#3 MondZauber: VERBANNUNG. Mari März

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#3 MondZauber: VERBANNUNG - Mari März MondZauber

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Lyra war selbst überrascht, wie klar und rein ihre Stimme klang. Wenn sie hier nicht willkommen war, und das brennende Kruzifix hatte dies wohl eindrücklich klargestellt, warum ließ Gott dann kein Feuer vom Himmel regnen oder sorgte wenigstens dafür, dass sie keinen Ton herausbrachte?

      Weil es keinen Gott gibt oder das Kreuz des Pfarrers mit demselben Dreck getränkt ist wie Jennys Medaillon?

      Lyra entschied sich für ihr zweites Argument, während sie weiter sang und die Menschen unter sich beobachtete. Jennys weizenblondes Haar war nicht zu sehen. Lyra beugte sich weiter über die Balustrade, wechselte einen weiteren Blick mit Ian, der Miranda anstupste. Ihre Tante schaute sich ebenfalls um. Lyra hörte eine Tür ins Schloss fallen, dann ihre Mutter laut husten. Sie täuschte offensichtlich einen Hustenanfall vor, der es ihr und Miranda erlaubte, die Kirche zu verlassen. Ian folgte den beiden nach draußen.

      Und Lyra sang – widerwillig, doch glockenklar. Fieberhaft sehnte sie die letzte Liedzeile herbei und sang aus voller Kehle »Christus, der Retter ist da!« Als auch die Orgel verstummte, lächelte sie dem Chor und seinem Leiter zu, verbeugte sich in dankbarer Geste und verschwand über die Treppe, so leise es ihre High Heels zuließen. Als der Pfarrer mit seiner Predigt begann, stürmte Lyra durch den Vorraum der Kirche und trat hinaus in die Nacht.

      »Wo ist sie?«, zischte sie Ian wütend an, der grinsend vor ihr stehenblieb und Jennys Medaillon in die Höhe hielt. »Alles erledigt, wir können los.«

      Lyra überlegte einen Wimpernschlag lang, ob sie wütend sein sollte. Würde sie noch einmal eine Chance bekommen, Jenny zu zeigen, was aus der hässlichen Pummelfee geworden war? Ihr Kopf zuckte nach links, wo die einstige Schulschlampe gerade heulend in ein Auto stieg. In Lyra regte sich ein Impuls, zum Auto zu laufen und Jenny ... Dann besann sie sich jedoch, atmete tief durch und schaute zu Ian. Er trug ein Kruzifix um den Hals wie wahrscheinlich alle katholischen Iren. Lyra trat nah an ihn heran und legte ihre Hand auf seine Brust. Da war das vertraute Kribbeln und Ians erschrockener Blick, aber kein Brennen. Sie hörte Miranda und ihre Mutter näherkommen, sah in die verblüfften Augen von Ian, der offensichtlich mit ihrer Berührung nicht klarkam, und hielt dann ihre Finger in die Luft. »Kruzifixe können uns also nichts anhaben«, konstatierte Lyra mit einem zufriedenen Grinsen.

      »Wie kommst du denn bitte auf diesen Scheiß?«, fragte Miranda, die mit ihrer Schwester gerade um die Ecke kam.

      »Weil das Kreuz des Pfarrers auf meiner Haut gebrannt hat. Er gehört zu ihnen.« Vorsichtig tippte sie mit einem Finger an Jennys Medaillon, das Ian immer noch in die Höhe hielt. Es zischte und Lyra steckte sich die verbrannte Fingerkuppe in den Mund. Eingehend betrachtete sie das Medaillon und flüsterte: »Und es kann offensichtlich Wölfen nichts anhaben, nur Hexen.« Dann aber sah sie Ians Hand, in der eine Brandwunde allmählich verblasste.

      »Gut gemacht, Kätzchen!«, rief Miranda und unterbrach ihre Gedanken. »Du hast wirklich toll gesungen.«

      »Hm«, brummte Lyra. Ihre Augen fixierten das Auto, in dem Jenny sich gerade anschnallte und sie dümmlich anglotzte, als wären sie sich nie begegnet. Miranda hatte ihre Erinnerungen weggezaubert wie damals beim Abiball. Und auch wenn Lyra diesen Zauber nicht guthieß, weil sie ihn am eigenen Leib gespürt hatte, war sie jetzt dankbar dafür. »Egal. Lasst uns verschwinden!«

      Sie schaute auffordernd zu Ian, der immer noch verdattert vor ihr stand, sich jetzt verlegen räusperte und dann nach ihrer Hand griff. Während sie zum Auto liefen, fragte er leise: »Kommst du noch mit?«

      Lyra nickte. Natürlich wollte sie mit ihm ins Haus der Wölfe, um dort nach dem Rechten zu sehen. Sie hoffte auf mehr in dieser letzten Nacht, bevor es nach Island und in eine ungewisse Zukunft ging.

      Ian hatte Miranda und Miriam vor deren Haus abgesetzt, ihnen mit spitzen Fingern Jennys Medaillon ausgehändigt und war mit Lyra weitergefahren zum Haus der Wölfe. Hier hatte sie sich im Sommer mit Emily für den Abschlussball zurechtgemacht. Nach ihrer Flucht aus der Nervenklinik und einem Leben, das ihr unfassbar weit weg vorkam. Und damals war ihrem Besuch in diesem Haus ebenfalls ein Abschied gefolgt. Wieder musste Lyra ihre liebste Freundin seit Kindertagen verlassen ... und ihre Heimat.

      »Was bedeutet Heimat für dich?«, fragte Lyra, als sie aus dem Auto stiegen. Ian griff unter die Treppe, die zur Haustür führte, holte einen Schlüssel hervor und drehte ihn nachdenklich in der Hand. Es verstrichen ein paar Sekunden, dann blickte er auf. »Ich zeige es dir.« Er zog Lyra mit sich und schloss die Haustür auf.

      Der eigentümliche Geruch von Stille und Zeit strömte ihnen entgegen. Ian steckte den Schlüssel in die Hosentasche, machte Licht und schloss die Tür.

      »Das hier ist Heimat.«

      Lyra stutzte. »Dieses Haus steht überwiegend leer und ist meilenweit von deinem Zuhause entfernt.«

      Ian schüttelte den Kopf. »Du kennst sicherlich den Spruch: Heimat ist dort, wo dein Herz wohnt. Oder?«

      Nur mit Mühe konnte sich Lyra eine bissige Antwort verkneifen, für solche kitschigen Sprüche hatte sie nie viel übriggehabt. Außerdem dachte sie an den alten und den jungen Cathán – beide waren verbannt worden, beide hatten kein Herz, das irgendwo wohnen konnte.

      Doch Ian ließ nicht locker. Er führte sie durch den Eingangsbereich, vorbei an alten Gemälden, auf denen Männer, Frauen und Kinder zu sehen waren. Lyra fragte sich, ob es sich dabei um Angehörige des Clans der McTires handelte und weshalb die Gemälde gerade hier in Deutschland hingen. Stumm folgte sie Ian ins Wohnzimmer, wo er vor einem antiken Kamin stehenblieb, wie ihn Lyra lediglich aus Filmen kannte. Dieses Haus war in der Tat sehr alt, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ians Familie jemals hier gelebt hatte. Warum sollte sie auch? Irland war doch so viel schöner.

      »Wahrscheinlich wunderst du dich, weshalb die McTires gerade hier, am nördlichen Berliner Stadtrand, ein Haus besitzen.« Er hielt inne und beobachtete Lyra, die wortlos nickte.

      »Zwischen 1845 und 1849 kam es in Irland zu Unruhen«, fuhr Ian fort. »Viele Menschen starben oder wanderten aus. Während und unmittelbar nach der großen Hungersnot, die durch einen kleinen Kartoffelpilz entstand, starben mehr als eine Million Iren, über sechs Millionen verließen in den kommenden sechzig Jahren ihre Heimat. Niemand wusste damals so recht, wie es weitergehen sollte. In halb Europa wütete die Revolution. Mein Großvater war seinerzeit der Alpha, er pflegte eine lange Freundschaft mit einem Rudel hier in Brandenburg. Damals zogen sich unsere Familien zurück, die Menschen machten Jagd auf die Wölfe und rotteten sie nahezu aus.«

      Ian schaute über den Kamin, wo ein riesiges Ölgemälde hing, das eine Familie zeigte, die ihrem Aussehen und ihrer Kleidung nach eher preußisch wirkte. »Dieses Haus hier gehörte einst dem Clan der Wolfarts. Um ihre Auswanderung nach Amerika zu finanzieren, verkaufte Adam Wolfart es damals an meinen Großvater, der wiederum hier eine gute Möglichkeit sah, Teile unseres Familienbesitzes in Sicherheit zu bringen. Seit dem Act of Union im Jahre 1801 stand Irland unter dem Protektorat des nunmehr Vereinigten Königreiches. Die Engländer herrschten über unser Land und nahmen sich alles, was sie gebrauchen konnten. Deshalb wurde dieser alte Kasten hier unser Exil.«

      Liebevoll strich Ian über den Kaminsims und strahlte dabei eine Melancholie aus, die Lyra nicht nur spüren konnte, sondern verinnerlichte. Am liebsten hätte sie Ian jetzt umarmt, der so viele Geheimnisse in sich barg.

      »Als die Nazis Deutschland regierten und auch später, als die Russen kamen, half deine Familie uns, dieses Haus mit Schutzzaubern vor den Augen der Menschen zu verbergen.«

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