Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein страница 28
ihn endlich nicht länger mehr in der Heimat, er verließ
seine Schlösser und sein Land und ging in Pilgertracht
über die Alpen und wandelte gen Rom, dem
Heiligen Vater seine schwere Schuld zu bekennen und
eine Buße sich auferlegen zu lassen. Und er kam zum
Papste und kniete zu dessen Füßen und beichtete sein
Verbrechen und flehte zerknirscht um Entsündigung.
Da erhob sich von seinem Thronsitz der Heilige Vater
und sprach: Graf Hugo von Egisheim! Der allbarmherzige
Gott hat nicht gewollt, daß Bruno, dein Sohn,
sterbe, sondern hat ihn aufbehalten zu hohen Dingen.
Und Gott verzeiht dir durch mich, den Knecht seiner
Knechte, den grausamen Vorsatz. Deine Reue soll
deine Buße gewesen sein. Stehe auf, Graf Hugo, umarme
mich, ich bin es, der dir Verzeihung kündet, ich
bin Bruno, dein Sohn, Leo der Neunte geheißen auf
St. Petri heiligem Stuhle! – Dem alten Grafen war, als
ob er träume, als ob der Himmel sich ihm erschließe.
37. Die Münsteruhr
Zu Straßburg im Münster ist ein kostbar und verwunderungswürdiges
Uhrwerk, das seinesgleichen in der
ganzen Welt nicht hat. Hoch und stolz, ein wundersames
figurenreiches Gebäu, steht es da vor Augen,
aber leider steht es eben und geht schon längst nicht
mehr. Im Piedestal zeigt sich neben einem Himmelsglobus
ein Pelikan, darüber erhebt sich ein Kalender,
in dessen Mitte die Erdkugel ersichtlich ist, zu beiden
Seiten stehen der Sonnengott und die Mondgöttin,
welche mit ihren Pfeilen Tages- und Nachtstunden
zeigen. Schildhalter an den vier Winkeln des Kalendariums
lassen Wappen erblicken. Darüber fuhren in
Wagen, von verschiedenen Tiergespannen gezogen,
die sieben Planetengötter als Tagesboten, jeden Tag
zeigte sich sanft vorrückend ein anderes Gespann,
stand in der Mitte zur Mittagsstunde und gab dann
allmählich dem nachfolgenden Raum. Darüber ein
großer Viertelstundenzeiger und zur Seite vier Gebilde,
die Schöpfung, Tal Josaphat, Jüngstes Gericht
und Verdammnis. Zur Rechten des Beschauers steht
ein freier Treppenturm am Uhrgebäu, zur Linken ein
ähnlicher von anderer Form mit Göttergestalten, auf
der Spitze ein großer Hahn, welcher die Stunden
krähte und mit den Flügeln schlug. Am Sockel der
Türme halten zwei große aufrechtsitzende Löwen je
einer den Helm mit dem Kleinod, der andere das
Wappenschild Straßburgs. Recht in der Mitte ist das
riesiggroße mannigfach verzierte und mit kunstvollem
Triebwerk versehene Zifferblatt, umgeben von den
Bildern der vier Jahreszeiten, darüber steht: DOMINUS
LUX MEA-QUEM TIMEO. Den Zeiger bildet
ein geschlängelter Drache, dessen Zungenpfeil auf die
Stundenzahl deutet. Über dem Zifferblatte zeigte ein
kleinerer Kreis mit der Mondesscheibe genau des
Mondes wechselnde Zeiten. Darüber zeigten sich zwischen
Schildhaltern und Wappenfiguren wandelnde
Gestalten der Menschenalter, welche an die offen hängenden
Viertelstundenglocken anschlugen, über ihnen
hängt die Stundenglocke; nach jedem Viertelstundenschlage
trat der Tod hervor, die Stunde zu schlagen,
aber da begegnete ihm die Gestalt unsers Heilands
und wehrte ihm, erst wenn die Stunde voll war, durfte
der Tod sein Stundenamt üben. Hoch empor über
allem diesen hob sich noch eine gotische Krone mit
den freistehenden Gestalten der vier Evangelisten, die
Tiere der Offenbarung neben sich, und über diesen
standen zwei musizierende Engel, dahinter aber barg
sich gar ein schönes klangvolles Glockenspiel, auch
ist noch manch anderes künstliches Bildwerk an der
Münsteruhr zu sehen und sind auch gedankenvolle
Sprüche daran zu lesen. Dieses herrlichen Werkes
Meister hieß Isaak Habrecht, der hatte gar lange gesonnen
Tag und Nacht und gearbeitet unermüdlich,
bis er es vollendet, und bis es durch seinen lebendigen
Gang alle Welt zum Erstaunen hinriß. Da es nun vollbracht
war, so gedachte der Meister, auch anderswo
seine unvergleichliche Kunst zu üben, da blies der
böse Feind dem Rate der Stadt Straßburg schlimmen
Neid in das Herz, und sollte seine Stadt solch Wunderwerk
nur einzig und allein haben. Und weil die
Herren im Rate glaubten, wenn sie dem Meister Habrecht
auch verböten, der Stadt Weichbild zu verlassen,
werde er Straßburg dennoch den Rücken kehren,
so wurden sie miteinander eins, ihn des Augenlichtes