Der Hölle so nah. Michael Bardon

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Der Hölle so nah - Michael Bardon

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gelassen und unaufhaltsam der Stunde null entgegen.

      High Noon … wie in dem gleichnamigen Western mit Gary Cooper und Grace Kelly.

      Ich hatte schon viel über den Tod gelesen. Hatte mich in den einsamsten Momenten meines Lebens intensiv mit ihm befasst. Würde ich auch ein gleißendes Licht erblicken, das mich mit seiner Wärme, mit seiner Herrlichkeit in eine neue, bessere Daseinsform geleitete?

      Würden meine Erinnerungen, die Bilder meines gesamten Lebens, in Sekundenschnelle als eine Art Kinofilm vor meinem geistigen Auge ablaufen?

      Würde es sehr weh tun, wenn die Kugel durch meine Schädeldecke drang und mein Gehirn in Fetzen riss?

      Ach ja. So viele Fragen, so wenige Antworten.

      »Allerletzte Warnung! Nehmen Sie endlich die Waffe herunter. Glauben Sie mir, Sie haben keine Chance zu entkommen«, donnerte nun wieder die Stimme in meinem Rücken.

      Doch, ich hatte eine Chance. Der Typ hinter mir war wohl genauso doof wie Mister Affengesicht, der seitlich versetzt vor mir stand und noch immer mit seiner Waffe auf mich zielte.

      Ruhe, Frieden, keine Zweifel …

      Mein Blick wanderte zurück zu der Fotografie meiner einst so geliebten Frau. Würde sie an der Himmelspforte auf mich warten? Mich wie früher zärtlich in die Arme schließen, mir verzeihen? Oder besser noch: verstehen, welche Beweggründe mich zu dieser Tat geradezu getrieben hatten?

      Eine weitere Frage eroberte mein Bewusstsein, ließ mich kurz innehalten, raubte mir den Atem.

      Konnte ich ihr überhaupt verzeihen?

      Ihr egoistisches, widernatürliches Verhalten entschuldigen? Konnte ich wirklich vergessen, was sie mir angetan hatte? War ich wirklich bereit, ihr meine Absolution zu erteilen? Ihr von Neuem mein Vertrauen zu schenken? Mit ihr Hand in Hand durch den Garten Eden zu schlendern?

      Wut! Unbändige, alles auffressende Wut!

      »Niemals! Ich werde dir niemals verzeihen«, schrie ich aus Leibeskräften und sah, wie Affenschädel vor mir heftig zusammenzuckte.

      Oh nein! Ich würde Winni-Opas Pistole gut festhalten. Würde sie mit auf die Reise durch das himmlische Licht nehmen. Und dann, wenn Charly an der Pforte zur Unendlichkeit mit einem Lächeln auf mich wartete, würde ich sie bis in die Hölle jagen.

      »Ich komme, du hinterhältige Schlampe! Wir sind noch lange nicht miteinander fertig«, knurrte ich wutentbrannt durch die Zähne.

      Dann atmete ich ein letztes Mal tief ein, presste die Mündung der kleinen Pistole noch etwas fester gegen die Schläfe und drückte den Abzug bis zum Anschlag durch …

      Der vermeintliche Tod

      Gleißendes Licht. Leuchtend, unerträglich, intensiv, bösartig. Ich kniff meine Augenlider zusammen, versuchte, mich vor der Aura der himmlischen Illumination zu schützen. Meine körperlose Seele schrie gepeinigt auf, während mein Verstand nach einem schattigen Plätzchen Ausschau hielt.

      So also fühlt sich das ewige Leben an, dachte ich und verfluchte mich im Stillen dafür, dass ich keine Sonnenbrille bei meinem Suizid getragen hatte.

      Keine Schmerzen, keine Arme, Beine, Hände, Füße. Keinen Bauch, keinen Rücken, keine Brust, keinen Hermann, keine Eier. Und natürlich auch keine Pistole.

      »Scheiße, Wolfi … Ich glaube der Kerl lebt noch!«

      »Quatsch. Der Spinner hat ´ne Kugel im Kopf. Hat aus seinem kranken Hirn rote Grütze gemacht. Hast es doch selbst gesehen, Dieter.«

      »Trotzdem, Wolfi! Schau dir mal sein linkes Augenlid an, es zuckt.«

      »Echt jetzt? Ohne Scheiß?«

      »Ja, wenn ich es dir doch sage. Da, jetzt hat er geblinzelt.«

      »Ist ja echt gruselig. Pass auf, der Kerl hat immer noch seine Waffe in den Fingern. Nimm sie ihm besser ab.«

      Welche Finger?, dachte ich entsetzt. Ich hatte doch überhaupt keine Finger mehr.

      »Tote haben keine Finger, du Blödmannsgehilfe!«, schrie ich aus Leibeskräften.

      Was sollte der ganze Mist? Wer zum Teufel war dieser Wolfi, der sich über mich mit einem Typen namens Dieter unterhielt?

      Keine Reaktion auf meinen Aufschrei. Die beiden Kerle ignorierten mich einfach. Taten so, als hätten sie mich überhaupt nicht gehört.

      »Oh Mann, Dieter. Da hinten liegen ´ne Frau und ein Mann. Beide nackt. Großer Gott, die Frau ist tot. Der Mann lebt allerdings noch. Du meine Güte, was für ne Sauerei! Den hat jemand kastriert. Himmel, sieht das übel aus.«

      »War bestimmt das kranke Schwein hier,« sagte die Stimme über mir.

      »Richtig!«, sagte ich.

      »Was machen wir denn jetzt?«

      Eine böse Vorahnung schlich sich, als schattenhafte Gestalt verkleidet, in mein Bewusstsein.

      »Wir warten auf die Sanis. Die Zentrale hat die Jungs ja bereits angefordert. Vielleicht kannst du dem armen Kerl ja irgendwie helfen. Ich passe in der Zwischenzeit auf den Spinner hier auf. Einen Mann zu kastrieren, der ist doch nicht ganz dicht. Scheiße, jetzt zuckt er am ganzen Körper. Sieht aus wie bei einem Zombie.«

      »Zombie? Krankes Schwein? Nur zu, beleidigen Sie mich ruhig weiter! Ich bin Rechtsanwalt. Ein verdammt guter Rechtsanwalt! Ich werde mir jedes Wort merken und Sie wegen Beleidigung meiner Person verklagen. Tun Sie sich keinen Zwang an! Die Liste wird immer länger, was im Umkehrschluss bedeutet, dass das Schmerzensgeld immer höher ausfällt«, knurrte ich in einem belehrenden Tonfall.

      »Herrje, was ist denn hier passiert? Das sieht ja aus wie in einem Schlachthof.«

      Weitere Stimmen prasselten auf mich ein. Wollten wissen, was sich in meinen vier Wänden zugetragen hatte. Das gleißende Licht vor meinen Augen verlor langsam an Intensität. Ich konnte konturenlose Gestalten erkennen, die in hektischer Betriebsamkeit an mir vorbeihuschten.

      Doch ich war zu müde, fühlte mich schlapp und kämpfte gegen das Gefühl, in einen hundertjährigen Schlaf verfallen zu müssen. Außerdem ignorierten mich ja doch alle. Ich konnte sagen, was ich wollte, die Menschen um mich herum reagierten überhaupt nicht auf meine Worte.

      So hatte ich mir den Tod nun wirklich nicht vorgestellt! Vielleicht befinde ich mich ja noch in einem Übergangsstadium? Eine Art Zwischenreich der Toten, dachte ich irritiert.

      So verhielt es sich augenscheinlich. Ich stand oder besser: lag an der Haltestelle zur Himmelspforte? Doch wenn das so war, wenn ich wirklich noch auf der Erde verweilen musste – abwartend, körperlos, mich niemanden mitteilen könnend –, war das eine bodenlose Frechheit. Wann würde endlich der Bus kommen und mich sanft schaukelnd zu Gottes Palast befördern? Hatten die da oben vielleicht übersehen, dass ich gestorben war? Was für ein Mumpitz lief denn hier nur ab?

      Wie zur Bestätigung hörte ich aus weiter Ferne eine einfühlsame Männerstimme.

      »Seine

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