Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Hütte zu erreichen.

       Des Weges aber, den die Mönche eingeschlagen,

       kam ein Bote, der wollte gen Speier, der sah dieselbigen

       Mönche sich entgegenkommen, sie fuhren auf

       einem Wagen, der war schwarz überhangen und hatte

       nur drei Räder; die Pferde, die ihn zogen, hatten nur

       drei Beine, und der Fuhrmann hatte eine Teufelsnase

       und eine Flammengeißel, rund um den Wagen her weberte

       es von Flammen. Der Bote kreuzte und segnete

       sich und zeigte dem Rat zu Speier dies Gesicht an,

       aus welchem man auf große Zwietracht unter den

       deutschen Fürsten schloß, an der in alten und neuen

       Zeiten niemalen ein Mangel.

       43. Die Schwabenschüssel

       Zu Speier auf dem Domplatz steht auf einem großen

       Fußgestelle von Quaderstücken auf drei Staffeln ein

       großer, tiefer, runder steinerner Napf, mag wohl ein

       Taufbecken sein aus grauen Zeiten, wie eins vor der

       Klosterkirchenruine zu Paulinenzelle liegt und anderswo

       dergleichen auch gefunden werden – das hat in

       seinem Rand eine Schrift, in Messing gegossen, diese

       besteht aus lateinischen Versen. Dieses Becken nennen

       sie dort die Schwabenschlüssel, niemand weiß,

       warum. Sie hatten aber zu Speier damit einen sondern

       Brauch, nämlich wenn ein neugewählter Bischof alldort

       seinen Einzug halten wollte, so ward er nicht alsbald

       in die Stadt gelassen, sondern mußte vor dem

       Tore halten bleiben und zuvor geloben, der Stadt

       Rechte und Freiheiten nicht anzutasten, vielmehr aufrechtzuerhalten,

       und das angeloben mit Brief und Siegel,

       dann öffnete der Rat ihm das Stadttor, aber

       gleichwohl durften nicht mehr als funfzig Mann des

       Gefolges in ihrer Wehr mit dem Bischof einreiten,

       und dann ward das Tor wieder hinter ihm zugeschlossen.

       Danach legte der Bischof seinen Ornat an und

       ward von Rat und Bürgerschaft und seinem Gefolge

       geleitet und begleitet bis auf den Domplatz an die

       Schwabenschüssel, dort nahm die Klerisei den neuen

       Bischof in Empfang und führte ihn unter einen Thronhimmel

       in den Dom mit großen Zeremonien und Gepränge.

       Der Bischof aber ließ nun Wein anfahren und

       in die Schwabenschüssel fließen, so viel als hineinging,

       und da konnte trinken, wer wollte, und derer, die

       wollten, waren immer viele, und der Wein floß endlos

       in den Napf, ein ganzes Fuder oder auch zweie. Da

       soff sich zum öfteren die Menge toll und voll, und

       mancher kam weit hergereist zu diesem Trunke, und

       ward ihm hernach weh und übel von dem vielen Saufen.

       Davon ist denn das Sprüchwort entstanden, wenn

       sich einer übersoffen und die Folgen verspürt: Der

       reist nach Speier. Andere aber deuten das auf die

       Reise zum kaiserlichen Kammergericht dortselbst,

       wohin gar mancher reiste, um zu – appellieren.

       44. Die Totenglocken zu Speier

       Kaiser Heinrich IV. nahm gar ein trauriges Ende;

       auch seine Gebeine ruhen im Dome zu Speier, aber

       sie kamen nicht alsbald nach seinem Tode dahin. Verstoßen

       von Thron und Reich, gedachte er, wie sein

       heiliger Vorgänger Heinrich II. die Absicht gehabt,

       dort im Münster zu Straßburg seine Tage zu beschließen,

       am Dome zu Speier einer Chorherrenpfründe

       teilhaft zu werden, allein da er, der den Dom gebaut

       und reich geschmückt, nicht, wie jener, jetzt eine

       Pfründe gründen und stiften konnte, so ward ihm auch

       solche nicht zuteil, und der Bischof Gebhard, den er,

       der Kaiser, als solcher selbst auf seinen Stuhl gesetzt

       und ihn bestätigt, weigerte ihm die Aufnahme. Da erseufzte

       der Kaiser und sprach: Gottes Hand! Gottes

       Hand liegt schwer auf mir!, und zog trauernd von

       dannen. Und es geht in Speier die Sage, daß, als der

       alte Kaiser endlich arm und elend zu Lüttich an der

       Maas verstorben, habe die Kaiserglocke im Dome

       von selbst zu läuten begonnen, und alle andern Glokken

       haben volltönig eingestimmt in das Geläute, und

       das Volk sei zusammengelaufen und habe gerufen:

       Der Kaiser ist tot, der Kaiser ist tot, aber wo? wo ist

       er gestorben? Das wußte keiner. Der Bischof zu Lüttich

       fühlte minder hart wie der undankbare Bischof zu

       Speier, er ließ den Verstorbenen mit gebührenden

       Ehren bestatten. Aber als das der unnatürliche Sohn

       Heinrichs, Kaiser Heinrich V., vernahm, ward der Bischof

       von Lüttich verurteilt, den Sarg des Bestatteten

       mit seinen eigenen Händen wieder auszugraben, da

       der Verstorbene im Banne dahingegangen und einen

       Gebannten die geweihte Erde nicht decken dürfe. Da

      

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