Rasante Zeiten - 1985 etc.. Stefan Koenig

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Rasante Zeiten - 1985 etc. - Stefan Koenig Zeitreise-Roman

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zu verbreiten – alles zu tun, was dazu angetan ist, die linken Genossen in Misskredit zu bringen?“

      „Ja.“

      „Würden Sie alles tun, um die Macht der Gewerkschaften und der Anti-Atombewegung zu untergraben?“

      „Ja.“

      „Wenn es zum Beispiel irgendwie unseren Interessen dienlich sein sollte, einem dieser neuen Grünen Schwefelsäure ins Gesicht zu spritzen – sind Sie dazu bereit?“

      „Ja.“

      „Sind Sie dazu bereit, Ihre bisherige Persönlichkeit aufzugeben und für den Rest Ihres Lebens als Kellner oder Hafenarbeiter durchs Leben zu gehen?“

      „Ja.“

      „Sie sind bereit, Suizid zu verüben, wenn und wann wir Ihnen das befehlen?“

      „Ja. Nun sagen Sie mir aber bitte, was Sie heute von mir wollen?“, würde ich antworten.

      „Noch eine letzte Frage: Sind Sie bereit, sich von Ihrer Frau, Ihrer Tochter und Ihrem Sohn zu trennen und sie nie wiederzusehen?“

      Wahrscheinlich wäre ich für einen langen Augenblick meiner Sprache beraubt. Meine Zunge würde keinen Laut hervorbringen, während sie immer wieder die Anfangssilben erst des einen, dann des anderen Wortes zu formen versuchte. Ehe ich es nicht gesagt haben würde, würde ich nicht wissen, welches Wort meine Zunge endgültig formen würde, bevor die beiden Staatsschützer endlich ein „Nein!“ aus meinem Mund erreichen würde.

      Meine Gedanken stockten.

      Einer der beiden Herren vor der Haustür räusperte sich.

      Noch immer starrte ich wie gebannt auf die Blechmarken der beiden Beamten.

      „Nun“, sagte der größere von beiden, „mein Name ist Hase, sollten wir das Gespräch nicht lieber diskret führen?“

      „Wer ist denn da?“, rief Emma aus der nahen Ferne des heimeligen Wohnzimmers.

      „Ein Herr Hase und ein Herr …“

      „Herrlinger“, sagte der zweite Schlapphut.

      „Führen Sie zufällig auch Dienstausweise bei sich?“, fragte ich. „Nicht, dass ich Ihnen nicht traue, aber …“

      „Selbstverständlich!“, sagten beide wie aus einem Mund und zückten ihre Ausweise, auf denen dasselbe wie auf den Blechmarken stand, versehen mit ihren Lichtbildern, ihren Namen und der Bezeichnung ihrer Wiesbadener Dienststelle: »Fahndung, OPE Staatsschutz«.

      Zwei Stockwerke über uns hörte ich, wie sich eine Tür öffnete. Die Tür der neugierigen, alles sehenden, alles riechenden, alles hörenden Tante Ria.

      „Kommen Sie herein“, sagte ich mit einem Seufzer. „Ich bitte Sie jedoch, auf unsere müden Kleinen Rücksicht zu nehmen. Meine Frau wollte sie gerade eben zu Bett bringen.“

      „Dem steht nichts entgegen, Herr Koenig“, sagte der kleine Dicke.

      Beide betraten unsere Wohnung. Ich schloss die Tür hinter ihnen, bat sie ihre Mäntel abzulegen, was sie tatsächlich taten, während ich in ihren Manteltaschen versteckte Aufnahmegeräte vermutet hatte, und ich stellte sie Emma mit den Worten vor, es gehe wahrscheinlich um ein politisches Interview.

      Emma entschuldigte sich, die Kinder müssten ins Bett. Eigentlich sei dies mein Part, denn üblicher Weise würde ich ihnen Gute-Nacht-Geschichten erzählen.

      Ich hatte nicht den Eindruck, dass diese Botschaft die beiden Beamten erreichte, aber sie machten dennoch ein bemüht-freundliches Gesicht zu unserem abendlichen Familienleben. Dann waren wir alleine.

      „Ich weiß nicht, welches Anliegen Sie haben, aber ist es in einer halben Stunde zu erledigen?“, fragte ich, „denn dann strömen hier die Nachbarn ein. Wir haben jeden Mittwoch eine gemütliche Nachbarschaftsrunde.“

      „Wir hätten unsere Garderobe nicht ablegen müssen, denn es handelt sich lediglich um zwei Fragen zu Ihrem Mercedes“, sagte Herr Hase, dessen Namen ich natürlich äußerst lustig fand.

      Innerlich stöhnte ich erleichtert auf. Daran hätte ich eigentlich als Erstes denken können. Aber die Sache, so relativ frisch sie noch war, war doch bereits abgehakt als eine bürokratische Verwechslung des Kraftfahrtbundesamtes. Ein letzter Zweifel war allerdings geblieben, ob nicht irgendwelche kriminellen Elemente sich zufällig ein gleiches Modell auserwählt hatten, um irgendein krummes Ding zu drehen.

      „Die erste Frage wäre, wo Ihr Wagen in den Monaten nach ihrem Umzug von Berlin nach Frankfurt war?“, fragte Herrlinger. Ich war davon überzeugt, dass beide Namen reine Tarnnamen waren.

      „Hatten Sie das Auto an jemanden verliehen?“, schob sein Häschen-Kollege eine Frage nach.

      Ich musste mir den Standardwitz verkneifen: Konnten Sie das nicht mit Hilfe Ihrer allmächtigen Behörde ermitteln? Oder ist Ihr Name wirklich Hase, und Sie wissen von nichts?

      „Weder meine Frau, noch ich haben jemals das Auto verliehen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Und wo es war?“ Ich grübelte.

      „War es immer bei Ihnen oder war es in dieser Zeit vielleicht einmal in einer Werkstatt?“, fragte der kleine Dicke.

      Na klar, es war erst vor etwas mehr als einem halben Jahr für eine Woche bei meinem ehemaligen Grundschulkameraden Alois zur Reparatur gewesen. „Ja, der Mercedes hatte eine Inspektion, es musste allerhand repariert werden“, sagte ich.

      „Können Sie uns bitte sagen, um welche Werkstatt es sich handelt?“

      Ich sagte es ihnen, und dann erzählte ich noch einmal das, was ich bereits der harmlosen Bußgeldstelle mitgeteilt hatte: Meine Frau hatte eine Problemschwangerschaft gehabt. Sie war für vier Wochen im Krankenhaus gewesen. Während dieser Zeit war ich von der Uni freigestellt worden, hatte unsere kleine Karola und meine Eltern versorgt und nur das Fahrrad benutzt. Unser Mercedes stand während der gesamten vier Wochen, die meine Frau im Krankenhaus war, in der Garage. In dieser Zeit kaufte ich gegenüber, in der Seckbacher Landstraße, beim Tante Emma Laden, den die Familie Wagenbach liebevoll führte, ein. Ich brauchte kein Auto in diesen vier Wochen. Ganz einfach.

      Doch genau in dieser Zeit war eine Dublette unseres alten Mercedes aufgetaucht und mit einer Frau am Steuer geblitzt worden.

      „Wir wissen ja, dass nicht Ihr Wagen geblitzt wurde“, sagte Herr Hase. „Es war eine fast perfekte Dublette.“

      „Wer hat denn Interesse, unseren Wagen als Dublette zu fahren?“, fragte ich die beiden Beamten.

      Beide sahen sich an, dann antwortete der dickere: „Wissen Sie, es gibt tausend Gründe, weshalb, warum, wieso. Wenn wir das wüssten, dann wären wir nicht hier.“

      „Sie sind aber doch kein übliches Kriminalkommissariat. Sie haben es doch mit politisch motivierten Straftaten zu tun, oder täusche ich mich?“

      „Sie täuschen sich nicht. Aber wir ermitteln natürlich in alle Richtungen. Im Frankfurter Nordend und in Bornheim gibt es viele Unterstützer der sogenannten Roten Zellen“, sagte der Dicke. Beschwichtigend fügte er hinzu: „Wir wissen, dass Sie

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