Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein

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style="font-size:15px;">       dem Arth und Küßnacht eine hohle Gasse, dort harrte

       Tell des Vogts, und wie der durch die hohle Gasse dahergeritten

       kam, schoß ihn der Tell mit dem aufgesparten

       Pfeil vom Rosse herunter, wie ein Jäger eine

       wilde Katze vom Baume schießt. Nach solcher Tat

       wich der Tell ungesehen von hinnen, kam im Dunkel

       der Nacht im Lande Schwyz in des Stauffachers Haus

       zu Steinen, eilte dann durchs Gebirg zu Walther Fürsten

       in Uri und sagte allen an, was und wie es sich zugetragen,

       und daß es jetzt an der Zeit sei, loszuschlagen

       und das fremde Joch abzuschütteln. Nun war es

       nicht mehr weit hin bis zum neuen Jahr, denn als der

       Bund im Gryttli tagte, war schon Wintermond, und da

       ward zuerst Roßberg mit List eingenommen von den

       Unterwaldnern, und darauf Sarnen ohne Schwertschlag,

       und mußten alle Leute der Vögte Urfehde geloben

       und schwören, nimmermehr wieder in das

       Schweizerland zu kommen, und wurden über die

       Grenze vergeleitet; das noch nicht fertig ausgebaute

       Schloß Zwing-Uri wurde wie die genannten Schlösser

       der Erde gleich gemacht, und Werner Stauffacher

       brach Schloß Louvers, das in den See hineingebaut

       stand.

       Da nun Kaiser Albrecht von allen diesen Dingen

       die Kunde vernahm, geriet er in großen Zorn, nahm

       gleich ein Kriegsheer, die Schweizer zu züchtigen.

       Aber auf diesem Zuge, da er durch den Aargau ritt

       und gen Brugg wollte, wurde er von seinem eigenen

       Neffen, Johann, Herzog von Schwaben, ohnweit Königsfelden

       meuchlings erschlagen. Darum behielten

       die Schweizer Frieden und ihre Freiheit bis auf den

       heutigen Tag. Das ist die Sage von der Schweizer

       Bündnis und der Tat des Tell, welch letztere nur wie

       eine einzelne Alpenrose in den Kranz der Geschichte

       sich einflocht. Es ist bekannt, daß die Sage vom

       glückhaften Pfeilschuß auch in Dänemark sich findet,

       und nicht unmöglich ist, daß die frühern Einwanderer

       aus dem Norden sie schon mitgebracht und sie sich

       dann verjüngt hat. Ja, die drei ersten Gründer des

       Bundes der Schwyzer, Unterwaldner und derer von

       Uri – denen sich dann Zürich, Luzern, Zug, Glarus,

       Freiburg und Solothurn anschlossen, denen endlich

       Schaffhausen und Appenzell folgten – galten und gelten

       dem Landvolke als drei Telle, die in einer Felskluft

       verzaubert schlafen, wie Kaiser Friedrich im

       Kyffhäuser und Kaiser Karl im Untersberge. Sollte

       das Schweizer Vaterland in Not kommen, so werden

       die drei Telle aus ihrer Gruft hervorgehen und es aufs

       neue befreien. Den Weg zu ihrer Höhle weiß keiner,

       nur zufällig kam einst ein Hirte, der einer verlaufenen

       Ziege suchend nachging, an eine Höhle, da fand er die

       drei Männer, und der eine Tell richtete sich vom

       Schlummer auf und fragte: Welch Zeit ist's auf der

       Welt? – Hochmittag! antwortete der Hirte. – So ist's

       noch nicht an der Zeit! sprach der Tell und legte sich

       wieder zum Schlummer hin. Keiner hat nachher die

       Höhle wiedergefunden.

       7. Luzerner Hörner und Mordnacht

       Da die Schweizer aufstanden und zu Felde zogen

       gegen ihre Unterdrücker, gebrauchten sie allerlei

       Kriegsinstrumente. So hatten die von Uri einen Mann,

       den hießen sie den Stier von Uri, der blies ein mächtig

       Urhorn, das mit Silber beschlagen war; und wenn

       man einen Keil ins Mundstück schlug, konnte man

       auch daraus trefflich trinken. Die Luzerner brauchten

       eherne Hörner, wie die alten Römer gebraucht, die

       hießen sie Harschhörner, und die hatte ihnen König

       Karl verliehen, als sie mit ihm in der Roncevaller

       Schlacht gestritten, wo Held Roland fiel.

       Zur Zeit, als die Schweiz sich erhob, gab es in Luzern

       eine Partei, die war noch gut österreichisch gesinnt,

       die erkannten sich an den roten Ärmeln, die sie

       an ihren Wämsern trugen. Die versammelten sich

       unter dem großen Schwibbogen an der Ecke der

       Schneiderzunftstube und verabredeten, daß sie um

       Mitternacht alle Eidgenössischen überfallen und morden

       wollten. Ein Bettelbube vernahm's, ward aber

       entdeckt und mit dem Tode bedreut, wenn er nicht

       schweige; mußte deshalb einen Eid schwören, niemand

       den Anschlag anzusagen. Der Knab' ging auf

       die Metzgerzunftstube, da zechten noch viele Gesellen,

       und der Knabe legte sich auf die Ofenbank und

       seufzte:

       O Ofen, o Ofen, was muß ich dir klagen,

       Wel ich's beim Ced sonst niemand darf sagen.

      

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