Seine Sensible Seite. Amalia Frey

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welcher Schwelle ich stand. Dass, nachdem ich das Gerüst erstellt hatte, es ein paar Wochen dauern würde und ich mich dann mitten im Fluss befände, in dem ich vergessen würde zu essen, zu schlafen, zu reden. Ich würde nur labil grinsend am Computer hocken, tippen, vermutlich sabbern und dankbar das Wasser bechern, das mein braver Bruder mir brachte. Alle drei Tage würde er mich davon überzeugen, etwas zu essen, doch um Gottes willen zu duschen und mich schlafen zu legen. Und ich würde ihn erst beschimpfen und schließlich gehorchen. Mir war bewusst, dass ich einem nicht mal Sechzehnjährigen damit viel zumutete. Aber immer wenn ich das (im wachen Zustand versteht sich) Woolf gegenüber ansprechen wollte, erklärte er mir: »Ich liebe es, zu erleben, wie deine Bücher wachsen und dass ich immer der Erste bin, der etwas davon hören wird. Bitte lass mich ewig an diesem Rohdiamanten teilhaben. Dafür nehm ich deine creepy Phasen gerne in Kauf.«

      Und ich war beruhigt bis zu meinem nächsten Anfall eines schlechten Gewissens.

      »Nein, ich habe noch kein Gerüst geschrieben. Sascha war vorhin sehr aufgebracht und hat mich gebeten, ihn übermorgen wieder zu besuchen. Solange werde ich mich intensiv mit der Verlagsgeschichte auseinandersetzen, dachte ich.«

      »Du bist ja so professionell.«

      »Haha!«

      »Weißt du, was ihn so fertig gemacht hat?«

      »Vermutlich sein doofer Sohn, der stand doch tatsächlich in dem Zimmer rum, als ich ankam.«

      »Warum auch nicht? Ist doch sein Paps.«

      »Du bist ja so erwachsen!«

      Natürlich wusste ich, dass es eigentlich ziemlich kindisch von mir war, zu verlangen, Doktor A solle sich von Sascha fernhalten, wenn ich angemeldet war.

      »Du hast ja keine Ahnung, was für ein Stinkstiefel das ist!«

      »Hast du es denn? Du kennst ihn gar nicht. Mir sagst du immer, ich solle mir selbst ein Urteil bilden und nicht zu schnell abwerten.«

      »Haha!«

      »Mal ehrlich, Jane! Du hast ihn erst zweimal erlebt, oder? Und vorher hast du dich vom Tratsch aus dem Verlag mitreißen lassen. Wo bleibt die Autorin, die alles hinterfragt und von allen Seiten beleuchtet?«

      Scheiße, der Junge kannte mich echt zu gut. »Du hast ja recht. Aber du hast Doktor A auch noch nie gesehen. Gleich, als ich ihn das erste Mal sah ...«

      »Was war da?«, hakte Woolf nach, als ich nicht weiterredete.

      Ja, was war da in dem Parkhaus? Beeindruckt hatte er mich, hübsch hatte ich ihn gefunden. Ich war von jeher der Meinung, dass solche Männer nicht SO aussehen dürften. Nicht SO gut.

      »Na ja, wie auch immer. Im Krankenhaus ist er mir jedenfalls ziemlich doof gekommen.«

      »Darüber hab ich auch nachgedacht«, erklärte der Junge und schob sich einen großen Löffel Reis zwischen die Lippen, »das sollte bestimmt nicht gegen dich gehen. Sagtest du nicht, er und sein Vater hätten ein schwieriges Verhältnis?«

      »Mit Doktor A hat jede*r ein schweres Verhältnis«, nuschelte ich mit halbvollem Mund.

      »Kein Wunder, dass er immer so angespannt ist.«

      »Ja, gut okay, ich geb ihm noch ne Chance, bist du nun zufrieden, Wölfchen?«

      »Jupp«, grinste er und trank darauf einen Schluck Tee.

      °°°

      Keusche Unruhe lag in mir. Ich erkannte meinen Ex von Weitem. Seine Körperhaltung, Statur, die Art, wie er eine Hand in die Seite stemmte, und mit der Anderen auf seinem Schlaufon herum wischte. Davids Haar war ganz kurz geschnitten. Ich hatte Jahre gebraucht, ihn davon zu überzeugen, es wachsen zu lassen, damit ich in dieser weichen, braunen Pracht herumwuscheln konnte. Er sah dünner aus, als würde er weniger trainieren. Sein graues Jackett wehte offen im Wind, er trug passende Anzughosen und ein hellblau-weiß gestreiftes Hemd. Die oberen Knöpfe hatte er für seine Verhältnisse salopp geöffnet, und je näher ich kam, desto mehr erinnerte mich das Stück nackte hellbraune Haut daran, was unter dem Stoff verborgen lag. Schließlich sah er auf und sein Gesicht strahlte. Nicht weil wir furchtbar verliebt waren wie einst – sondern weil es nach fast acht Jahren in Knochen und Mark übergegangen war, wie wir aufeinander reagierten. Wir umarmten einander locker, verzichteten auf das obligatorische Küsschen. Als mir sein persönlicher Duft vermischt mit dem Geruch seines Rasierwassers in die Nase stieg, wurden schlagartig Erinnerungen wach. Damals, wenn er sich nach dem Rasieren damit die Wangen vollgeklatscht hatte und ein paar Tropfen seinen Hals hinab auf seine Schlüsselbeine gerollt waren. Dann hatte er sich immer erst die Hände gewaschen und sein Gesicht hinterher. Der Duft auf seiner Brust blieb, und wenn ich ihm abends das Hemd öffnete, schwoll er mir entgegen, so dass ich erleichtert einatmete und wusste: Feierabend!

      Von jeher war ich der Meinung, Sex sollte der kleinste gemeinsame Nenner in einer Liebesbeziehung sein. Bei David und mir war es am Ende der Klebstoff, der uns voneinander nicht loskommen ließ. Wir machten den Fehler, miteinander zu schlafen, obwohl wir uns zuvor gestritten hatten. Es als Versöhnungssex zu verbuchen, uns aus Hassliebe heraus in Ekstase zu versetzen. So blieben die Konflikte unausdiskutiert, verhasste Angewohnheiten des anderen bestehen. Töricht dachten wir, so viel gemeinsam durchgestanden zu haben, dass sich unsere Unterschiede miteinander ergänzten und wir sowieso niemals harmonisch zusammenleben würden, woraufhin wir gar nicht mehr versuchten, an uns zu arbeiten oder etwas zu retten. Immer öfter kratzte ich ihm den Rücken wund, weil ich meine Wut irgendwo auslassen musste. Mehr und mehr wurden seine Berührungen ruppig, seine Schläge auf meinen Arsch zu hart. Wir wollten einander verletzten, ehe wir unsere Körper teilten. Außerhalb des Schlafzimmers konnte ich ihm gar nichts mehr recht machen. Er maulte nur noch, ich meckerte zurück. Der Groll wurde stärker. All das verdrängte die Liebe, und auf unheimliche Weise verstärkte es die Lust. Wir verwechselten das zärtliche Kuscheln unserer verschwitzten Leiber, die süßen Nichtigkeiten, die wir einander ins Ohr flüsterten, das Lächeln in den intimsten Momenten ... Wir dachten, es war Nähe.

      »Lass uns hierhergehen«, sagte David und riss mich aus meinen Gedanken. Er deutete auf ein Straßencafé zu unserer Linken. Mit Schwung setzte er sich mir gegenüber, zog sein Jackett aus und legte es über die Lehne. War er auch dünner geworden, so blieb er doch ein verdammtes Eye-Candy.

      Dann ließ er mich reden. Über Woolf, über Projekte, über Dannis Dramen, über mein Training für den Berlin-Marathon, an dem ich nächstes Jahr teilnehmen wollte. Er stellte Folgefragen, reichte mir ungefragt seinen Keks vom Kaffeetassenrand. Sogar nach meinen Eltern und meinen Großeltern mütterlicherseits, die ganz in der Nähe von Dad und Ma in einem Luxus-Pflegeheim wohnten, erkundigte er sich.

      Meine Eltern hatten sich zur Ruhe gesetzt. Ihr Bauunternehmen wurde inzwischen durch eine Gesellschaft verwaltet, sie selbst waren seit Jahren weg von der Bildfläche in ein hübsches großes Haus am Bodensee verschwunden. David wusste all das und wirkte nach wie vor interessiert am Schicksal seiner Ex-Schwiegereltern in spe. Er schien immer noch der süße, liebe Typ zu sein, in den ich mich vor so vielen Jahren volle Granate verknallt hatte. Doch er war nun der süße liebe Verlobte einer anderen.

      Ich kannte sie nur von Fotos. Jasmin. Sie war etwas kleiner als ich und weiß, aber in unserer Körperfigur ähneln wir einander. Ich wusste auch, dass sie rotblonde Naturlocken hatte, die sie glättete und aufhellte. Sie war Anfang zwanzig. All das hatte mir David erzählt, nachdem er ein halbes Jahr mit ihr ausgegangen war. Damals tat es noch weh, so dass ich ihn unterbrach und bat, mir frühstens mehr zu erzählen, wenn es ernst

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