Der Hölle so nah. Michael Bardon

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Der Hölle so nah - Michael Bardon

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mal seinen Kopf ein wenig – aber keine Austrittswunde. Das Projektil scheint noch in seinem Kopf zu stecken. Ist das die Waffe, mit der er sich in den Kopf geschossen hat?«

      Keine Austrittswunde? Projektil scheint noch im Kopf zu stecken? Ordentliche Vitalwerte?

      Was ich Ihnen nun sage, sollten Sie sich gut merken! Benutzen Sie für einen Suizid nie, ich betone: nie eine Schusswaffe mit kleinem Kaliber. Achten Sie darauf, dass Ihre Pistole mindestens ein Projektil von Kaliber neun Millimeter abfeuert. Und benutzen Sie um Himmelswillen keine Vollmantel-Geschosse. Vollmantel-Geschosse sind ganz schlecht. Stellen Sie sicher, dass Ihre Waffe mit Hohlspitz-Geschossen geladen ist. Diese pilzen – dies ist ein Fachbegriff – nämlich schön auf und reißen Ihnen ein faustgroßes Loch in Ihr Gehirn. Ach ja, noch eins: Drücken Sie die Waffe nie gegen die Schläfe! Setzen Sie sie stattdessen lieber auf die Nasenwurzel! Wenn Sie dann abdrücken, jagt die Kugel direkt und ohne Umwege durch Ihr zentrales Stammhirn. Der Erfolg ist garantiert, Ihr Tod eine logische Konsequenz.

      Heute weiß ich diese Dinge. Doch damals, in meinem Wohnzimmer, verfügte ich leider noch nicht über dieses Wissen. Ich habe mich wie ein Amateur verhalten. Habe einen Kardinalsfehler nach dem anderen begangen und muss nun mit allen Konsequenzen dieses Amateurtums leben.

      Nun gut. Ich merke schon, Ihre Ungeduld wächst. Ich erzähle und erzähle, schweife vom eigentlichen Thema ab, verliere mich wieder einmal in Belanglosigkeiten.

      Ein Dozent an der Uni hat einmal einen schönen Wahlspruch geprägt. Ich habe ihn wie ein Schwamm in mich gesaugt. Habe ihn zum Leitspruch meines Lebens gemacht.

      „Wer am Ende steht, steht eigentlich am Anfang.“

      Was sagen Ihnen diese Worte?

      Auf meine momentane Lebenssituation bezogen, bedeuteten sie, dass ich vor einem Neuanfang stand. Ich lag auf dem sündhaft teuren Edelholzparkett meiner Penthouse-Wohnung und hatte eine Kugel in meinem Kopf stecken. Ich konnte mich weder wie ein Mensch artikulieren, noch gelang es mir, mich zu bewegen. Dass ich nur noch verschwommen Konturen wahrnehmen konnte, hatte ich Ihnen – glaube ich jedenfalls – bereits erzählt.

      Mein Kopf schien in Watte gepackt. Einzig meine Ohren – vernachlässigte man einmal die schrillen Pfeiftöne – erfüllten noch ihren Zweck. Meine Sinne waren auf ein Mindestmaß reduziert, mein Körper diente nur noch als kraftlose Hülle, als ein Schneckenhaus für meinen angeschlagenen Verstand.

      In diesem Zustand zwischen dem Nichts und dem Irgendetwas trat ich meine Reise in die Frankfurter Uni-Klinik an. In den Augen der Polizisten ein widerwärtiger Freak, der seine schöne Frau ermordet und einen Mann fast zu Tode gequält hatte.

      Was der Notarzt über mich dachte, kann ich Ihnen nicht sagen. Doch ich muss gestehen, er war sehr nett zu mir, spendete mir Trost, sprach mir sogar Mut zu.

      Sicher hatte auch er schon einmal die leidvolle Erfahrung eines Betrogenen durchlebt. Sicher verfügte dieser gebildete Mann über den nötigen Intellekt und brachte ein gewisses Verständnis für meine schwierige Situation auf.

      Schließlich war ich ja kein Unmensch. Ich hatte meine Frau nicht aus einer abartigen, gestörten Veranlagung heraus ermordet. Das Gegenteil war der Fall. Ich hatte es nur gut gemeint und sie von ihrer schweren Last, ihrer unerhörten Schuld befreit.

      Was Sie noch nicht wissen: Ich bin eine tragende Säule dieser Stadt. Stehe mit der Bürgermeisterin auf Du und Du. Spiele mit den Richtern regelmäßig eine Partie Golf oder fahre mit dem Oberstaatsanwalt zu einer gemütlichen Weinprobe aufs Land.

      Diese Menschen würden mich bestimmt verstehen. Sie würden ihre Lippen schürzen, verständnisvoll mit dem Kopf nicken und Charly – für das, was sie mir angetan hatte – aufs Strengste verurteilen. Ich hätte beinahe mein Gesicht verloren. Wäre zum Gespött, zum Hauptgesprächsthema hinter vorgehaltener Hand geworden. In den Elite-Kreisen, in denen ich mich bewege, lästert man nicht öffentlich. Man macht es heimlich, im Verborgenen, fernab von Gut und Böse.

      Und das nach allem, was ich für diese Frau getan hatte! Ich hatte sie aus der gutbürgerlichen Schicht geholt und in den gehobenen Kreisen dieser wunderschönen Weltmetropole eingeführt.

      Meine Gedanken schweiften ab. Entfernten sich zu einem Punkt in meinem Leben, an dem meine Arbeit für mich noch oberste Priorität genossen hatte. Ich noch nicht der süßen Versuchung meiner einzigartigen, wunderschönen Charly anheimgefallen war.

      Gott, wie sehr sie mir schon jetzt fehlte! Wie sehr ich den süßen Duft ihrer zarten Haut vermisste. Wie sehr ich ihre sanft geschwungenen Lippen, ihre gletscherblauen Augen herbeisehnte.

      Das Schicksal ist ein bösartiges Monster. Es füttert dich mit den lieblichen Verlockungen des Lebens. Zeigt dir das Paradies auf Erden, lässt dich die Einmaligkeit der Liebe spüren. Und dann, wenn dir die Sonne wie ein Flutlicht aus dem Arsch scheint, türmen sich am Horizont wahre Wolkengebirge auf, bringen Sturm und Hagel mit sich, stürzen dich in ein alles beherrschendes Unglück.

      Ich sehe schon, jetzt wollen Sie auch den Rest der Geschichte hören.

      Ich durchschaue Sie. Sie wollen sich an meinem Pech berauschen, sich an meinem Unglück ergötzen. Nur zu! Lassen Sie keine Gemeinheit aus. Lachen Sie über meine Naivität, amüsieren Sie sich über meine Torheit!

      Doch um Ihnen den Spaß ein ganz klein wenig zu verleiden, möchte ich Folgendes dazu anmerken: Überlegen Sie mal! Denken Sie für ein paar Sekunden darüber nach! Was könnten Sie mir schon antun, das das Schicksal mir noch nicht angetan hat?

      Oder täusche ich mich etwa, und Sie empfinden so etwas wie Mitgefühl für mich, für meine prekäre Situation? Egal! Mich interessieren Ihre Beweggründe eigentlich nicht. Lachen Sie mich ruhig aus, beschimpfen Sie mich, bedauern Sie mich ein wenig! Das ist Ihre Sache, Ihr ganz privates Vergnügen.

      Für mich zählt nur die Tatsache, dass Sie mir zuhören, mich aus dem tristen Alltag meines Daseins erlösen. Ich freue mich einfach darüber, dass Sie für ein paar Stunden mein Wegbegleiter sein wollen.

      Wir springen jetzt gemeinsam drei Jahre in der Zeit zurück. Wir springen zurück zu dem Zeitpunkt, an dem ich meine Charly zum ersten Mal gesehen habe.

      Machen Sie sich bereit! Unsere gemeinsame Reise beginnt, sobald Sie die nächste Seite aufschlagen …

      Die Traumfrau

      In der rauchgeschwängerten Luft der Frankfurter Szenen-Kneipe überlagerten sich unzählige Gerüche. Sie konkurrierten miteinander, verbündeten sich untereinander und erschufen so ein buntes Potpourri von fremdartiger Würze.

      Der liebliche Hauch eines Frauenparfüms fusionierte mit dem herben Duft eines männlichen Aftershaves. Das süßliche Aroma der getrockneten Marihuana-Pflanze kämpfte verzweifelt gegen den ordinären Dunst der Tabakstaude. Und, als Krönung, reihten sich die Botenstoffe unzähliger alkoholischer Getränke in diesen Geruchscocktail auch noch ein.

      Ich hasste diesen degoutanten Mief. Ich verabscheute ihn zutiefst. Doch das Leben ist bekanntlich kein Ponyhof und manche Dinge kann man sich einfach nicht aussuchen.

      Die Notwendigkeit von Sehen-und-gesehen-Werden, beispielsweise.

      Wer gesellschaftlich eine Rolle spielen wollte, kam einfach nicht um einen Besuch in den angesagten Szene-Lokalen herum. Außerdem tummelten sich im Dunstkreis der sogenannten In-Kneipen immer viele junge

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