Nuclatom. Hans J Muth

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Nuclatom - Hans J Muth

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väterliches Lächeln zu verlieren.

      Zum ersten Mal höre ich seit langem wieder einmal meinen Namen. Westermann. Jakob Westermann. Meine Freunde und Bekannten nennen mich Jerry, der amerikanischen Übersetzung von Jakob wegen.

      Ich bin seit einiger Zeit wieder Junggeselle und heute danke ich Gott dafür. Nicht, dass ich froh darüber wäre. Dass Christine mich verlassen hat, was ich einerseits bedaure, war für sie eine Gottesfügung. Und meine neue Liebe? Ich versuche krampfhaft, mir ihr Gesicht vorzustellen. Offensichtlich habe ich Gedächtnislücken. Wie auch immer. Sie würde von dem Unfall erfahren und keinen Gedanken mehr an mich verschwenden. Es ist gut so, wie es ist. So kämpfe ich alleine gegen die Krankheit und mich selbst, meinen inneren Schweinehund, wie sich der Volksmund auszudrücken pflegt.

      „Dennoch sollten Sie die Zeit sinnvoll nutzen", höre ich Dr. Bollinger sagen.

      Ich sehe ihn an. Sein Gesichtsausdruck hat sich nicht verändert. Er scheint zu meinen, was er sagt. Ich habe nicht den Eindruck, dass er mich hochnehmen will.

      „Sagen Sie mir bitte, was ich in meiner Situation Sinnvolles tun kann?", krächze ich und ein Hustenkrampf schüttelt mich. Ich zeige auf die Flasche auf dem Nachttisch. Die Schwester eilt herbei und wird durch eine Handbewegung Bollingers gestoppt. Er nimmt die Flasche, gießt ein halbes Glas voll mit der Flüssigkeit und hält es mir hin. Ich sehe ihn fragend an.

      „Versuchen Sie es. Mobilisieren Sie Ihren Willen, Jerry! Ich darf Sie doch so nennen?"

      Ich nicke und hebe langsam meine rechte Hand. An ihr scheint ein schweres Gewicht festgebunden zu sein. Der Arzt schaut mir in die Augen, immer noch lächelnd. Ich merke, wie ich zu schwitzen beginne. Mein Unterarm hebt sich, dann fällt er zurück auf das Bett, neben meinen dahinsiechenden Körper.

      „Das ist gut. Sie haben es versucht", sagt Dr. Bollinger und führt mir das Glas an die Lippen. Ich trinke gierig. „Mehr habe ich nicht erwartet", lächelt er. „Sie haben noch Energie. Nutzen Sie sie."

      „Ich verstehe Sie immer noch nicht", flüstere ich und merke, wie Müdigkeit über mir hereinbricht. Sollen Sie doch gehen und mich allein lassen.

      „Sie sollten alles aufschreiben“, höre ich den Doc sagen und kämpfe dagegen an, dass mir die Augenlider zufallen. „Das, was Sie erlebt haben, was geschehen ist. Schreiben Sie es auf. Schreiben Sie es für die Menschen auf, damit sie niemals vergessen, warum sie für ihre Ziele kämpfen. Es reicht nicht, dass Schilder mit dem Slogan „Atomkraft nein danke" hochgehalten oder auf Autohecks geklebt werden. Jetzt, da es passiert ist, muss es sich in das Gewissen all derer einbrennen, die Verantwortung tragen und in die Herzen jener, die von dieser Verantwortung abhängig sind. Wenn Sie es jetzt niederschreiben, ist es wie eine Aufforderung zum Kampf, eine Aufforderung zum Widerstand. Tun Sie es! Der Zukunft zuliebe."

      Bollinger lächelt nicht mehr. Sein Gesicht ist ernst, seine Miene fordernd.

      „Schreiben Sie!", wiederholt er sich und noch einmal: „Schreiben Sie alles auf!"

      „Wie soll das gehen?“, frage ich kraftlos und denke darüber nach, dass mir bereits Ähnliches in den Sinn gekommen war.

      Bollinger erhebt sich. Als er in seiner ganzen Größe vor mir steht, nickt er, als habe er eingesehen, dass es keinen Sinn hat. Doch ich habe mich getäuscht.

      „Ich werde Ihnen alles besorgen: Ein Diktiergerät, ein Headset mit Mikrofon und eine Fernbedienung. Sie werden sehen, Sie werden Freude an Ihrer zukünftigen Arbeit haben."

      Während ich langsam in den Schlaf hinüber dämmere, interessiert mich nur noch eines. Ich nehme alle meine Kraft zusammen und hauche ihm entgegen: „Warum wollen Sie unbedingt, dass ich das tue?"

      „Wie aus weiter Ferne höre ich die stockende Antwort, die gemeinsam mit mir ins Reich der Träume dahinschwebt:

      „Meine Frau … sie ist heute Morgen an den Folgen der Kontaminierung gestorben."

      2. Kapitel

       Die Zeit davor/Felix

      Der Himmel erstrahlte in einem Blau, wie ich es in diesem Sommer selten so erlebt habe. Die weißen, mit Grau durchzogenen Wolkenpartikel gaben dem Gesamtbild über mir etwas von einer Polarisierung, wie es Fototechnik kaum besser würde ausdrücken können.

      Ich schaute hinauf in diese Pracht der Unendlichkeit. Es fiel mir nicht schwer, regungslos, über einen längeren Zeitraum, den Blick nach oben gerichtet zu halten. Ich lag auf meiner Sonnenliege, auf dem Balkon der vierten Etage in der Stadt, unter mir das Brummen und Hupen der Fahrzeuge, über mir die Ruhe des unendlichen Weltalls. Ein Kontrast, wie er unterschiedlicher nicht sein konnte. Die Wohnung in der Innenstadt konnte ich mir leisten, mein Beruf machte es möglich und außerdem hatte ich nach niemandem zu fragen.

      Noch eine knappe Woche, dann würde mein Urlaub vorbei sein, so vorbei, wie meine Beziehung zu Christine, die mich vor wenigen Tagen verlassen hatte. Die Trennung kam nicht plötzlich, nicht spontan aus einem unmittelbaren Grund heraus. Sie hatte sich lange angebahnt und es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann Christine für sich feststellte, dass mir meine Arbeit mehr bedeutete, als ein Zusammenleben mit ihr, so, wie sie es sich sicherlich erhofft hatte.

      Auch für mich war diese Beziehung in meinem Inneren schon längere Zeit beendet. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es zu einer Trennung kommen sollte. Außerdem war da eine andere Frau. Christine wusste nichts von ihr und ich selbst war von dieser neuen Beziehung mehr als überrascht. Es hatte sich ergeben, einfach so, im Werk, im Anschluss an irgendeine dienstliche Zusammenarbeit.

      Ich starrte weiter auf den blauen Himmel und begann, die Geschwindigkeit zu schätzen, mit der sich die Wolken bewegten. Der Wind, heute ging eine leichte lauwarme Brise, kam von Westen und trieb die Wolken kaum sichtbar für meine Augen vor sich her.

      Der Wind kommt immer von Westen, dachte ich für mich. Auch der Regen. Das schlechte Wetter. Immer kommt es aus dem Westen. Wir Grenzbewohner sagen deshalb scherzhaft: Die Franzosen schieben das Wetter, das ihnen nicht gefällt, über die Grenze zu uns herüber. Heute war das nicht so. Über den leichten Wind, der von Westen herüberweht, konnte ich mich durchaus erfreuen.

      In der Ferne, am Ende des westlichen Horizonts hatte sich eine Wolke gebildet, die anders war, als die, die über mir schwebten und einen Kontrast zu dem blauen Himmel bildeten. Die Wolken dort waren künstlicher Natur. Ich wusste das und konnte das auch begründen. Schließlich war ich in den meisten Fällen an ihrer Kreation beteiligt. Nur nicht heute. Heute hatte ich Urlaub. Aber wenn ich zur Arbeit ging, wenn ich im Kernkraftwerk Nuclatom hinter der Grenze meinem verantwortungsvollen Job nachging, dann war ich daran beteiligt.

      Die Grundbezeichnung meines Jobs war Ingenieur, speziell für meinen Einsatzbereich war meine Berufsbezeichnung Nuklear Ingenieur. Ein verantwortungsvoller Job, wie ich schon sagte. Ich war verantwortlich im Bereich Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Nukleartechnik und hauptverantwortlich für das Ressort Nuklearwissenschaft im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Kontrolle und dem Nutzen von Kernenergie sowie dem Entsorgen radioaktiver Abfälle. Und ich war Mitproduzent dieser Wolken, die man Kilometer weit sehen konnte, ohne das darunter befindliche Atomkraftwerk in Augenschein zu bekommen.

      Die Bevölkerung sah stets mit gemischten Gefühlen zu dem künstlichen Wassergebilde hin, obwohl man von Seiten der Kraftwerks-Direktion und auch der Politik nicht müde wurde zu erklären, dass dieser Wasserdampf ungefährlich für Mensch und Tier sei. Ich musste stets lächeln bei diesen Bekenntnissen und manche

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