung an Stellen der EU aber stets i.R.d. allgemeinen Vorgaben möglich, Art. 24 Europol-VO.

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      Daneben statuiert Art. 21 Europol-VO eine besondere Form der Pflichtkooperation mit anderen Einrichtungen der EU. Denn i.R.d. mit den Mitgliedstaaten bestehenden

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