Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein
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der andre kleinere kroch immer um den Küfer
herum, liebkoste ihn gleichsam, als wolle er ihm zu
verstehen geben, daß er doch auch mit heraus sollte.
Der arme Mann gelobte Gott und dem heiligen Leodager
in die Stiftskirche im Hof zu Luzern ein schönes
Meßgewand, wenn er der Drachengrube entrinne,
und als der zweite Drache sich anschickte, aufzufliegen,
hing er sich ihm an den Schweif und fuhr mit auf,
kam also wieder an das Licht, ließ sich oben los und
fand sich wieder zu den Seinen. Doch lebte er nicht
lange mehr, weil er der Nahrung ganz entwöhnt war,
hielt aber Wort und sein Gelübde, ließ ein prächtiges
Meßgewand fertigen, darauf die ganze Begebenheit
sticken und alles in das Kirchenbuch einzeichnen. Es
soll diese Wundergeschichte sich ereignet haben 1410
oder 1420, und vom 6. November des einen Jahres
bis zum 10. April des folgenden hauste der Küfer bei
den Lindwürmern.
15. Winkelried und der Lindwurm
Zu Wylen, einem Dorfe nicht weit vom Pilatus, saß
ein Mann, der hieß Winkelried, und in der Nähe droben
am Berge hauste ein schädlicher Lindwurm, der
fraß Menschen und Vieh und verödete den ganzen
Landstrich, so daß ihn die Umwohner Öd-Wyler
nannten. Nun hatte der Einwohner Winkelried ob
einer Mordtat Leib und Leben verwirkt und war
flüchtig worden, der sandte Botschaft, daß er, wenn
man ihn wieder annehmen wolle, Mut habe, den Lindwurm
zu bestehen. Diesen Kampf vergönnte man ihm
gern, er bewahrte sich gut mit scharfem Schwert, und
statt des Schildes hielt er in der linken Hand eine
Dornwelle. Diese stieß er dem Drachen, sowie der auf
ihn losfuhr, in den weitaufgesperrten Rachen hinein.
Das waren dem Lindwurm zu viele Zahnstocher auf
einmal; er wand und krümmte sich, und sowie Winkelried
eine Blöße sah, stieß er ihm mit sichrer Hand
das Schwert in den Leib. Der Lindwurm sank tot nieder,
von seinem Blute troff Winkelrieds Schwert, der
schwang es hoch und freudig als Sieger und hatte sein
Leben gewonnen, aber nur, um es alsbald zu verlieren.
Denn vom Schwert ab floß das giftige Drachenblut
und rann ihm über die Hand und den Arm, das
brannte alsbald wie Feuer der Hölle, und der Held
starb an diesem Brand. Das Land hatte er befreit, das
Drachenloch wird noch heute gezeigt.
Ein andres Drachenloch zeigt man bei Burgdorf
mitten im Berner Lande. Es zogen zwei Herzöge von
Lenzburg aus zu jagen, die waren Brüder und hießen
Sintram und Bertram, oder nach andern Guntram und
Waltram, und kamen in einem wilden Wald an ein
wüstes Geklüft, darin lag ein ungeheurer Drache, der
ebenfalls die Landschaft umher zur Einöde machte.
Als der die jungen Jäger gewahrte, fuhr er alsbald auf
sie los und schlang den Bertram, den Jüngsten, mit
Haut und Haar durch seinen weiten Schlund hinab,
Sintram aber fiel voll Mut den Drachen an, hieb ihm
den Kopf ab, schnitt ihm den Leib auf und half seinem
Bruder, der noch lebendig war, heraus. Danach
ließen die Brüder der heiligen Margaretha zu Ehren
eine Kapelle an dem Orte erbauen und die Tat durch
ein Bild verewigen.
16. Kastelen-Alpe
Auf der Kastelen-Alpe wohnte ein reicher Bauer, der
hatte viele Herden und Matten, und drunten in Kriens
hatte er eine arme Muhme, die war Witwe, hatte nur
eine einzige Tochter und nährte sich mit dieser gar
kümmerlich, lag auch schwer an der Gicht darnieder.
Da entschloß sich das Maidli, hinauf auf die Alp zum
reichen Vetter zu gehen und ihn um eine Unterstützung
anzusprechen. Da stieg ein schrecklich Gewitter
am Himmel auf, als sie auf der Alpe ankam, ihr aber
ward kein Trost und keine Gabe, nur Hohn und
Scheltworte, und sie ließen droben auch trotz des drohenden
Wetters das Mägdlein wieder fortgehen. Das
kam tüchtig in das Wetter und erreichte mit Not die
Hütte eines Sennen, das war ihr Bube Aloys, der hatte
noch einen kleinen Käs, den gab er ihr für sie und ihre
Mutter. Raschen Schrittes eilte die Dirne abwärts, da
glitt sie auf der glatten Trift, fiel hin, und der Käs
rollte in die Tiefe, unaufhaltbar in unzugängliche
Felsklüfte. Weinend und kummervoll schaute die
arme Dirne dem entrollten Käse nach, da faßte etwas
ihre Hand, und sie erschrak zum Tode, und bei ihr
stand so ein klein winziges graues Herdmanndli, das