Nuclatom. Hans J Muth

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Nuclatom - Hans J Muth

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Arbeitsstelle, wanderten ab zu dem Atomkraftwerk, das gerade mal in einer Luftlinie von fünfzehn Kilometern entfernt an der der französischen Grenze seine künstlich produzierten Wolken ins angrenzende Deutschland blies.

      Die Wolken wurden stets zu uns herüber getrieben, und ich hatte es nur äußerst selten erlebt, dass wir keinen Westwind hatten. Das schlechte Wetter mit seinen Regen geschwängerten Wolken kam von Frankreich und wenn ich in meiner knapp bemessenen Freizeit auf meiner Sommerliege alle Viere von mir streckte, kam es mir vor, dass auch die Kondensstreifen der Flugzeuge über mir einen Bogen machten.

      Während die Kaffeemaschine brodelte, eilte ich die Stufen hinab zum Briefkasten, um die Tageszeitung zu holen. Nach dem ersten Biss in mein Marmeladenbrot legte ich die die Scheibe auf den Teller zurück. Ich hatte keinen Appetit, die Gedanken an den gestrigen Tag drängten sich erneut in den Vordergrund.

      Ich schob den Teller beiseite und nahm einen Schluck Kaffee. Die Tasse in der rechten Hand schlug ich mit der linken die Zeitung auf und magisch zog mich eine Meldung an, denn das Bild über dem Text zeigte wieder einmal das Kernkraftwerk Nuclatom.

      Eigentlich war ich nicht sonderlich überrascht, denn mit den Jahren häuften sich kleinere und mittlere Vorfälle aber auch größere, was ich durchaus beurteilen kann. Wenn nicht ich, wer dann? Die Öffentlichkeit wurde über solche Pannen, wie sie die Presse gerne nannte, nicht oder nur mangelhaft informiert.

      Natürlich, wir wollten keine Panik verbreiten und wir waren auch immer der Ansicht, alles im Griff zu haben und Mängel innerhalb kürzester Zeit beheben zu können. Warum also die Öffentlichkeit beunruhigen mit Dingen, die morgen schon wieder keine Rolle spielten. Aber im Laufe der Zeit hatten sich die … Pannen … gehäuft und innerlich vollzog sich in mir ein Wandel.

      Mehr und mehr verstand ich nicht, warum man nicht entsprechend reagierte und die schwerwiegenden Störfälle meldete. Es ist schon komisch, aber je mehr ich mich von den Machenschaften meiner Vorgesetzten und Mitarbeiter distanzierte, umso verwerflicher kam mir deren Handeln vor.

      Natürlich ist es richtig, dass nicht jeder sogenannte Störfall Auswirkungen auf die Arbeitsweise und die Sicherheit hinter den Betonblöcken hatte, aber ich wurde immer mehr zum Verfechter von ehrlichen Mitteilungen, denn immerhin stand das Kraftwerk in Frankreich und nicht in unserem Land. In unserem kontrollgesteuerten und sicherheitstechnisch auf einem höheren Level arbeitenden Gefüge würde ein Risiko zumindest um eine Stufe geringer angesehen.

      Man muss ehrlicherweise einfach sagen, dass es in Deutschland deutlich weniger Störfälle gegeben hat und hoffentlich auch noch geben wird. Aber das ist keine Garantie, ich weiß. Doch in Nuclatom hat sich seit Jahren eine gewisse Regelmäßigkeit, was dies betrifft, eingeschlichen. 2002 öffnete sich in Block eins unvorhergesehen ein Ventil in einer Anschlussleitung an den Reaktorkühlkreislauf. 2004 musste Block zwei heruntergefahren werden, weil es in einem Kabelraum zu einem Brand gekommen war. Ebenfalls 2004 wurde entdeckt, dass über 30 Schläuche von Feuerlöschern der Anlage angeritzt worden waren.

      Die zuständige Gendarmerie nahm Ermittlungen wegen Sabotage auf. 2009 gab es insgesamt 36 meldepflichtige Ereignisse, 2010 gab es insgesamt 18 meldepflichtige Ereignisse. 2012 kam es zu einem weiteren Störfall. Durch ein fehlendes Bauteil wurde der Rückfluss in den Kühlleitungen des Lagerbeckens der Brennelemente der Blöcke zwei und drei nicht verhindert. So hätte das Lagerbecken unkontrolliert leerlaufen können. 2013 brach bei Materialprüfungsarbeiten ein Gerüst mit drei Arbeitern einer Fremdfirma zusammen. Zwei von ihnen starben noch an der Unfallstelle, einer wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.

      Der Reaktorblock war zu dem Zeitpunkt abgeschaltet, weshalb für ihn keine Gefahr bestand. Ebenfalls 2013 geriet ein Transformator in der Anlage in Brand. Block eins wurde automatisch abgeschaltet. Im selben Jahr trat im Block drei ein Defekt an einem weiteren Transformator auf und kurz darauf wurde ein Konfigurationsfehler in der Ventilsteuerung festgestellt. Ebenfalls in diesem Jahr waren durch ein Leck in einem Tank 58.000 Liter Salzsäure in den benachbarten Fluss und in den Boden gelaufen. Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN teilte das erst drei Wochen später auf ihrer Internetseite mit.

      Ich stellte meine Tasse ab und widmete mich dem Artikel, der eine neue Situation beschrieb, die sich während meiner Abwesenheit dort ereignete. Die Überschrift brachte keine neuen Erkenntnisse. Sie war obligatorisch:

      „Erneute Panne im Kernkraftwerk Nuclatom in Lothringen."

      Ich las weiter und fand mich in meinen Gedanken hinter den starken Betonmauern. Während ich las, fand ich mich gedanklich in jedem Bereich, der hier beschrieben wurde. Wegen einer defekten Pumpe im nuklearen Bereich des Atomkraftwerks Nuclatom ist am Sonntagmorgen der zweite von insgesamt vier Blöcken der Anlage abgeschaltet worden. Das teilte der Betreiber des Kraftwerks, der französische Energiekonzern ENERG, am Sonntagmittag mit.

      Die kaputte Pumpe sei bei den regelmäßig durchgeführten Kontrollen festgestellt worden, heißt es in der Mitteilung der ENERG auf der Internetseite des Atomkraftwerkes. Der Zwischenfall habe weder Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlage, die 1986 ans Netz gegangen ist noch auf die Umwelt. Die drei übrigen Blöcke produzierten ohne Störung Strom, teilte die ENERG mit.

      Es ist bereits die zweite Panne in Nuclatom in diesem Jahr. Am 17. Januar wurde der dritte Block abgeschaltet, nachdem eine, wie es heißt, „verschlechterte Qualität" des Kühlwassers im Sekundärkreislauf im nicht nuklearen Bereich festgestellt worden war. Auch dieser Zwischenfall hat nach Angaben der ENERG keine Auswirkungen auf Sicherheit und Umwelt gehabt. Der dritte Kraftwerksblock war erst vier Tage vor dem Zwischenfall wieder ans Netz gegangen, nachdem er seit Oktober wegen routinemäßigen Kontrollen abgeschaltet worden war.

      Ich legte die Zeitung beiseite. Mich interessierte nicht, was weiter noch an vermeintlich Wichtigem dort vermeldet wurde. Ich dachte nur an eines: Felix war von einem Auto tödlich verletzt worden. Er wurde vorsätzlich überfahren. Es war Mord. Für mich war es Mord. Ich wusste nicht, wie die Behörden den Fall einschätzten, für mich jedenfalls war es eine vorsätzliche Tötung, eine Hinrichtung.

      Ich fasste einen Entschluss. Eine Stunde später stand ich vor dem Polizeipräsidium und fragte nach der zuständigen Stelle, die den Vorfall, auf welche Art und Weise auch immer, bearbeitete.

      Ich wartete.

      Es dauerte eine geraume Zeit, bis sich ein uniformierter Polizeibeamter mit missmutigem Gesicht näherte. Drei goldene Sterne auf seinen Schulterstücken sagten mir, dass es sich um einen höheren oder leitenden Beamten handeln müsste. Er trug keine Mütze, sein graues schütteres Haar war kurz geschnitten und machte Platz für eine bessere Schätzung seines Alters. Knappe fünfzig, entschied ich mich und wollte gerade zu einer Frage ansetzen, als er mir zuvorkam.

      „Sie interessiert der Verkehrsunfall vom gestrigen Tage an der Kreuzung …"

      Ich ließ ihn nicht ausreden.

      „Es war kein Verkehrsunfall. Der Mann wurde vorsätzlich überfahren. Das müssten Ihnen doch die Kollegen, die den Unfall aufnahmen, berichtet haben."

      „Vorsätzlich überfahren?"

      Der Beamte, der es vermied, sich mir vorzustellen und offensichtlich auch nicht meinen Namen wissen wollte, zog die Stirn in Falten. „Verkehrsunfall mit Unfallflucht ist die Beschreibung des Herganges. Warum nehmen Sie an, dass es sich um eine … vorsätzliche Tat handelt?

      Ich überlegte kurz. Ihm etwas von Felix‘ letzten Worten zu sagen, hielt ich für keine gute Idee. Irgendetwas hielt mich auch davon ab, weiter mit dem Beamten über meine Wahrnehmungen zu unterhalten. Er würde sie mir ausreden wollen, da war ich mir ziemlich sicher.

      „Ich

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