Himmel und Hölle. Alexandre Dumas
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Da er indes auf alle Fragen, die sie an ihn richteten, verständig antwortete, da er niemals gelogen hatte und allen die Wahrheit sagte, sie mochte denselben angenehm sein oder nicht, so nannten sie ihn nicht Hans oder Johann oder den kleinen Kleine, sondern Ehrlich.
Nach einer gewissen Zeit nahmen selbst die kleine Marie, Frau Marie, der Vater Kleine, sogar Madelaine den Namen auf, unter welchem Johann im Dorfe allgemein bekannt war, und nannten ihn Ehrlich wie die Andern. Johann sah wohl ein, dass dies ein schöner Name sei, ein Name nach dem Herzen Gottes; er entwöhnte sich seines Namens Johann und gewöhnte sich daran, Ehrlich genannt zu werden.
V. Bernhard und Peter vervollständigen die Familien, der erstere die des Vaters Kleine, der andere die der Frau Marie und wie diese Witwe wird
Im Jahre 1805 war Ehrlich zehn ich aber kaum drei Jahre alt, da verließ mein Vater das Schloss des Fossés, das etwa ein Viertelstündchen von dem Hause des Vaters Kleine stand, um ein drei Stunden entferntes anderes Schloss, Antilley, zu beziehen.
Mein Vater hatte aus dem Feldzuge in den Alpen von dem St. Bernhardskloster ein Paar jener prächtigen Kunde mitgebracht, deren wertvolle Race die Mönche so sorgsam erhalten. Sie sehen aus wie zweijährige Löwen. Eben als wir nach Antillen ziehen wollten, warf die Hündin fünf Junge; zwei davon wurden verschenkt, zwei behielt die Alte und das fünfte hatte ein roher Mensch grausam vor die Tür geworfen.
Der immer im Freien umher wandernde Ehrlich ging zufällig vorüber, Hörte Das Winseln des armen kleiner Hundes, hob ihn auf und trug ihn nicht in das Häuschen seines Großvaters — an dessen Edelmut er zweifelte, da er bereite den Esel und den Ochsen zu füttern hatte — sondern in den Stall der Frau Marie.
So lange Bernhard — Ehrlich hatte den Hund kurze weg so genannt — Milch bedurfte, brauchte er sich nicht eben sehr zu sorgen. Die schwarze Kuh war ja da und den vereinten Bitten der beiden Kinder wurde es nicht schwer, von der mitleidigen und gefühlvollen Frau Marie die ihm nötige Portion Milch zu erhalten. Da der Hund aber heranwuchs, musste er mit seinem gewaltigen Appetit eine schwere Last für das Haus werden.
Trotzdem entschloss sich Ehrlich, den Bernhard in das väterliche Haus einzuführen. Er benutzte einen Augenblick, in welchem dasselbe leer war, ließ Bernhard eintreten und stellte sich vor denselben, um ihn gegen den ersten Zorn des Großvaters zu schützen. Aber nicht dieser kam zuerst, sondern Mutter Madelaine, die laut aufschrie, als sie ihren Ehrlich so neben dem Kunden stehen sah.
Es war ja treffend das Bild des Einfältigen auf dem Gemälde in der Kirche, es fehlte nun zur Ähnlichkeit gar nichts mehr, nicht einmal der Hund. Madelaine war eine gläubige Seele, die in allem die Band der Vorsehung erblickte. So glaubte sie denn auch jetzt, dass der Hund sich nicht nutzlos auf dem Wege des Knaben gefunden habe und dass es fast eine Sünde sei, Beide zu trennen, da sie ja und auf dem Bilde in der Kirche beisammen wären.
So blieb denn nur Vater Kleine zu fürchten, und diesem den Bernhard annehmlich zu machen war keine leichte Aufgabe. Vater Kleine hasste alles Nutzlose, und so fürchtete man denn sehr, er werde den Bernhard abweisen.
Glücklicher Weise indes wurde seit einiger Zeit sehr viel von Diebstählen in der Gegend gesprochen, glücklicher Weise war es sogar dem Vater Kleine vor etwa zwei Nächten gewesen, als höre er in dem Hofe gehen. So stellte man ihm denn Bernhard als Wächter und Schutz vor, und nach dem er sich eine Zeitlang hatte bitten lassen, willigte er wirklich ein, den Hund zu behalten zur großen Freude Ehrlichs und der kleinen Marie.
Es wäre auch wirklich schade gewesen, den Hund von dem Knaben zu trennen, denn sie hingen mit wunderbarer Freundschaft an einander. Bernhard namentlich hatte eine Anhänglichkeit an Ehrlich, dass man fast hätte glauben sollen, er besitze, wie die Tiere überhaupt, eine Seele. Die Seele Bernhards war seine Dankbarkeit gegen den, welcher ihm das Leben gerettet hatte, und diese Dankbarkeit sprach sich in einem fast fabelhaften Gehorsam aus. Auf den leisesten Wink Ehrlichs sprang Bernhard in das Wasser oder durch das Feuer; wo er sich auch befand, seine Augen wendeten sich von denen des Knaben nicht ab; schlossen sie sich eine kurze Zeit zum Schlafe, so öffneten sie sich immer nach der Richtung hin, in welcher sich Ehrlich eben befand. Immer sah man sie beisammen, neben einander, und Ehrlich ließ die Hand an der Seite herabhängen, an welcher sich der Hund befand, der sie im Laufen leckte.
Und ein Glück war es, dass Bernhard so sanft war und dem Knaben so sehr gehorchte, denn er besaß Riesenkraft, und er wäre recht gefährlich gewesen, wenn ihn nicht ein Wink, ein Wort harmloser und unschädlicher gemacht hätte, als es der festeste Beißkorb nur immer vermocht haben würde.
Nach Ehrlich liebte Bernhard am meisten die kleine Marie, dann Madelaine, dann Frau Marie; gegen die beiden Familienhäupter, Vater Kleine und den Schulmeister, empfand der Hund die allervollständigste Gleichgültigkeit.
Der Schulmeister hatte, wie bereits erwähnt, einen Augenblick gehofft, er werde durch den Convent etwas zu den dreihundert Francs hinzu bekommen, die er als Kinderlehrer und Vorsänger in der Kirche von der Gemeinde erhielt, diese Hoffnung aber aufgeben müssen, was für ihn eine umso schmerzlichere Enttäuschung war, da sich seine Familie durch einen Sohn vermehrt hatte. Diesen Sohn empfahl er ganz besonders dem Apostel Petrus und nannte ihn nach demselben Peter, wie auch er selbst, der Schulmeister, hieß. Um den Einen von dem Andern zu unterscheiden, nannte man das Kind den kleinen Peter.
Um das Unglück voll zu machen, erkrankte bald nach der Geburt des kleinen Peters der Vater und starb, so dass die Witwe mit ihren beiden Kindern auf die Pension von hundert Francs, welche ihr die Gemeinde gab, und auf ihre Händearbeit angewiesen war.
Dies geschah etwa um das Jahr 1810. Die kleine Marie stand im fünfzehnten Jahre und konnte also den unersetzlichen Verlust ermessen, den sie erlitten hatte. Wie bei allen wichtigen Begebenheiten verschmolzen sich auch bei diesem Trauerfalle die beiden Familie in eine einzige, und Madelaine wie Ehrlich übernahmen ihren Teil von dem Schmerze der Nachbarin, damit er dieser minder schwer werde.
Obgleich nun Ehrlich mit der kleinen Marie weinte, fand er doch so wunderbar tröstende Worte für das Mädchen und für die Frau, dass sie beide, die neben einander weinten, die in Tränen schwimmenden Augen aufschlugen und hinsahen, ob denn wirklich Ehrlich, der Geistesarme, also gesprochen habe.
In Folge dieser Stimme, die von oben herab zu kommen schien, verlor ihr Schmerz, wenn er auch nicht ganz schwand, viel von seiner Bitterkeit und nach einem halben Jahre hatten bereits die Herzen wie die Anzüge, ohne gerade die Trauerfarbe ganz verloren zu haben, doch nicht mehr das schauerlich Düstere.
Es gibt eine himmlische Barmherzigkeit für die Armen. In dem Augenblicke, da das Unglück uns trifft, glaubt man nicht nur dasselbe nicht ertragen zu können, man hält es auch überhaupt für unerträglich. Man überschaut die Hilfsmittel, die geblieben sind, zählt sie zusammen, schaudert und fragt sich, wie weit sie reichen werden. Das Leben scheint zu uns möglichen Bedingungen gebracht zu sein; man tritt schaudernd in das neue Dasein ein, das sich immer enger und enger zusammenziehen und uns endlich ersticken zu müssen scheint. Aber ein Tag nach dem andern vergeht, ein Monat folgt dem andern; aus der Armut selbst scheinen wohltätige Gedanken aufzusteigen und man blickt so oft nach dem Himmel hinauf, dass man endlich Gott selbst zu sehen glaubt. Dann gleicht der Arme, so verzweiflungsvoll er auch sein mag, dem Verurteilten, den man zum Blutgerüste