Seine Sensible Seite. Amalia Frey

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Seine Sensible Seite - Amalia Frey

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scheußliche Klumpen, der in mir schmerzte, sollte weggehen. An den Körper des einzigen Menschen auf der Welt, der das Gleiche wie ich empfand, geschmiegt zu sein, machte es erträglich.

      Wunderschön. Wunderschön. Wunderschön. Wunderschön.

      »Hier müssen wir raus, meine Umweltkarte reicht nur für den AB-Bereich«, sagte ich leise, als die Tourist*innen nahe Wannsee in Richtung Ausgang drängten. Obwohl das Abteil viel leerer geworden war, hatten Doktor A und ich noch immer dicht beieinandergestanden. Als ihm das gewahr wurde, schnellte er zurück. Nun erst sah ich sein Gesicht wieder. Wenngleich er nicht lächelte, blickten seine Augen liebevoll, seine Züge schienen entspannter. Wir folgten der Meute und standen dann eine Weile schweigend auf dem S-Bahngleis. Abwesend fragte ich: »Was ist mit Ihrer Frau?«

      »Exfrau«, wiederholte er.

      »Ja, gut: Haben Sie Ihre Exfrau einfach dort stehen gelassen?«

      Ich versuchte, ihre Frage einzuordnen. Wie kam sie denn jetzt darauf? Weswegen musste sie ausgerechnet das Thema Madelena anschneiden? Sollte ich ihr begreiflich machen, dass zwischen uns beiden nichts mehr war?

      Er sah mich komisch an und gab zurück: »Sie ist erwachsen, ich brauche nicht auf sie aufpassen.«

      »Natürlich nicht.« Weswegen gängelte er mich? Warum kehrten wir jetzt auf diese Ebene zurück? Als würde er uns mit allen Mitteln davon abhalten, uns näherzukommen. Dabei hatte ich mir bis vor fünf Minuten vorstellen können, mich doch noch mit ihm anzufreunden. »Ich frage nur, weil Sie zusammen mit ihr ankamen, also ist davon auszugehen, sie sei Ihre Begleitung.«

      Was für eine scharfe Beobachterin … ruhig, Junge, nicht den nächsten Fauxpas. Sie sieht schon wieder sehr irritiert aus.

      Dabei war es bis eben so angenehm. Mach das nicht kaputt.

      Ich versuchte, sanft zu klingen: »Madelena ist mit den Autoren mitgegangen, die noch auf meinen Vater anstoßen wollten. Als ich sah, dass Sie nicht zu ihnen zählen …«

       Was ist mit seiner Stimme los?

      »… bin ich Ihnen gefolgt.«

      »Warum?«

      Natürlich musste sie genau diese Frage stellen! Ich kann ihr doch kaum sagen, dass es sich in dem Moment

      einfach richtig angefühlt hatte.

      »Aus keinem bestimmten Grund.«

      Sie blickte ungläubig.

      Einer Intuition folgend setzte ich nach: »Sie waren da, als er starb. Dafür wollte ich Ihnen danken. Nochmal!«

      Austens Gesicht hellte sichtlich auf.

      Das ist dann wohl die Seite, die er verbergen will …

      Sie reichte mir ihre Hand: »Schließen wir Frieden, Doktor Schneid?«

      Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und fasste ihre filigranen Finger so vorsichtig wie möglich.

       Wow, er kann ja richtig schön lächeln!

      »Frieden«, sagte er zärtlich und plötzlich jagte mir ein angenehmer Schauer über den Rücken.

      Seine großen, warmen Hände, seine tiefe, sanfte Stimme und seine leuchtenden, klugen Augen ließen mich offenbar alles andere als kalt. Das also war es, was mein Körper ausströmte, wenn wir uns berührten. Es war immer wieder erstaunlich, auf wie vielen Ebenen der Mensch doch funktionierte. Doktor A und ich waren so weit voneinander entfernt, was Interessen, Alter, Lebensgewohnheiten, Rollenvorstellungen und letztlich auch den gesellschaftlichen Stand anging. Aber die triebhafte Basis, die Begegnung eines begehrten Körpers, rief in mir Reaktionen hervor. Meine biologischen Instinkte nahmen ihn offenbar als ebenbürtigen Partner, als paarungsgeeignet, wahr. Ich lächelte vor mich hin über diese Erkenntnis. Natürlich reagierten meine weiblichen Empfindungen auf ihn. Er war ein Alphatier, wie es im Buche stand: gesund, groß, stark, vermögend, einflussreich und zudem weltgewandt.

      Doch zum Glück gehörte für mich einiges mehr dazu, mich auf jemanden einzulassen. Reiche, gebildete und kreative Männer liefen mir in meinem Gewerbe zuweilen öfter über den Weg, und auf viele davon sprangen meine sexuellen Triebe an. Darüber war ich erhaben. Ich war eben auch ein Alphaweibchen, wie es im Buche stand: Ich paarte mich nicht mit jedem, der einfach nur gut war – ich bevorzugte die Besten. Und das Beste war für mich: Liebe!

       Reiß dich zusammen. Reiß dich zusammen. Reiß dich zusammen!

      Auf der Rückfahrt saßen wir uns schweigend gegenüber. Ich hatte gehofft, er würde sich für seinen jüngsten Ausbruch entschuldigen. Doch er ruhte dort in einer Haltung tiefen Sinnens. Mir war schon lange klar, dass dieser Mensch zu weit oben war, um von gesellschaftlichen Normen Gebrauch zu machen. Er war über soziale Gepflogenheiten weitestgehend erhaben. Anerkannte zwischenmenschliche Gewohnheiten, wie zum Beispiel seine Mitmenschen hin und wieder freundlich anzulächeln oder sich wenigstens ab und an für seine Fehler zu entschuldigen. Er hatte gewiss keinen Kund*innenumgang in diesem Sinne; er hatte Klient*innen. Solche, deren Gesichter er vermutlich auch nicht oft sah. Es war davon auszugehen, dass sich seine Welt kalt und bitter zeigte, also hatte er sich in all den Jahren angepasst. Er lebte davon, gefürchtet zu werden. Darum lächelte er nie, blickte stets finster drein und wahrscheinlich war er die meiste Zeit schlicht so wütend, wie er guckte. Dabei hatte er wirklich ein hübsches Gesicht.

      Unmerklich schmunzelte ich über mich selbst. Ich hatte zwischendurch oft über ihn nachgedacht. Mein Autorinhirn hinterfragte gerne, wollte wissen, welchen Weg ein Charakter einst genommen hatte, um an diesem Punkt des Lebens zu stehen. Doktor A war, das musste ich mir eingestehen, eine Untersuchung wert. Holterdiepolter hatte ich in den wenigen Wochen Einiges über ihn erfahren, was vermutlich nicht einmal Menschen wussten, die ihm weitaus näher standen. Höchstwahrscheinlich fühlte er sich auch deswegen von mir bedroht. Er hatte die ganze Zeit aus dem Fenster gesehen, die Augen vor Trauer rot unterlaufen, die Hand vor seinem Mund. Dieser Mann war stets gut angezogen, anscheinend wurde er professionell eingekleidet, sein blondes Haar war akkurat und sehr kurz geschnitten und verlieh seinem markanten Gesicht zusätzliche Härte. Als würde all dies nicht schon seriös und gleichfalls einschüchternd wirken, wurde seine Stirn etwa mittig von dieser Ader geteilt, ganz so als sei sie sein Wut-Pendant zu meiner Denkfalte. Nun begegnete er meinem Blick, mit dem ich sein Aussehen abgetastet hatte. Ich lächelte ihn ein wenig an in der Hoffnung, seine Lippen heute nochmal freundlich zu sehen, aber er blickte nur irritiert.

      »Was ist?«, fragte er doch tatsächlich.

      »Nichts, ich lächle nur.«

      »Weswegen?«

      »Ich brauche dazu selten einen Grund, Doktor Schneid.«

      Ihre Antwort verwirrte mich erst recht. Hatte ich was im Gesicht? Sah sie mich schon länger an? Ich hatte die letzten Minuten damit verbracht, aus dem Fenster zu sehen, um nicht Gefahr zu laufen, sie anzustarren. Aber sie schien mein Anblick eher zu amüsieren. Verstohlen ließ ich meine Augen über ihr Kleid schweifen. Egal ob sie wie heute elegant, wie kürzlich sportlich in diesen verboten kurzen Hosen oder beim ersten Treffen, als sie hippiemäßig unterwegs gewesen war – ihr Stil ließ sich zweifelsohne als

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