Nuclatom. Hans J Muth

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haben würde, beschmutzte man das eigene Nest.

      Wenn alles seinen geregelten Gang ging, war es auch tatsächlich so, dass keine Gefahr von der Wolke, die im Hintergrund inzwischen an Volumen leicht zugenommen hatte, ausging. Kühltürme sind normalerweise Bestandteile der Anlagen, die für die Bereitstellung des so genannten Kühlwassers für die Prozesskühlung erforderlich sind. In der Regel befinden sich Kühlwasser und Kühlturm in einem eigenen geschlossenen thermodynamischen Kreisprozess.

      Ich sagte: normalerweise. Aber ich finde, Normalität darf man nicht in Projekten wie diesen suchen. Atomare Kraftwerke reagieren nach besonderen Regeln. Natürlich auch nach denen der Physik und der Chemie und diese Gesetzmäßigkeiten hat der Mensch auch im Griff … wenn alles so verläuft, wie es sich der Mensch, sprich Betreiber, vorstellt. Wenn allerdings Einflüsse von außen dafür sorgen, dass die Paragraphen der Gesetzmäßigkeit durcheinandergewirbelt werden, ist meist jede Zeit zu kurz, wieder Ordnung in dem Gefüge zu schaffen. Dann werden auch für einen gewissen Zeitraum die Gesetze der Physik und der Chemie in andere Bahnen gelenkt und nicht immer ist der Mensch in der Lage, diesen Bahnen zu folgen oder das Geschehene in Bahnen zu lenken, die seiner Vorstellung entsprechen.

      Sie werden sich fragen, warum ich als Deutscher in einem französischen Atomkraftwerk arbeitete, wo die Kapazität dieser monströsen Errungenschaften im eigenen Land wahrlich nicht unerheblich ist. Der Grund ist einfach zu erklären. Im Kraftwerk Nuclatom waren neben den etwa 1150 Beschäftigten auch Fremdfirmen beschäftigt, wobei die Zahl der Beschäftigten auf rund 2000 angestiegen ist. Ich war ein Angestellter einer dieser Fremdfirmen und man hatte mir einen befristeten Arbeitsvertrag über fünf Jahre angeboten, den ich aus finanzieller Sicht nicht ausschlagen konnte.

      Ich griff nach der Sonnenlotion, die ich neben mir auf dem Betonboden des Balkons abgestellt hatte und gab etwas davon auf meine linke Handfläche. Während ich die flüssige Creme in die Haut meiner Beine einmassierte, läutete das Telefon. Ich griff nach dem Handtuch über der Lehne des Liegestuhls und trocknete meine Hände. Ich hielt mein Smartphone ans Ohr und meldete mich.

      „Hi, Jerry", tönte es mir entgegen. „Störe ich deine traute Zweisamkeit?"

      Die Stimme gehörte Felix Hormeyer, einem Kollegen von mir, der zurzeit vermutlich meine Arbeit in Nuclatom mit verrichtete.

      „Hallo, Felix", wie geht's?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. Es war mir nicht danach, mich über die noch frisch gebrochene Beziehung mit Christine auszulassen. „Möchtest du auf einen Schluck vorbeikommen?"

      „Na, na. Schau mal auf die Uhr. Ach ja, du bist ja im Urlaub. Da verliert man das Zeitgefühl."

      Tatsächlich. Es war drei Uhr nachmittags und Felix war offensichtlich noch im Werk.

      „Was gibt es denn? Probleme?"

      Ich hörte, wie Felix die Luft einsog.

      „Ich muss dich unbedingt sprechen. Da ist etwas Großes im Gang."

      „Was meinst du damit: Etwas Großes? Und vor allem: Wo ist etwas im Gang. So rede doch!"

      „Da läuft etwas in unserem Werk“, flüsterte er. „Ich glaube, ich habe auch Beweise dafür."

      Er meinte offensichtlich das AKW Nuclatom. Unser Werk. Wenn wir über unsere Arbeitsstelle redeten, sprachen wir immer von unserem Werk. Doch was meinte er?

      „Felix, was ist los? Ich verstehe nicht, was du meinst. Kannst du nicht deutlicher werden?"

      „Nein, nicht am Telefon", antwortete Felix aufgeregt. Ich kann in einer halben Stunde bei dir sein. Ist das okay?"

      Es war okay. Natürlich war es das. Ich klappte den Liegestuhl zusammen und stellte ihn an der Außenwand des Balkons an. Mit einem letzten Blick auf die inzwischen angewachsene Wolke am Horizont schloss ich die Balkontür und begab mich unter die Dusche.

      Ich überlegte. Wenn Felix mit mir über das Werk reden wollte, dann hatte er triftige Gründe. Felix war keiner von denen, die sich an Belanglosigkeiten hochzogen.

      Ich drehte den Wasserhahn ab, band mir ein Badetuch um und schaltete den Fernseher im Wohnzimmer an. NTV, die Nachrichten. Alles andere als das, was ich dort sah, hätte mich auch gewundert.

      Während die Nachrichtensprecherin Geschehnisse aus aller Welt über den Äther hauchte, drehte der Ticker seine unermüdlichen Kreise. „Erneuter Störfall im Atomkraftwerk Nuclatom Gefahr für die Bevölkerung? Verantwortliche schweigen Politik verweigert Statements Gefahr für die Bevölkerung? ..."

      Ich wartete nicht darauf, dass die Nachrichtensprecherin mit süffisanter Art die Nachricht verkünden würde, sondern schaltete den Fernseher aus. Felix würde mir berichten, was zurzeit dort abging. Was er mir sagte, würde für mich und meine Meinungsbildung von Bedeutung sein, nicht aber eine Nachrichtensendung.

      Ich ging wieder nach draußen, auf den Balkon und sah hinab. Die Ampel an der Straße, in der ich meine Wohnung bezogen hatte, war auf Rot geschaltet. Das zweite Auto in der Reihe der wartenden Schlange gehörte Felix. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er sich an der Sprechanlage melden würde.

      Während ich mich ankleidete, drückte ich auf die Protokolltaste meines Smartphones, um es nach weiteren eingegangenen Anrufen zu überprüfen. Keine Einträge, keine privaten, aber auch keine meiner Arbeitsstelle. Also konnte es nicht so schlimm sein, wie es schon wieder in den Medien breitgetreten wurde. Bislang hatte man mich bei Störungen, gleich welcher Art, stets hinzugezogen. Da machte es auch keinen Unterschied, ob ich mich gerade im Urlaub befand oder zuhause meine Beine auf den Tisch legte.

      Ich legte das Handy beiseite und kleidete mich fertig an. Felix musste jeden Moment die Klingel betätigen. Ich ging zum Fenster und sah nach unten auf die Straße. Im Kreuzungsbereich bewegten sich Menschen wie Ameisen. Die meisten standen, andere liefen hin und her, einige telefonierten.

      Ein Unfall, dachte ich und suchte mit den Augen die Unfallstelle ab. Keine Unfallautos. Mein Interesse stieg und ich starrte auf den Punkt, auf den sich das Interesse der Menge konzentrierte. Ich konnte es nicht genau erkennen, aber ich glaubte drei Personen zu sehen, die sich offenbar um einen Verletzten kümmerten.

      Felix hatte immer noch nicht an der Tür geläutet. Vermutlich hatte er dort unten seine Hilfe angeboten. So war er. Felix hatte ein gutes Herz und wenn es zu helfen galt, dann tat er es. Sein Freundeskreis war entsprechend groß, man hatte seine gute Seele erkannt.

      Ich steckte mein Smartphone in meine Hosentasche, schnappte den Wohnungsschlüssel und warf die Eingangstür hinter mir zu. Auf den Aufzug verzichtete ich. Die Stufen der vier Etagen bedeuteten für mich kein großes Problem und einige Minuten später stand ich unten und ging auf die Menge zu. In der Ferne hörte ich Sirenen von Polizei oder Krankenwagen. Oder von beiden.

      Als ich mir einen Weg durch die Menge gebahnt hatte, traf mich fast der Schlag. Es war Felix, der dort lag, von Helfern in eine stabile Seitenlage gebracht. Ich sah, dass er atmete.

      Er lebte.

      Ein Arm hielt mich fest.

      „Bleiben Sie weg! Der Krankenwagen ist unterwegs."

      Ich wehrte den Mann ab, einen schlanken Zwanziger mit Brille und wichtigem Gesicht.

      „Er ist … er ist mein Bruder", log ich und kniete kurz darauf neben Felix.

      „Ich bin es, Jerry", flüsterte ich und berührte vorsichtig seine Schulter.

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