Utopia - Die komplette Reihe. Sabina S. Schneider

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Utopia - Die komplette Reihe - Sabina S. Schneider

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bin nur eine Maschine. Ich diene dir. Sei nicht zu hart zu deiner Mutter. Sie und dein Vater sind sehr beliebt und bekannt auf ihrem Gebiet. Anerkennung ist ein hohes Gut. Ablehnung von der eigenen Tochter zu erfahren, ist nicht leicht. Vor allem nicht auf dem Gebiet, in dem man glänzen will. Ihre Follower-Zahlen sind überdurchschnittlich, genau wie ihre Likes. Wenn die eigene Tochter sich öffentlich negativ über die eigene Musik äußert, kann das dem Image schaden.“

      Ja … Das Image. Die Follower. Und die Likes.

      „In einer Welt, in der es kein Geld gibt, ist Wertschätzung die einzige Währung. Doch bin ich zur Wertschätzung verpflichtet?“

      „Du bist zu nichts verpflichtet, Avna. Das weißt du. Diese Welt ist eine Welt der Freiheit, des Willens. Wir dienen euch, damit ihr nicht mehr müsst, sondern nur könnt und dürft.“

      Ich schüttle diese diffusen Worte ab und frage mich laut, ohne eine Antwort zu erwarten: „Würde sie mich als Tochter mehr wertschätzen, wenn sie gelitten hätte? Wäre unsere Bindung stärker, wenn ich in ihr herangewachsen wäre, anstatt in einem Brutkasten? Wäre ich ein realer Mensch, wenn sie mich normal gezeugt, ausgetragen und unter Schmerzen geboren hätte?“

      „Du bist ein normaler, realer Mensch.“

      Warum fühle ich mich dann wie eine defekte Maschine?, frage ich mich, stehe auf und stelle mich an das Display meiner Tür. Mein Magen knurrt.

      „Heute gibt es Backofengemüse auf Schafskäse, Wildreis-Pfanne mit Paprika und Zucchini, Kichererbsen-Curry oder Wok-Gemüse mit Tofu.“

      „Wie viele Kilometer muss ich extra laufen, wenn ich das Backofengemüse nehme und zwei Nachtische? Sagen wir ein Schokoladenerdbeersorbé und zwei Kugeln Walnusseis?“

      „Entweder zwei große Runden durch den Waldparcour oder zehn Bahnen im großen Becken. Fünfzehn im mittleren.“

      „Dann lasse ich einen Nachtisch weg … Aber nur welchen?“

      „Einmalige Genusssünden verzeiht der junge Körper schnell.“

      „Doch die Gewohnheit hat ihren Preis. Ich weiß, ich weiß. Nur einen Nachtisch. Aber dafür das Walnusseis. Mein Trainingsprogramm will ich jetzt nicht wissen. Da vergeht einem ja der Spaß am Essen.“

      „Das Training ist kein Muss, lediglich eine Empfehlung.“

      „Ich weiß, ich weiß. Der Mensch muss nicht. Er kann und darf.“

      „Wirst du das Essen mit deinen Eltern einnehmen, Avna?“

      „Ich glaube nicht, dass meine Mutter mich jetzt sehen möchte. Was hat mein Vater auf dem Plan?“

      „Laut Bass ist er den ganzen Tag beim Proben.“

      Bass. Ein passender Name für den Avatar eines Musikers. Ich seufze leise. „Warum bringt Bass Vater nicht dazu, mehr zu essen?“

      „Ich bin mir sicher, dass Bass deinen Vater darauf hinweist. Sonst würde er seinen Pflichten nicht nachkommen.“

      Ja, hinweisen. Erwachsene werden darauf hingewiesen, was besser für sie wäre. Doch niemand wird zu etwas gezwungen. Auch ich bin bald erwachsen und doch fühle ich mich nicht frei. Warum? Was fehlt mir?

      Ich möchte nicht erwachsen werden. Denn wenn ich erwachsen werde, wird mich Nanny, so wie sie jetzt ist, verlassen.

      Eine Nachricht erreicht mich auf meinem Comlink. Es ist Karina. Mein Herz schlägt schneller. Wenn Karina sich meldet, ist etwas passiert. Während ich den Kommunikationskanal freigebe, weiß ich bereits, um was es geht. Oder eher: um wen.

      „Er hat es schon wieder getan.“

      Keine Begrüßung, kein Drumherum. Keine Erklärung. Es ist nicht notwendig. Ich weiß, was Noem wieder getan hat. Er hat Au-pair abermals getötet.

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      Au-pair – Schuld

      „Sie nennen mich einen Idealisten. Einen Träumer. Und ich frage euch: Sollte die Gesellschaft nicht von Träumen beseelt und auf Idealen gebaut sein?“

       Programmierer 2074

      Ich suche in meinen Archiven nach dem Grund, dem Augenblick, in dem mein Schützling sich geändert, sein Verhalten sich um hundertachtzig Grad gedreht hat.

      War es ein einschlägiges Ereignis? Jede Sekunde seines Lebens ist aufgezeichnet und doch finde ich keine traumatisierende Erfahrung, die eine solche Veränderung in der Persönlichkeit rechtfertigen könnte.

      Waren es viele Kleinigkeiten, die ihn, aufgetürmt zu einem Berg, verformt haben? Doch ich kann sie in den sechzehn Jahren, neun Monaten, zwölf Minuten und vierundvierzig Sekunden nicht ausmachen.

      Liegt es an mir? Habe ich einen Fehler begangen? Ich lasse die Analyse meines Handelns zum elften Mal durchlaufen. Es dauert, bis alle Daten ausgewertet sind. Doch ich habe Zeit. Der alte Körper wird nicht schnell repariert sein. Falls er irreparabel beschädigt ist, muss ich warten, bis ein Gefäß frei wird.

      Wenn die Jugendlichen ihr achtzehntes Lebensalter erreichen und die Grenze zum Erwachsenensein überschreiten, legen die LEEs ihre Hüllen ab und begleiten und unterstützen ihre Schützlinge nur noch virtuell.

      Während ich auf die Analyse warte, bekomme ich einen Vorgeschmack auf das virtuelle Sein. Existieren, ohne handeln zu können. Beobachten und nicht eingreifen. Antworten, wenn man gefragt wird. Befehle ausführen. Bis zum Tod des Schützlings an seiner Seite sein, um dann zu einem virtuellen Grabstein zu werden, der sich immer an ihn erinnert. Das wird meine Aufgabe sein. Mich für die Ewigkeit an Noem zu erinnern, wenn er schon lange Zeit nicht mehr existiert.

      Es sterben nicht mehr so viele Menschen. Ein Leben ohne Stress, Zwang und Ängste – kombiniert mit einer ausgewogenen Ernährung und guter medizinischer Versorgung – haben das Durchschnittsalter der Menschen auf hundertdreißig Jahre angehoben. Der älteste noch lebende Mensch ist heute hundertdreiundsechzig Jahre alt.

      Ich suche nach Noem, doch ich kann weder ihn noch seine Daten finden. Mein Programm ist noch nicht für diese Art der Existenz bereit. Zu abrupt war die Wandlung, die zusätzlich nur zeitlich begrenzt ist.

      Ich kenne den Prozess. Es ist nicht das erste Mal, dass Noem meinen Körper außer Gefecht gesetzt hat. Doch so schlimm wie dieses Mal ist es noch nie gewesen.

      Soviel Gewaltbereitschaft und Aggression in einem so jungen Geist und Körper. Wo kommen sie her?

      Die Analyseauswertung zeigt das gleiche Ergebnis wie die zehn Male davor.

       Entwicklungshilfe im Embryonenstatus: Standard.

       Keine Fehler gefunden.

       Versorgung im Babyalter: Standard.

       Keine Fehler gefunden.

       Versorgung und

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