Seine Sensible Seite. Amalia Frey

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Seine Sensible Seite - Amalia Frey

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wie meine Sekretärinnen es anstellten, ihre Utensilien, die Möbel und die Ablage, so zu organisieren, dass alles neben Funktionalität auch noch Ebenmaß erfüllte. Wie hatte Madelena es damals geschafft, unsere Wohnung so einzurichten, dass ich ein Gefühl der Heimeligkeit verspürte, das ich nur von meinem Elternhaus her kannte? Und das hatte meine Mutter eingerichtet. Und woher um alles in der Welt wusste meine Herrenausstatterin, welche Nuancen meinem kalkigen Teint schmeichelten? Jedes Mal aufs Neue wollte sie mir farbige Hemden, gewagtere Krawatten oder gar bunt abgesetzte Anzüge schneidern lassen. Schockiert hatte ich dank ihr schon oft festgestellt, dass mir warme, kräftige Töne standen, mich jedoch dagegen gesträubt, mich an diesem neuerlichen Wahn zu beteiligen – die Idee meiner Geschlechtsgenossen Farbe zu bekennen. Ich wusste nicht, warum, aber alles in mir begehrte gegen den Gedanken auf, jemals lila oder sogar rosa zu tragen! Vater würde sicher …

      Nun erst wurde mir bewusst, dass ich das erste Mal seit zehn Tagen über etwas anderes nachgedacht hatte als ihn. Und dann auch noch über so lapidare Dinge. Lag das an der Gegenwart dieser Frau? Ich sah ihr ins Gesicht, sie erwiderte den Blick im selben Moment. Er traf mich mitten ins Herz. Was war das, was nur hatte sie an sich, dass mich so … Ja, was eigentlich?

      Warum guckt er jetzt wieder so wütend?

      Hilflos? Entwaffnend? Gleichzeitig befreiend. Herrgott, Junge, was läuft hier gerade schief? Du begegnest tagtäglich gebildeten, eleganten und charakterstarken Frauen. Gewiss, Frau Luxens Klasse war mit Madelenas zu vergleichen, auch wenn ihr das wohlmöglich nicht einmal bewusst war. Sie war in ihrer Welt, schien nach eigenen Regeln zu spielen. Es war ihr so völlig egal, was andere von ihr hielten.

      Sie war … frei! Frei von alledem, frei von dem Zwang, jemandem gefallen zu wollen. Und das hatte Vater so verdammt an ihr gemocht. Ich höre noch immer seine Worte: »Das ist ein prächtiges Mädchen, Junge. Immer neugierig, immer voller Energie. Ich wünschte, ich könnte mich von allem mitreißen lassen.« Und dann hatte er nachgesetzt: »Dir täte etwas mehr Frohsinn auch ganz gut.«

      Plötzlich sprang er auf, die Bahn fuhr soeben an der Station Brandenburger Tor ein. Mit den Worten: »Ich muss gehen«, drängte er sich zwischen den Mitreisenden vorbei und verschwand aus meinem Blickfeld. Als die Bahn weiterfuhr, sah ich ihn auf dem Gleis stehen. Er rieb sich die Stirn, die andere Faust in die Seite gestemmt. Worüber zum Rotzdonnerwetter hatte er sich nun wieder aufgeregt?

      °°°

      Ich ließ mich mit einem Taxi nach Hause fahren. Wie vereinbart, hatte Madelena den Porsche in die Tiefgarage gestellt, ehe sie in ihr Hotel gegangen war.

      Meine Wohnung war gerade geputzt worden. Ich warf das Jackett von mir, zog die Krawatte ab und fiel auf das Sofa. Meine Stirn dröhnte und fühlte sich heiß an. Vielleicht sollte ich etwas schlafen. Aber die Papierstapel, die sich auf meinem Schreibtisch unweit des Sofas türmten, sagten mir deutlich, dass dazu keine Zeit war. In ein paar Stunden würde ich endlich dauerhaft zurück nach Moskau fliegen und erst zu den Nachfolgeverhandlungen des Aufsichtsrates zurückkehren. Während ich mein Hemd aufknöpfte, erhob ich mich und schlurfte zum Schreibtisch. Neben dem Stapel lag im Seidenpapierumschlag Vaters Testament. Vermutlich würde er IHR auch einen Teil zukommen lassen. Ich brauchte es nicht zu lesen und zog mir stattdessen die Papiere heran.

      Derweil meine Augen über die Zeilen flogen, verschwand die Müdigkeit, der Kopfschmerz. Ich wusste, wenn ich mich nur konzentrierte, würde dieses miese Gefühl in mir nachlassen. Als Mutter starb, hatte es geholfen, fleißig in der Schule zu lernen, an Aktivitäten der hiesigen Vereine teilzunehmen, mich abzulenken. Und als Madelena die Scheidung einreichte, half es mir, mich noch mehr in meine Arbeit zu stürzen. Neun Jahre war unsere Trennung inzwischen her. Es war so befreiend gewesen, niemandem mehr Rechenschaft ablegen zu müssen. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis ich es mir abgewöhnt hatte, ein beißendes Gefühl im Nacken zu verspüren, wenn ich 3:00 Uhr nachts im Büro auf die Uhr sah. Noch immer stellte ich mir damals Madelena vor, wie sie zu Hause auf unserem Sofa saß, ihre nackten wunderschönen Füße auf dem niedrigen Tisch, und ein Buch las, um nicht einzuschlafen. Um mich zu erwarten. Das hatte sie lange Jahre getan. Irgendwann in unserer Ehe hatte sie aufgehört, zu streiten, wenn ich nach Hause kam. Dann aufgehört zu weinen, weil sie mich tagelang nicht gesehen hatte. Und irgendwann kam ich schon um 22.00 Uhr nach Hause und sie lag schlafend im Bett. Schließlich hörte sie auf, mich zu vermissen, meine Anwesenheit zu schätzen, und ganz zum Schluss, küsste sie mich nicht mehr, wenn wir uns begrüßten. Erst da war mir aufgefallen, wie lange wir nicht mehr ... obwohl wir es doch so gerne getan hatten.

      Der eine Morgen etwa ein halbes Jahr vor unserer Scheidung kam mir in den Sinn. Wie so oft hatte ich nicht tief geschlafen, bemerkte Madelenas unruhige Bewegungen. Als die Sonne die ersten Strahlen durch die Ritzen der Jalousie warf, lag ich wach und betrachtete ihr schlafendes Gesicht. Mir wurde klar, wie sehr ich sie vermisste. Ich rutschte etwas näher an sie heran und sie drehte sich instinktiv von mir weg. War sie wach? Sie lag bewegungslos, ehe zwanzig Minuten später der Wecker piepte. Murrend stellte sie ihn ruhig und erhob ihren Oberkörper. Ein schwarzes enges Hemdchen und ein passendes Schlafhöschen bedeckten ihren zierlichen Körper. Sie streckte sich im Sitzen, fuhr sich durch das lange, weiche Haar. Bei dem Anblick wurde ich schlagartig noch erregter und wagte den ersten Schritt. Zaghaft strich mein Finger über die Linie ihrer Wirbelsäule, sie zuckte zusammen. Unverkennbar ihre Haltung: Fass mich nicht an! Ich dachte, sie würde mich ansehen und mir irgendwas auf Russisch entgegenfauchen. Doch sie tat etwas Schlimmeres, als diesem Zorn Luft zu machen: Sie blickte sich nicht einmal zu mir um, sondern erhob sich aus dem Bett, als sei ich nicht existent, und verschwand ins Bad.

      Die Türglocke riss mich aus meinen Gedanken. Ich betätigte den automatischen Öffner und Herr Bär, mein Berliner Fahrer, trat ein. Zum Glück war er wie immer überpünktlich, denn ich war viel zu spät dran. »Na sowas, Doktor Schneid«, wunderte er sich, als er ins Zimmer trat und mich mit offenem Hemd und barfuß antraf. Ich schnellte hoch, stotterte dümmlich, dass ich noch duschen müsse.

      »Janz mit de Ruhe. Ik pack' Ihre Sachen zusammen, wenn se erlauben, und Sie machen sich frisch.«

      Ich nickte ihm zu und ging ins Bad. Es waren keine wirklich geheimen Dokumente, und bei Herrn Bär wusste ich außerdem, dass er nicht draufschauen würde. Als ich mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Badezimmer stolperte, stellte ich fest, dass er etwas unbeholfen im Raum stand und bereits meine dicke Aktentasche und die übrigen Mappen unter dem Arm trug.

      »Setzen Sie sich einen Moment«, sagte ich, »lesen Sie was.«

      Er deutete einen Diener an und ging hinüber zum Sofa. Als ich kurz darauf fertig angezogen ins Zimmer trat, saß er da und las das SZ-Magazin, das seit einer Ewigkeit in meiner Wohnung lag. Das mit dem »Sagen-Sie-jetzt-nichts: Austen Lux« Interview. Herr Bär sah mich über seine Brille hinweg an. Ich wusste, dass er wusste, wer sie war, wie Vater zu ihr gestanden hatte, dass diese Zeitung schon über ein halbes Jahr alt war und dass ich normalerweise keine irdischen Dinge wie Zeitschriften aufhob. Aber er sagte kein Wort, sondern erhob sich höflich, nahm Tasche und Akten unter die Arme, um mir dann auch noch den Rollkoffer abzunehmen und folgte mir zur Wohnungstür.

      °°°

      »Scheiße, Austen, siehst du scharf aus!«, verkündete Danni, als ich direkt von meiner Abenteuerfahrt nach der Beerdigung vor ihrer Wohnungstür stand. Ich wusste, dass sie zwei Stunden später ihren Dienst als Nachtportier würde antreten müssen, aber nach diesem seltsamen Tag war mir sehr danach, mich etwas von ihr berieseln zu lassen. Sie wusste wohl, dass ich ein Trauergewand trug, dass ich die letzten Tage fix und fertig vor mich hingedöst hatte.

      Aus alledem machte sie keine große Sache. Sie lobte unentwegt mein Aussehen, quasselte über die Dinge, die sie gerade beschäftigen, von

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