Liccle Bit. Der Kleine aus Crongton. Alex Wheatle

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Liccle Bit. Der Kleine aus Crongton - Alex Wheatle

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in den schräg eingezeichneten Lücken. Ich hörte kein irres Geschrei aus den Häusern, wie bei uns im Block.

      Ich suchte die Hausnummer. Zweihunderteinundfünfzig, zweihundertdreiundfünfzig, ich blieb stehen. Noch kann ich mich umdrehen und nach Hause verschwinden, dachte ich. Ich muss das nicht machen. Ich bin sicher, Manjaro findet auch einen anderen Bruder, der ihm holt, was er haben will. Aber, hey-ho, ich brauchte ein paar neue Sneaker und ich hatte keine Lust, mich noch mal mit meiner bekloppten Frisur vor Miss Fitness Venetia King blicken zu lassen. Ich brauchte unbedingt einen Haarschnitt. Zweihundertsiebenundfünfzig, zweihundertneunundfünfzig. Ich holte tief Luft und joggte den Rest des Weges. Zweihundertneunundsechzig. Langsam stieg ich die Stufen hinauf und las noch mal die Adresse vom Handydisplay ab. Ich war da. Zehn Sekunden lang stierte ich auf die Türklingel, als wär’s eine Sprengkapsel. Aus irgendeinem Grund fielen mir lauter alte Zeichentrickfilme mit irren Explosionen ein. Wile E. Coyote, der den Road Runner jagt und sich dabei aus Versehen selbst in die Luft sprengt. Den mochte mein Dad immer am liebsten, glaube ich. Dann schloss ich die Augen und klingelte.

      Sekunden später ging drinnen Licht an. Ich stieg eine Stufe runter. Etwas Feuchtes und Kaltes lief mir den Rücken runter. Durch die Milchglasscheibe sah ich einen Schatten auf mich zukommen. Die Tür ging auf und ein weißes Mädchen, ungefähr neunzehn Jahre alt, stand vor mir. Sie hatte die Haare zum Pferdeschwanz zurückgebunden und trug ein ausgeleiertes blaues T-Shirt und eine blaue Trainingshose. An den Handgelenken blaue Schweißbänder. Nichts an den Füßen. Ihre krummen Zehen sahen aus, als hätte sie versucht, barfuß in Eierbechern zu laufen.

      »Bit?«, fragte sie.

      Ich nickte.

      »Gib mir dein Handy«, verlangte sie.

      »Wieso?«

      »Gib mir einfach dein scheiß Handy!«, beharrte sie.

      Ich gab ihr mein Handy. Sie nahm es mir ab, markierte meine Nachrichten und löschte alle. Dann gab sie’s mir wieder und sagte: »Warte hier.«

      Ein eiskalter Dämon trieb in meinem Blutkreislauf. Sie schloss die Tür und ich sah ihren Schatten im Haus verschwinden. Zwei Minuten später kam sie mit einem braunen Päckchen, das mit braunem Paketband zugeklebt war, wieder raus. Ungefähr so groß wie mein Schuhkarton im Schrank, aber nicht ganz so hoch. Dann gab sie mir einen zusammengefalteten Zettel. Ich faltete ihn auseinander und erkannte eine Adresse in meiner Siedlung. »Remington House 9?«, fragte ich.

      Das Mädchen nickte. »Deine Spende«, sagte sie und zog einen frischen Zehner aus der Hosentasche.

      »Danke.«

      »Bring’s dorthin, jetzt«, verlangte sie. »Geh nicht erst nach Hause oder sonst wohin. Hast du kapiert?«

      »Kapiert.«

      »Gib mir den Zettel wieder«, befahl sie.

      Ich las noch mal die Adresse, dann gab ich ihn ihr zurück. Sie riss den Zettel in winzige Fetzen und zerknüllte sie in der Faust.

      »Denk dran«, sagte sie und hielt mir den rechten Zeigefinger vor die Nase. »Geh jetzt da hin, wenn du da bist, kriegst du noch eine Spende. Die wissen, dass du kommst.«

      Ich fragte mich, wer die waren.

      Sie machte die Tür zu, bevor ich weitere Fragen stellen konnte. Eine Weile blieb ich stehen, betrachtete das Päckchen. Es war sehr sorgfältig zugeklebt, als wäre was Wertvolles drin. Scheiße! Auf was hab ich mich da eingelassen? In dem Päckchen konnten Drogen sein, Munition oder sonst was. Vielleicht sollte ich es zurückgeben und das Geld auch? Andererseits weiß ich nicht, was die Schwester mit mir macht oder jemand anderen mit mir machen lässt. Wahrscheinlich ist sie eine ganz große Nummer in Manjaros Crew. Und ich bin bloß ein kleiner Hosenscheißer, dachte ich. Was richtig Überkrasses würden die mir doch gar nicht anvertrauen.

      Das Päckchen war so schwer wie mehrere Schulbücher, vielleicht drei, ich würde das bloß durchziehen können, wenn ich nicht drüber nachdachte, was drin war.

      Ich drehte mich um und sprang die Stufen runter, nahm zwei auf einmal. Remington House war der Block hinter dem von McKay. Ich vermutete, dass es eine Erdgeschosswohnung war, wegen der Nummer neun. Vielleicht würde ich auf dem Heimweg noch mal bei McKay reinschauen.

      Halb joggte ich zu meiner Lieferadresse, fragte mich, wer wohl da sein würde. Vielleicht Manjaro selbst? Oder eins seiner Mädchen. Elaine hatte nicht allzu viel darüber verraten, wo sie sich mit Manjaro getroffen hatte, als sie noch mit ihm zusammen war. Jedenfalls mir nicht.

      In fünfzehn Minuten war ich dort. Schweiß rann mir über die Schläfen. Ich wartete, bis ich wieder normal atmete, dann klopfte ich an die lackierte Holztür und drehte mich um, aber es war niemand in der Nähe. Oben hörte ich einen Hund bellen, und einer der Nachbarn hatte den Fernseher viel zu laut laufen, aber das war ganz normal in South Crongton. Zwei Minuten wartete ich, ohne dass jemand kam. Ich checkte die Nummer an der Tür. Neun. Ich klopfte noch mal, dieses Mal lauter.

      Eine Minute später hörte ich einen Schlüssel im Schloss. Die Tür ging zehn Zentimeter weit auf. Ich hörte noch, wie sich der Spülkasten vom Klo wieder füllte. Das Gesicht eines Mischlingstypen von ungefähr zwanzig Jahren tauchte in dem Spalt auf. Seine Brust war breiter als der alte Kleiderschrank von meiner Gran und er hatte oberschwere Fäuste. Die blaue Cap saß verkehrt rum auf seinem Kopf und in seinem Mund blinkte ein einzelner Goldzahn. Mein Herz trommelte ein Solo.

      »Bist du Bit?«, fragte er.

      »Ja«, erwiderte ich.

      Er drehte den Kopf. »Bit ist da!«, schrie er.

      »Lass den Bruder rein!«, schrie jemand zurück.

      Der Schwergewichtler ließ mich rein, musterte mich dabei mit einem Blick, als wäre ich eine unerwünschte Fliege. Dann zeigte er den Flur entlang. »Hinten rechts«, wies er mich an.

      Lackierter Holzboden. Ich schwitzte schon, weil ich mir die Füße nicht abgewischt hatte. Schwarz-Weiß-Fotos von Filmstars hingen an den Wänden. Irgendein Putzmittel oder Raumspray kitzelte mir in der Nase. Ich ging vorbei an einer leeren Küche und bog in ein Wohnzimmer ab, aber da war niemand. Ein großer Flachbildfernseher hing an der Wand und ein Nachrichtensprecher berichtete bei runtergedrehter Lautstärke über den Nahen Osten. Auf dem Boden lag ein dreiteiliger schwarzer Lederanzug, bildete einen Halbkreis neben einem langen Tisch mit aufgezeichnetem Schachbrett. Die Figuren waren aus Glas oder irgendeinem durchsichtigen Plastik und mir fiel wieder ein, wie mein Dad mal versucht hatte, es mir beizubringen.

      »Setz dich«, sagte eine Frauenstimme.

      Ich drehte mich um und sah ein braunhäutiges Mädchen von ungefähr einundzwanzig Jahren, vollkommen blau angezogen und mit großen goldenen, pyramidenförmigen Ohrringen. Sie war so hübsch wie ein Bond-Girl.

      Ich tat, wie mir geheißen, hielt immer noch das Päckchen fest in beiden Händen.

      »Willst du was trinken?«, fragte das Mädchen. Wahrscheinlich hatte sie die Schweißtropfen auf meiner Stirn gesehen.

      »Ja, bitte.«

      »Ich hab Ananas-, Orangen- oder Apfelsaft.«

      »Mir egal«, erwiderte ich. »Irgendwas.«

      Orangensaft war mir am liebsten, aber ich wollte keine Umstände machen.

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