Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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(EuGH, Urt. v. 28.3.1979, 175/78 – Saunders –, Rn. 11; Urt. v. 28.6.1984, 180/83 – Moser –, Rn. 15).

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      Die Arbeitnehmerfreizügigkeit kommt somit typischerweise zur Anwendung, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat ausübt bzw. sich zur Arbeitssuche in einen anderen Mitgliedstaat begibt (sog. Wanderarbeitnehmer). Sie ist aber ebenfalls einschlägig bei Arbeitnehmern, die in einem Mitgliedstaat einer Berufstätigkeit nachgehen, in diesem Staat aber nicht ihren Hauptwohnsitz haben (sog. Grenzgänger). Dies gilt unabhängig von dem konkreten Wohnort und der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers (EuGH, Urt. v. 18.7.2007, C-212/05 – Hartmann –, Rn. 17; Urt. v. 13.12.2012, C-379/11 – Caves Krier –, Rn. 25).

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      Die Arbeitnehmerfreizügigkeit findet nach dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 4 AEUV keine Anwendung auf Beschäftigungsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung. Die Bereichsausnahme soll sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten solche Stellen den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten können, „die ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen“ (EuGH, Urt. v. 26.4.2007, C-392/05 – Alevizos –, Rn. 70).

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      Aufgrund des Sinnes der Bereichsausnahme wird der Begriff der öffentlichen Verwaltung vom EuGH eng ausgelegt, um den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht über das nach dem Gesetzeszweck erforderliche Maß hinaus einzuschränken. Entscheidend ist nicht die institutionelle Zugehörigkeit der Stelle zur öffentlichen Verwaltung, sondern welche konkreten Tätigkeiten von dem Amtsinhaber ausgeübt werden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit findet daher grundsätzlich auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung Anwendung, es sei denn, die Tätigkeiten des Amtsträgers beinhalten eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates und anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind und die zugleich eine besondere Verbundenheit des Stelleninhabers zum Staat erfordern (EuGH, Urt. v. 26.4.2007, C-392/05 – Alevizos –, Rn. 69 f.; Urt. v. 10.9.2014, C-270/13 – Haralambidis –, Rn. 43 ff.). Die hoheitlichen Befugnisse müssen von den Stelleninhabern zudem tatsächlich regelmäßig ausgeübt werden und dürfen nicht nur einen geringen Teil ihrer Tätigkeiten ausmachen (EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-47/02 – Anker –, Rn. 63; Urt. v. 10.9.2014, C-270/13 – Haralambidis –, Rn. 58). Allein die Tatsache, dass mit der Beschäftigung die Berufung in ein Beamtenverhältnis einhergeht, kann somit den Vorbehalt zugunsten eigener Staatsangehöriger nicht begründen (EuGH, Urt. v. 3.7.1986, 66/85 – Lawrie-Blum –, Rn. 26).

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      Allgemein kommt die Bereichsausnahme für die Streitkräfte, Polizei und sonstige Ordnungskräfte, die Rechtspflege, die Steuerverwaltung, den Diplomatischen Dienst sowie Stellen in staatlichen Ministerien, die mit der Ausarbeitung von Rechtsakten, ihrer Durchführung und mit Aufsichtsfunktionen betraut sind, in Betracht.

      AArbeitnehmerfreizügigkeit (Michael Rafii) › IV. Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit

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      Eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit liegt vor, wenn durch die Maßnahme eines Verpflichtungsadressaten der Gewährleistungsinhalt der Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt wird. Wie bei allen Grundfreiheiten (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren) können sich Beeinträchtigungen zum einen aus unmittelbar oder mittelbar diskriminierenden Maßnahmen ergeben (Gleichheitsrecht) und zum anderen aus beschränkenden Maßnahmen (Freiheitsrecht).

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      Aufgrund des Diskriminierungsverbotes aus Art. 45 Abs. 2 AEUV stellen zunächst unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende unterschiedliche Behandlungen von inländischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Beispiele sind die unterschiedliche steuerliche Behandlung von inländischen und ausländischen Arbeitnehmern oder die Zahlung einer geringeren Vergütung an Staatsangehörige aus anderen Mitgliedstaaten (EuGH, Urt. v. 14.2.1995, C-279/93 – Schumacker –, Rn. 47).

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      Neben den unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Maßnahmen sind auch mittelbare Formen der Diskriminierung als Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzusehen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen wie unmittelbar diskriminierende Maßnahmen (EuGH, Urt. v. 12.2.1974, 152/73 – Sotgiu –, Rn. 11; Urt. v. 2.3.2017, C-496/15 – Eschenbrenner –, Rn. 35). Als Fallgruppen mittelbarer Diskriminierungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit kommen in Betracht: Die Forderung nach einem Wohnsitz in dem Beschäftigungsstaat (EuGH, Urt. v. 7.5.1998, C-350/96 – Clean Car Autoservice –, Rn. 30), Spracherfordernisse (EuGH, Urt. v. 6.6.2000, C-281/98 – Angonese –, Rn. 45), die Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten im Ausland bei der Bemessung einer Dienstalterszulage (EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-224/01 – Köbler –, Rn. 109) oder die generelle Befristung von solchen Arbeitsverhältnissen, die im Wesentlichen von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten ausgeübt werden (EuGH, Urt. v. 2.8.1993, C-259/91 – Allue –, Rn. 21).

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      Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass über den Wortlaut des Art. 45 Abs. 2 AEUV hinaus auch unterschiedslos auf inländische und ausländische Arbeitnehmer Anwendung findende Regelungen und Maßnahmen eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen, wenn sie geeignet sind, einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran zu hindern oder davon abzuhalten, von den Gewährleistungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch zu machen (EuGH, Urt. v. 15.12.1995, C-415/93 – Bosman –, Rn. 96). Nach der Auffassung des EuGH verfolgt die in Art. 45 AEUV garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit das Ziel, den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union zu erleichtern. Ihr sei daher ein Beschränkungsverbot für sämtliche Maßnahmen zu entnehmen, die ihre Ausübung durch einen Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen können. Die Beeinträchtigung kann sowohl vom Herkunftsstaat des Arbeitnehmers als auch vom Aufnahmemitgliedstaat ausgehen (EuGH, Urt. v. 28.2.2013, C-544/11 – Petersen –, Rn. 36).

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      Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt etwa vor, wenn ein Mitgliedstaat den in seinem Staatsgebiet wohnhaften Steuerpflichtigen eine Befreiung von der Einkommensteuer nur gewährt, wenn sie von einem dort ansässigen Arbeitgeber beschäftigt werden, nicht aber, wenn sie von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt werden (EuGH, Urt. v. 28.2.2013, C-544/11 – Petersen –, Rn. 46). In der Bosman-Entscheidung hat der EuGH zudem in Bezug auf Fußballprofis eine übermäßige Behinderung des grenzüberschreitenden

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