Seine Sensible Seite. Amalia Frey

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es um diese ansehnliche Göre ging, gar nicht mit Lob und Dank hinterherkam. Zum Glück musste ich nun wenigstens nicht mehr ertragen, das mit anzusehen. Als ob ich einem Verbot dieser altklugen Dilettantin Folge leisten würde – nein, ich war froh, dass Vater ihr recht gab und meinte, wir könnten nicht zusammenarbeiten. War besser so. Gewiss.

      Die verdammten Straßen waren voll, meine abschweifenden Gedanken hatten mich daran gehindert, eine gescheite Alternativroute zu finden, und so kam ich tatsächlich zu spät. Das war mir ewig nicht passiert. Vater war erbost und noch müder als am Vortag. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen, mich auf meinen Fehler hinzuweisen, mich für meine Eitelkeit zu schelten, weil ich das Navi nicht benutzt hatte, und zudem zu sagen: »Nun bleibt kaum noch Zeit, was, wenn das Fräulein früher herkommt?«

      »Geht es dir nur um sie? Dann hätte ich wohl nicht extra herzukommen brauchen.«

      »Wenn du sowieso in Berlin bist …«

      »Das meine ich. Meinst du nicht, ich hätte in Moskau Besseres zu tun gehabt?«

      Vater lachte kehlig und rau. »Willst du mir erklären, du hättest all diese Aufträge hier nur angenommen und deine Aufgaben im Russenreich verschoben, um bei mir zu sein?«

      Ich ballte meine Hand zu Faust. Meine Fingernägel schnitten ins Fleisch, als ich sagte: »Wenn es so wäre?«

      »Halte mich nicht für einen Narren, Alexander! Mir ist durchaus bewusst, wie wichtig du bist. Denen. Der Welt. Was schert dich das Schicksal dieses alten Mannes?«

      Dröhnender Schmerz durchzog meinen Schädel. Vater wusste doch sicher genau, welchen Punkt er damit bei mir traf.

      Nein, ich bin nicht wichtig. Aber ich bin so nahe an den sogenannten Wichtigen, dass sie mich mit der Droge der scheinbaren Wichtigkeit infiziert haben. Mit dieser versuche ich meine größte Krankheit, die Sucht nach Existenzberechtigung, zu lindern. Experte ja, wertvoller Berater ja. Gewichtiger Entscheidungsträger nein. Irgendwann einmal wichtig sein zu dürfen, etwas darzustellen, wesentliche Entscheidungen zu treffen, danach giere ich. Doch ich trete seit Jahren auf der Stelle. Alles, was das mühevoll errichtete Gebäude, das diese Wichtigkeit zu stützen vermag, zum Einsturz bringen könnte, dem stehe ich spätestens seit meiner Scheidung feindlich, ja aggressiv gegenüber.

      Dann kam die Kunde, dass es Vater schlecht geht, er ins Krankenhaus umgezogen ist, seine Wohnung in Berlin aufgelöst hat. Dass, sollte es ihm wieder besser gehen, er in unser Haus im Kellerwald zurückziehen wird. Aber es sah nicht danach aus. Ich hatte begonnen abzuwägen. Hatte erkannt, dass er zu dem winzigen Kreis von Menschen gehörte, die mir wirklich etwas bedeuteten. Ich war bereit gewesen, bereit unsere Beziehung in Ordnung zu bringen. Doch nun sah ich, wohin mich das gebracht hatte.

      Ich wurde wieder der eifersüchtige Knabe, der um seine Anerkennung bettelte.

      Diesmal nicht!, entschied ich kurzerhand.

      »Sag mir doch einfach, was du willst, dann sind wir schneller fertig«, entgegne ich ihm müde.

      »Ich wollte mit dir heute mein Testament durchgehen.«

      »Hast du das noch nicht mit einem Notar gemacht?«

      »Natürlich, aber wozu nutzt mir ein Sohn im Jurahandwerk, wenn ich mit ihm nicht darüber sprechen kann?«

      »Na danke. Also wo ist es?«

      »Bei meinem Notar«, sagte er nach einer Weile.

      Ich schnaubte. »Und was willst du besprechen? Sag bloß noch, du willst durchboxen, dass Austen Lux deinen Sitz im Aufsichtsrat bekommt.«

      »Natürlich nicht, du Narr. Dazu ist sie zu jung und würde es ohnehin verabscheuen. Ich möchte, dass du darüber mit meinen Partnern sprichst. Du weißt, wie der Hase läuft.«

      »Schönen Dank auch. Ich habe keine Zeit für so etwas. Mach du das doch, wenn du wieder auf den Beinen bist.«

      Vater schwieg einen Moment und sah mir das erste Mal seit langem direkt in die Augen. Das hatte er so zuletzt getan, als ich ihm gesagt hatte, dass ich mit Madelena nach Moskau ziehen würde. Ich lehnte mit dem Arm am Fenster, von draußen knallte die Sonne auf mein dunkles Jackett.

      Es war jetzt schon viel zu heiß, ich sehnte mich nach meinem klimatisierten Büro in der Kanzlei.

      »Du irrst ...«, flüsterte Vater, »ich gedenke, bald zu sterben.«

      Eines musste man dem Flügel der Privatpatient*innen lassen: Er war auch bei dieser Affenhitze draußen schön gekühlt. Pünktlich bog ich um die Ecke ins Zimmer und fand den armen Sascha im Bett liegend und seinen verkorksten Sohn am Fenster stehend vor. Wie sie einander ansahen – als hätten sie nach Jahren ihren ersten intimen Moment. Dabei störte mein Auftauchen sie offenbar, sie blickten zu mir. Saschas Miene hellte sich sichtlich auf, Doktor A starrte mit einem Mal ungläubig auf meine nackten Beine. Ja, Herrgott, ich weiß, die Hose ist kurz, aber warst du heute mal draußen, Keule?

      Er schüttelte sich und griff im nächsten Augenblick nach seiner Tasche. Kurz nickte er seinem Vater zu, dann lief er an mir vorbei. Ich spürte seinen Blick auf meinem Körper und warf ihm über die Schulter einen Todesblick zu: »Was glotzen Sie so?«

      Daraufhin lief er rot an und verdünnisierte sich.

      Zweitens

      Woolf traf mich am Abend wie fast immer an meinem Schreibtisch an. Ich hatte mir eine Dokumentation rausgesucht, die im Zuge des 40. Jubiläums des Buche Verlags produziert worden war. Darüber fand ich tatsächlich ein paar frühere Interviews von Sascha, die ich mir ebenfalls reinzog. Seine Eloquenz, mit denen er den Reporter*innen begegnete, war nicht von der Hand zu weisen. Und wie gut er als junger Mann ausgesehen hatte, eine richtige Schnitte! Ich stellte fest, dass er abgesehen von seinem dunklen Haar und den fürchterlichen, aber damals modernen Anzügen, Doktor A brutal ähnlich gesehen hatte. Natürlich kannte ich Abbilder von ihm als Enddreißiger, aber nun, da ich seinem Sohn getroffen hatte, rückte sich all das in ein anderes Licht. Mir wurde klar, dass Doktor A viel besser aussehen würde, zöge er sich den Stock aus dem Arsch und blickte nicht immer drein, als wären alle um ihn herum seine Todfeind*innen.

      Endlich fiel mir auf, dass Woolf meinen Schreibtisch umschlich.

      »Hungry Wolf?« Ich grinste.

      Er war ein guter Junge und er traute sich selten, mich tatsächlich anzusprechen, solange ich arbeitete. Und dass ich hier saß, mir Interviews aus den Siebzigern gab und Notizen machte, musste schwer nach Recherche aussehen. Störe ein tapferes Schreiberlein niemals bei der konzentrierten Recherche und schon gar nicht im Schreibfluss. Mein Bruder wusste all das, auch wann ich mich in der ZONE befand, und ich gar nichts mitbekam oder die Phase, in denen jegliche Störfaktoren tödlich geahndet wurden.

      »Worauf hast du Lust?«, fragte Woolf lächelnd.

      »Ach, lass' was bestellen. Ich will grünes Curry und Reis.«

      Brav lief er zum Telefon und rief bei unserem Asia-Fusion

      Restaurant des Vertrauens an, um sich und mir jede Menge scharfes Essen zu ordern. Wir setzten uns grünen Tee auf und platzierten uns mit all den Pappschachteln am Küchentisch. »Hast du schon deinen roten Faden gemacht?«, wollte Woolf erfahren.

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