Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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Raums der Freiheit, derSicherheit und des Rechts (Art. 67 ff. AEUV) die → Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU (Eurojust) (Art. 85 AEUV), die 2002 mit Sitz in Den Haag gegründet wurde, sowie das → Europäische Polizeiamt (Europol) (Art. 88 AEUV), das 1999 ebenfalls in Den Haag gegründet wurde. Im Übrigen kommen als Rechtsgrundlage für die sekundärrechtliche Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU einschließlich sekundärrechtlicher Agenturen Art. 352 und Art. 114 AEUV sowie thematisch einschlägige spezielle materiell-rechtliche Kompetenznormen der Verträge in Betracht. Die Kompetenzergänzungsklausel (heute Art. 352 AEUV) ist einschlägig, wenn die Verträge bestimmte Befugnisse nicht der EU ausdrücklich zuweisen, ihre Inanspruchnahme aber erforderlich ist, um die vertraglichen Ziele der Union zu erreichen. Erscheint daher ein Tätigwerden der EU i.R. ihrer in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, können gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren die geeigneten Vorschriften erlassen werden (Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV). Auf der Grundlage der Vorläufernorm von Art. 352 AEUV wurde z.B. die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) mit Sitz in Wien gegründet.

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      Daneben können Einrichtungen und sonstige Stellen der EU und damit auch Agenturen auf Grundlage der Rechtsangleichungskompetenz gem. Art. 114 AEUV eingerichtet werden. Danach können das → Europäische Parlament und der → Rat (Ministerrat) gemäß einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten (→ Rechtsangleichung [Harmonisierung]) erlassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des → Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Auf der Grundlage von Art. 114 AEUV wurden etwa die einzelnen Elemente des Europäischen Systems für Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision/ESFS) geschaffen (dazu Rn. 617 ff.), die teilweise Rechtspersönlichkeit besitzen und daher zu den Agenturen der EU gerechnet werden können. Agenturen werden im Übrigen auch auf Grundlage spezieller materiell-rechtlicher Kompetenzartikel der Verträge gegründet, die den jeweiligen Politikbereich betreffen, so z.B. für den Bereich Verkehr gem. Art. 100 AEUV.

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      Die Organisationsstruktur der einzelnen Agentur wird in dem jeweiligen Sekundärrechtsakt festgelegt, durch den die Agentur gegründet wird. Obwohl es keine verbindlichen einheitlichen Vorgaben für die innere Organisation allgemeiner Agenturen gibt, ähneln sich deren Strukturen. In Anknüpfung an die erwähnte, nur für Exekutivagenturen geltende Verordnung zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen haben Parlament, Rat und → Europäische Kommission 2012 mit der knappen Gemeinsamen Erklärung („Joint Statement“) zu den „dezentralen Agenturen“ und dem dieser beigefügten ausführlicheren Gemeinsamen Konzept („Common Approach“) Grundsätze für Einrichtung, Struktur und Arbeitsweise, Verwaltung, Finanzierung und Überwachung von Regulierungsagenturen (mit Ausnahme der i.R.d. GASP geschaffenen Agenturen) aufgestellt (abrufbar unter https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/overhaul_de). Obwohl diese Grundsätze lediglich empfehlenden Charakter haben, werden sie in der Praxis weithin befolgt.

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      An der Spitze einer Agentur steht regelmäßig ein Verwaltungsrat, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission gebildet wird. In besonderen Fällen können ihm auch Vertreter des Europäischen Parlaments oder anderer inhaltlich betroffener Institutionen angehören. Zu den Aufgaben des Verwaltungsrates gehören die Formulierung von Zielen, welche die Agentur erreichen will, die Aufstellung eines Jahresprogramms und des jeweiligen Jahresberichts. Auch beschließt er das Budget der Agentur. Den Entwurf für das Budget, das Jahresprogramm und den Jahresbericht stellt hingegen der jeweilige Direktor auf, der insgesamt für die Leitung des täglichen Geschäfts zuständig ist und die Agentur nach außen repräsentiert. Auch die Personalverantwortung liegt beim Direktor, der vom Verwaltungsrat auf Vorschlag der Kommission ernannt wird. Die eigentliche inhaltliche Arbeit der Agenturen übernehmen primär die Ausschüsse. Diesen gehören die jeweiligen Experten an, die vom Verwaltungsrat berufen werden und Empfehlungen sowie Berichte erarbeiten.

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      Finanziert werden die Agenturen durch den Haushalt der EU sowie mittels freiwilliger Förderung durch Mitgliedstaaten und Internationale Organisationen. Einzelne Agenturen finanzieren sich zudem durch die Erhebung von Gebühren zumindest teilweise selbst. Kontrolliert wird der Etat der Agenturen durch die Kommission und den Rechnungshof. Über den Sitzort einer Agentur entscheiden die Mitgliedstaaten in der Praxis nach Art. 341 AEUV, obwohl dieser seinem Wortlaut nach auf den Sitz von Organen beschränkt ist. Im Ergebnis wird die regelmäßig hochpolitische Entscheidung über den Sitz einer Agentur daher im Einvernehmen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten getroffen.

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      Die Entwicklung eines stetig größer werdenden Netzes relativ selbständiger Agenturen im institutionellen Gefüge der EU hat immer wieder auch Kritik hervorgerufen. Im Fokus stehen hierbei meist mangelnde Transparenz und parlamentarische Kontrolle der Agenturen. Diese Probleme beruhen nicht zuletzt darauf, dass es für den Großteil der Agenturen keine vertraglichen Regeln gibt, die primärrechtliche Vorgaben für eine passgenaue Inkorporierung in das bestehende institutionelle Gefüge enthalten könnten.

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      Daneben stehen – ganz anders gerichtet – Zweifel an der tatsächlichen Unabhängigkeit der Agenturen. Zum einen wird oft kritisiert, dass die Mitgliedstaaten die Zusammensetzung des Verwaltungsrates zu stark beeinflussen könnten. Zum anderen wird auch der Kommission vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Arbeit der Agenturen zunehmend auszuweiten, um die Kontrolle in den entsprechenden Bereichen zu behalten.

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      Des Weiteren wird auch immer wieder bezweifelt, ob die starke Zunahme an Agenturen noch mit dem → Grundsatz der Subsidiarität gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV vereinbar sei. Angesichts der Vielzahl von Agenturen kommt es zu thematischen Überschneidungen, die dann wiederum Zuständigkeitsprobleme hervorrufen können. Daraus resultiert dann auch der Vorwurf der Ressourcenverschwendung – gerade wenn mit Blick auf die Verteilung der Agenturen auf die einzelnen Mitgliedstaaten die schwierigen Verhandlungen um den Sitz und die Personalauswahl immer weiter in den Vordergrund rücken.

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      Schließlich ist die Einbeziehung von Stakeholdern als Experten in die Arbeit der einzelnen Agenturen Gegenstand von Kritik. Zwar kann die Integration von Stakeholdern für die von der Arbeit der Agentur Betroffenen zu besseren und v.a. passgenaueren Ergebnissen und letztlich auch zu mehr Transparenz führen. Jedoch besteht schon mit Blick auf die Auswahl der Stakeholder die Gefahr, dass bestimmte Partikularinteressen mehr Einfluss auf die Arbeit der Agentur entfalten können als andere.

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