Seine Sensible Seite. Amalia Frey

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Seine Sensible Seite - Amalia Frey

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wie das von Justus und seinen Geschwistern war, und sein Gesicht so anders aussah. Und er erinnerte sich daran, wie ihn Vater Justus kurz nach seiner Heimkehr aus dem Kriegsgefangenenlager als russischen Bastard bezeichnet hatte. Noch ganz genau wusste das Sascha, wie er von Regula gerufen wurde. Obgleich er viel zu klein gewesen sein musste, den Sinn dieser Worte zu verstehen.

      Denn danach hatte seine Mutter zum ersten Mal gegen ihren Mann aufbegehrt und geschworen, sie würde ihn verlassen, nenne er das Kind noch einmal so. Natürlich war es Ende der Vierziger Jahre in Deutschland fast unmöglich für eine Frau mit drei kleinen Kindern durchzukommen.

      Trotzdem hatten es viele von ihnen geschafft – schaffen müssen. Wenngleich Regula nun einen gebrochenen Gatten voller Hass zu Hause hatte, es ging ihr wohl besser als jenen Trümmerfrauen ohne Ehemann. Sie wäre dennoch bereit gewesen, das aufzugeben. Das musste Vater Justus maßgeblich beeindruckt haben. Aber erweichen konnte er sich zeitlebens nicht für das Kind.

      Justus fand bald nach seiner Heimkehr Arbeit im hessischen Bad Wildungen, wohin ihn seine Familie mitsamt dem kleinen Sascha folgte. Mit den Fünfziger Jahren kam der Aufschwung nach Westdeutschland und mit ihm der Wohlstand für Familie Schneid. Alle Kinder, mittlerweile waren sie zu fünft, besuchten gute Schulen, später Universitäten. Für Sascha stand fest: Er würde Autor werden! Doch obwohl er Poesie, Lyrik und Schrift liebte – er brachte es nur zu einem kleinen Reporter für die städtische Presse. Darüber lernte er Adelheid kennen, ein kränkelndes gedichteschreibendes Mädchen – es war beiderseits Liebe auf den ersten Blick. Nach der Verlobung traf Sascha Adelheids Onkel, der gerade einen Verlag gegründet hatte. Der nahm den wissbegierigen, jungen Mann unter seine Fittiche. Wenngleich Sascha selbst nur mäßige Zeilen fabrizierte, wusste er, was große Kunst war. Sein Gespür für wahres Talent blieb in all den Jahren Erfolgsgarant für das Verlagshaus und Sprungbrett für zahlreiche Namen. Sascha war die Geheimwaffe des Unternehmens, agierte als stiller Lektor, später präsentierten sie ihm nur noch die engste Auswahl.

      »Nachdem meine Frau verstorben war«, setze er an, ohne mir zu verraten, woran, »ging es mir schlecht.« Ich hatte im Laufe seines Redeflusses nur mitbekommen, dass Alexander zu diesem Zeitpunkt erst zehn Jahre alt gewesen war. Sascha hatte sich in die Arbeit gestürzt, sich mit Prosa abgelenkt. Bücher wurden seine Fluchten. »Vermutlich hätte ich mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen sollen«, bekannte er knapp und monoton und fuhr fort mit den großen Namen, die dank ihm prächtige Buchdeckel schmückten. So vergingen die Jahre, sein Leben. Die Mauer fiel, der Euro kam, all das spielte für Sascha in einer fernen Welt.

      Schließlich der Zusammenbruch, die Kur in dem Erholungsheim in Bayern. »Und dann fand ich Sie«, sagte er heiser und bedachte mich mit einem endlos zärtlichen Blick. Das war vor fünf Jahren gewesen. Ich war ein fünfundzwanzigjähriges Wrack und seine letzte Entdeckung. Ich verdankte Sascha einfach alles.

      Dass ich seine Biografie schreiben durfte, war mir eine unermessliche Ehre. So gerne hätte ich ihm einmal gesagt, was er mir bedeutete. Dass er der Vater war, den ich mir immer gewünscht hatte.

      Bewegt griff ich nach dem letzten Kleenex in der Box, schnäuzte mich, wischte mein verheultes Gesicht trocken. Ich blickte auf die Zeilen und wusste: Ich saß vor einer Goldgrube! Noch während Sascha gesprochen hatte, war mir aufgegangen, dass ich dies als Roman schreiben, mich gar nicht erst am Genre Biografie versuchen wollte. Heimlich gestand ich mir zudem ein, dass mich ebenso die Beziehung zwischen Doktor A und Sascha reizte. Doch dazu hätte ich Ersteren interviewen müssen, wie er all das empfunden hatte. Nur über meine Leiche!

      Drittens

      Wie verabredet erschien ich am nächsten Morgen gegen 10:00 Uhr in der Charité und winkte dem Pförtner zu, der mich inzwischen kannte. Doch heute sprang er auf und sagte: »Sie dürfen jetzt nicht zu ihm.«

      »Was ist passiert?«

      »Es gab Komplikationen. Er braucht Ruhe.«

      Ich verstand die Welt nicht mehr. Anstatt mich wegkomplimentieren zu lassen, setzte ich mich in die Empfangshalle, um zu warten, bis die Komplikationen vorüber waren. Irgendwann nahm ich mir ein Buch und blätterte unruhig darin herum. Wie schlecht ging es Sascha? Was, wenn er sterben würde? Nein, daran durfte ich nicht denken.

      Gewiss würden sie ihn wieder hinkriegen und wir hätten noch viele tolle Gespräche. Solche, die mich so beflügelten. Und dann würde ich mich endlich trauen und ihm sagen, wie lieb ich ihn hätte. Bestimmt wusste er es, hatte es gespürt. Aber nun war mir klargeworden, dass ich es ihm gestehen wollte.

      Am Tag zuvor war er doch noch so gut drauf gewesen, hatte sich angezogen, so lange mit mir geredet. Ich wollte ihn unbedingt fragen, ob ich sein Leben als Novelle präsentieren dürfe. Wer außer ihm konnte das entscheiden?

      Ruhig Lux! Sascha war auf so einem guten Weg, ihm war es von Tag zu Tag besser gegangen. Vielleicht war der Tag zu aufwühlend gewesen und er musste nur etwas schlafen. Das wird es sein. Ich versuchte mir ein paar Notizen zu machen, recherchierte etwas mit dem Schlaufon, für den nächsten Fachartikel, für den ich einen Auftrag an Land gezogen hatte. Ich schrieb ein paar Sätze auf, die ich irgendwann mal für meine Kolumne benutzen wollte, die jeden Mittwoch im Kulturteil der Berliner Zeitung erschien. Doch eigentlich rutschte ich die meiste Zeit auf meinem Stuhl hin und her und versuchte keine Angst um Sascha zu haben.

      So sehr ich mich auch zwang, es gelang mir nicht, runterzukommen. Also stand ich auf und lief im Raum umher. In diesem Moment kam Doktor A aus dem Privatflügel. Sofort schnappte ich mir meine Tasche und lief zu ihm.

      »Doktor Schneid?«

      Er wirbelte herum.

      Austen Lux! Schön wie die Morgensonne, trotz ihres besorgten Blickes. Warum war sie hier? Ich hatte doch gesagt, sie sollten sie nach Hause schicken.

      Wie immer schaute er mich unheimlich wütend an, aber ich gab mir Mühe, diesmal keine Angst vor ihm zu haben. »Wie geht es Ihrem Vater?«

      Sie wollte sicher mit ihm das Buch durchgehen. So müde, wie sie aussah, hatte sie die ganze Nacht daran gearbeitet, und wenn sie pünktlich hier gewesen war, hatte sie jetzt zwei Stunden gewartet. Was sollte ich ihr sagen? Dass er ins Koma gefallen war und unklar war, ob wir ihn überhaupt noch einmal sprechen werden?

      »Sie können jetzt nicht zu ihm«, entgegnete er.

      »Das habe ich nicht gefragt.«

      »Was wollen Sie denn hier? Sie verschwenden Ihre Zeit.«

      »Aber ...«, konnte er nicht verstehen, dass ich mich sorgte?

       Vermutlich macht sie sich aufrichtige Sorgen um Vater.

      »Frau Lux ... wir können gerade nichts tun. Bitte gehen Sie nach Hause«, erklärte ich ruhig und kam einen Schritt auf sie zu. Sie wich zurück, ihre Unterlippe vibrierte.

      »Ich kann nicht«, rutschte es ihr heraus.

      So freundlich wie möglich sagte ich: »Doch, das können Sie. Sie helfen ihm am meisten, indem Sie heimgehen und weiter fleißig an seinem Buch arbeiten.«

      »Aber ich habe eine wichtige Frage, ehe ich fortfahren kann.«

      Sie umklammerte einen USB-Stick. Ich musste irgendetwas tun, um ihr zu helfen. »Vielleicht kann ich sie beantworten?«

      »Es

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