Josef in der Unterwelt. Martin Becker

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Josef in der Unterwelt - Martin Becker

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mit seinen hohen Reifen die Leitplanke, hob sich in die Luft und fuhr krachend in das Gehölz des Abgrunds.

      Mit voller Wucht landete der Wagen im Gebüsch des Abhangs und wurde dadurch stark gebremst. Josef und Eva hingen keuchend in den Sicherheitsgurten. Sie versuchte noch, den Wagen zu bremsen, doch das Gewicht zog den Jeep unweigerlich weiter in die Tiefe.

      Josef öffnete schnell die Schnappverschlüsse der Sicherheitsgurte. „Raus, Eva, raus!“ schrie er und stieß seine Tür auf.

      Da spürte er wieder eine enge Umklammerung an seinem Hals. Es war der gleiche würgende Griff, den er im Steinschlag spürte. Dieser Würgegriff, der einem den Willen raubt, sich selbst zu retten, hinaus zu springen, wurde ganz deutlich von Händen ausgeführt.

      „Eva!“ brüllte Josef und griff noch an die Stelle, wo sie soeben saß. Doch er griff ins Leere. Evas Türe war geöffnet. Sie war bereits hinausgesprungen.

      Der Junge wälzte sich zur Seite und fiel aus dem Fahrzeug in hartes, kratzendes Gestrüpp. Das weiße Fahrzeug rauschte krachend und polternd den steilen Abhang hinab, dicht an Josef vorbei, wie ein schmutziger Schneeball im Winter. Es überschlug sich und rollte seitwärts in die Tiefe. Noch hatte Josef keinen Halt gefunden. Der Hang war zu steil, um sich irgendwo festhalten zu können.

      Da war wieder diese Umklammerung. Er fasste nach dem Würgegriff an seinem Hals und spürte einen fremden Körper. Irgendjemand war an seinem Hals und versuchte ihn zu erwürgen. Ihm wurde es schwindlig. Josef hatte keine Gewalt über sich, über seinen Sturz. Er fand keinen Hebel zum Ansetzen, um sich aus dieser Lage zu befreien. Er griff nach der Hand an seinem Hals. Mit dem Griff, den er für den Schraubenschlüssel am Lastwagenreifen brauchte, riss er die Hand von sich, befreite sich aus dem Würgegriff. Was war das? Ein Mann, eine fremde Figur. Irgendetwas Schwarzes wandte sich in seiner Hand.

      Josefs Sinne kreisen. Ihm schwand allmählich das Bewusstsein. Er spürte seinen Körper nicht, wie er den Hang hinabstürzte und immer wieder an einem hervorstehenden Felsbrocken oder Busch aufschlug. Mit seinem eisernen Griff und mit seinem letzten Willen, zog er die Figur an sich heran. Der schwarze Fremde war stark und kräftig, aber Josefs Griff war so unlösbar, wie ein Schraubstock. Er umklammerte die Figur mit seinen beiden Armen und dachte an einen Lastwagenreifen, den er mit Schwung in die Achse hob. Es wurde ihm schwarz vor Augen, wie ein Nebel, der ihn umhüllte.

      Als sich der schwarze Nebel vor seinen Augen verzog, lag Josef am Boden des Abgrundes und konnte sich nicht bewegen. Er konnte keinen Muskel rühren. Er konnte nicht atmen. Mühsam schlug er zunächst ein Auge auf und nach eine, ihm endlos vorkommende Zeit, das andere Auge, die beide vor Staub, Blut und Dreck verklebt waren. Die Sonne blendete ihn. Wie verkrampft lag er gekrümmt auf der fremden, schwarzen Figur und hielt sie immer noch umklammert.

      Da sah Josef schemenhaft und wie im Traum, Eva in einiger Entfernung weggehen. Sie war in Begleitung einer dicken Frau, einer Nonne. Der Junge wollte ihr nachrufen, jedoch die Stimme versagte. In seinem Innern aber war die Stimme laut: „Eva, Eva! Warum gehst du weg? Wohin gehst du? Was ist das für eine fremde Frau? Eva!“

      Eva drehte sich nicht um. Ihr Haar war durcheinander. Sie hinkte. „Geh nicht weg, Eva!“

      Noch begriff er nicht, was mit ihm geschehen war. Zu hell schien die Sonne, um seine Freundin klar zu sehen, aber sie ging weg, und er konnte sie bald im Gegenlicht nicht mehr ausmachen.

      Die Figur unter Josef zuckte und wand sich; er aber blieb liegen, ohne die Umklammerung zu lösen. Ihm war es schwindlig. Er stöhnte. Die schwarze Figur stöhnte auch. Josef schreckte zusammen. Was war das?

      „Was...?“ Josef begriff nur langsam die Situation seines Autounfalls.

      Der Fremde in seinen Armen stöhnte wieder.

      „Lass mich los!“ brummte er.

      Josef löste seine Umklammerung. Die schwarze Figur wand sich unter seiner Last und bekam eine Hand frei. Plötzlich gab er dem Jungen eine schallende Ohrfeige.

      „Du sollst mich loslassen!“ brüllte er mit der Stimme eines Feldwebels. Stöhnend wälzte sich Josef zur Seite und hielt seine Hand an die Wange.

      Der Schwarze setzte sich auf und wischte sich den Staub aus den Augen. Josef blinzelte in die Sonne und versuchte etwas zu erkennen. Doch er konnte die Figur nicht richtig sehen, die schemenhaft wie eine Federzeichnung vor ihm saß. Wer war das? Wo kam der Fremde her? Er konnte seine Gedanken noch nicht sammeln und begann damit, wie ein Betrunkener, die Glieder seines Körpers zu ordnen, ob alles noch dran war.

      Josef bewegte die Fußzehen, die Finger. Sein Körper war übersät mit schmerzhaften Stellen, doch es ging. Er konnte sich bewegen und zog die Knie an seinen Körper heran. Eva! Er musste sofort versuchen, Eva nachzulaufen. Sie war sicher schon recht weit weg. Oh, verflixt! Ihm tat aber auch alles weh! Er stöhnte. In seinem Mund schmeckte es nach Staub und Blut. Das Autowrack lag auf dem Dach. Schade um den schönen, weißen Jeep, der nur noch einen Haufen Schrott Wert war. Was wird Mutter wohl sagen?

      „Aaah! Das Licht! Die Sonne!“ sagte der Fremde und stand auf.

      Er ging einige Schritte, reckte sich, dass es knackte, wackelte mit den Hüften und hob einen alten Zylinderhut auf. Mit seinem Ärmel wischte er den zerschlissenen Hut und setzte ihn sich auf. Josef konnte die Figur nur schwer ausmachen, aber er gewöhnte sich allmählich an das grelle Licht der Sonne und betrachtete den Mann.

      Dieser stellte sich breitbeinig dem Licht entgegen und hob die Arme.

      „Ist das nicht herrlich? Die Sonne! Wunderbar!“ Mit ausgestreckten Armen ging er einige Schritte auf die Sonne zu.

      „Endlich scheint die Sonne! Aaaah! Herrlich!“ Er hielt inne und blickte sich um.

      Hinter ihm lag das umgekippte Autowrack und nicht weit davon entfernt Josef, der damit kämpfte, dass seine Augen offenblieben.

      „Da haben wir den Salat“, brummte der Schwarze und seine gute Laune verschwand.

      Es war ein alter, hagerer Typ mit buschigen, grauen Augenbrauen, tiefen Wangenfurchen und Falten im Gesicht. Dabei war er ganz in schwarz gekleidet, mit einem schäbigen, speckigen alten Frack und glanzlosen, ausgetretenen Lackschuhen. Der Alte sah aus, wie der Brautvater einer Bettelhochzeit, der die Gesellschaft verloren hatte. Sein Zylinderhut zeigte eine leichte, windschiefe Drehung im Körper. Während er noch spuckte und röchelte, fingerte der Schwarze in seiner Brusttasche herum, zog eine krumme Zigarette hervor, zündete sie an und fing an zu husten, als ob er seine Lungen aushängen wollte.

      „Da haben wir den Salat“, wiederholte er nochmals, diesmal aber etwas ärgerlicher.

      „Natürlich, natürlich!“ schimpfte er und stellte sich vor Josef hin.

      Dieser war bestürzt, konnte aber wegen des Schwindels im Kopf nicht sogleich aufstehen. Er hielt sich die Hand an den Kopf.

      „Oouuhhh!“ Dies war sein erster Ton, der klang, als hätte man seinen Kehlkopf mit einer Schippe getroffen.

      „Was...wo bin ich?“ fragte er und erkannte seine Stimme nicht mehr.

      Der Schwarze blickte ihn ärgerlich an: „Unten. Wir sind unten, du Dussel.“

      Er zog hektisch an der Zigarette und steckte seinen Daumen in den Mund. „Mmmh, ich klaupe, ich hape mir ten Taumen verchtaucht. Tach tasch jetcht auch noch pachieren muchte!“

      Josef

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