Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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ich ausgehe«, antwortete Fred mit Grabesstimme und schob die rutschende Brille zurück auf die Nasenwurzel. »Was meinst du dazu, Melanie?«

      Mellie murmelte Unverständliches. Klar, diese Mordgeschichte war natürlich spannend für die Detektei, ein Prestigeobjekt. Aus der Distanz betrachtet. Aber Fred und Alice dachten hoffentlich nicht ernsthaft daran, sie in ihre Mördersuche mit einzubinden. Oder doch? Sie fühlte sich bereits bei Herrn Claus und seinen Geistern überfordert. Ihr Interesse, einen Mörder zu jagen, lag bei unter null. Mörder mordeten, und sie war auch ohne eine so offensichtliche Bedrohung nicht sicher, die Zeit in der Detektei unbeschadet zu überstehen. O nein, sie würde allen Beteiligten die Daumen drücken und sie anfeuern, gern auch aus der ersten Reihe, doch den Schritt auf die Bühne tat sie mit Sicherheit nicht.

      »Zehn Tage nur, und wir dürfen die laufenden Fälle keinesfalls vernachlässigen. Also haben wir einen toten Rattenfänger am Hals, eine Ehefrau, die Angst hat, ihr Mann und dessen Geliebte könnten nicht nur ihr Konto plündern, sondern ihr auch noch an den Kragen gehen wollen. Nicht zu vergessen unser Paranoider, der vierundzwanzig Stunden pro Tag verfolgt und von seinen Nachbarn bestrahlt wird.« Und dieser verdammte Taubenschlag, dachte er. Obgleich ihm bei näherem Nachdenken schien, als seien die drei Fälle vom Vortag mittlerweile auf einen zusammengeschrumpft. Der Taubenzüchter war stinksauer, weil er Fred mit dem Kopf auf dem Lenkrad erwischt hatte, während dem Katzenvieh im Taubenschlag das Blut von den Schnurrhaaren tropfte. Höchstwahrscheinlich würde er der Detektei den Fall entziehen, zumal es kaum noch Tauben gab, die es zu schützen lohnte. Vielleicht weigerte er sich sogar, das Honorar zu zahlen. Oder verklagte die Detektei.

      Melanies durchgeknallter Herr Claus war sauer wegen der fehlenden Fotos und würde die Detektei höchstwahrscheinlich ebenfalls abservieren. Blieb noch Alices Dreiecksgeschichte.

      »Von den drei Fällen kannst du wahrscheinlich zweieinhalb streichen«, bestätigte Alice seine Vermutung. »Mellie scheint ihren Kunden los zu sein. Wie sich dein Taubenzüchter nach der Fuchsattacke entscheidet, weiß ich nicht, Fakt ist jedoch, dass ich mit meiner Kundin auf die Dauer nicht weiterkomme. Mein Vorschlag wäre, ihr einen Abschlussbericht zu schreiben. Ihr Mann hat zwar eine Geliebte, aber mehr kann ich leider dazu nicht sagen. Viele Grüße, die Detektei Roderich, Hupe und von Rhoden. Apropos: Das Honorar beträgt eintausend Euro. Nicht sehr professionell, dafür aber die Wahrheit. Ohne dass wir die Jacht oder die Wohnung der Geliebten verwanzen, kann ich noch tagelang hinter irgendwelchen Büschen hocken ohne auch nur einen einzigen Informationsgewinn.« Alice grinste freudlos. »Es ist mitunter wirklich seriöser, eine Überwachung abzubrechen als sie um jeden Preis fortzusetzen, und ich plädiere hiermit darauf abzubrechen, oder bist du anderer Meinung?«

      Alice blickte Fred an. Fred schüttelte den Kopf.

      »Okay, dann hätte zumindest ich schon mal den Rücken frei und könnte mich zu hundert Prozent auf den Rattenfänger-Mord konzentrieren. Wow, stellt euch bloß vor, wir lösen den Fall. Dann sind wir die angesagtesten Detektive auf zweihundert Kilometer im Radius. Ich sehe schon die Schlagzeile in der Zeitung.« Ungebremster Ehrgeiz blitzte aus ihren grauen Pupillen. Es gab Zeiten, da nahm das Leben tatsächlich interessante Formen an, und es kribbelte sie bis in die Spitzen ihrer roten Haare, diesen beiden Stümpern, ihrem Chef und der Kollegin, zu zeigen, wozu eine motivierte Frau fähig war.

      »Schlagzeilen sehe ich, wie gesagt, ebenfalls, nur andere als du, das ist ja mein Problem«, stöhnte Fred und fragte sich, ob in der angebrochenen Flasche Single Malt Whiskey noch genug Inhalt war, um sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken zu können. Er hasste Frauen, die sich und andere in ihrem Ehrgeiz zerfleischten. Die Detektei lief gut, und ihm gefiel der Job, aber doch vor allem deshalb, weil er es ruhig angehen lassen konnte. Keine Prügeleien, keine wilden Verfolgungsjagden, keine Morde. Wenn er keine Nachtschicht schieben musste, machte er frühzeitig Feierabend und sah sich mit Axel DVDs an. Axel sah gern Doris Day. Spion im Spitzenhöschen und Bettgeflüster. Oder sie hockten auf der Couch und hörten Blues, während Hamlet am Leder seine Krallen schärfte. Ma Reiney, Muddy Waters und Blind Boy Fuller. Ein geruhsamer Abend nach einem geruhsamen Tag mit einem gepflegten Whiskey im Glas.

      Fred Roderich hatte keinesfalls vor, durch übermäßigen Stress sein vorzeitiges Ende einzuleiten. Er wollte weder an AIDS noch am Herzinfarkt sterben, und bei beidem setzte er auf Prophylaxe. Die Hamelner Friedhöfe waren voll mit Leuten, die sich ihr Leben lang für ihre Rente abgerackert hatten und dann tot umfielen, bevor sie auch nur den ersten Monat ohne Arbeit genießen konnten. Wenn es nach ihm ging, würde er der älteste Einwohner Hamelns werden, und im gesegneten Alter von einhundert Jahren auf einer Bank in der Abendsonne sitzen, Blues hören und seinen Whiskey trinken (wenn da nicht die Sache mit dem Leben auf Pump gewesen wäre). Nur Axel kam in letzter Zeit nicht mehr so häufig in seinen Zukunftsvisionen vor.

      »Ich setz den Vertrag auf, dann stellen wir uns alle gemeinsam an den Abgrund und springen runter. Hat einer was gegen den Hohenstein einzuwenden?«, fragte er matt.

      Der Hohenstein war ein Kletterfelsen, ein Felsabbruch im Süntel, einem Höhenzug, der zum Wesergebirge gehörte. Weihnachten vor einem Jahr hatte sich eine Frau dort zu Tode gestürzt. Allerdings unabsichtlich, die Felskante war nicht gesichert, und ab und an blies eine Windböe allzu Wagemutige in die Tiefe.

      »Nach dir«, sagte Alice gelassen, während ihn Melanie mit undefinierbarem Gesichtsausdruck anstarrte. »Ich für meinen Teil habe vor, das Rätsel des Rattenfänger-Mordes zu lösen. Was spricht dagegen? Wir sind drei mehr oder minder intelligente Lebewesen, und das ist vielleicht schon mehr als die Polizei zu bieten hat. Ansonsten gilt: no risk, no fun.« Bei der anschließenden Pressekonferenz würde natürlich sie die Wortführerin sein. Sie musste nur daran denken, sich die Nase zu pudern, bevor die Kameras der Fernsehsender sie ins rechte Licht rückten. Ihre Nase sah bei übermäßiger Aufregung rot und glänzend aus.

      »Mit no risk, no fun, meinst du nicht etwa einen Bungeesprung mit dem Gummiband um den Hals

      »Vergiss den Sprung, du bist doch jetzt schon scheintot, Cousin Fred. Kein Mumm in den Knochen, keine Power im Blut, und was sich da hinter deiner Stirn bewegt, möchte ich gar nicht wissen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du noch keine vierzig bist? Andere laufen in dem Alter zu ihrer Höchstform auf, und du Opa denkst schon an die Bank im Sonnenuntergang.«

      Fred Roderich starrte seine Großcousine irritiert an. Konnte sie Gedanken lesen? Wundern würde es ihn nicht, erst neulich hatte er eine Anzeige ihrer Mutter in der Zeitung gefunden, in der sie ihre medialen Fähigkeiten pries und Kundschaft suchte, die zu den lieben Verstorbenen Kontakt aufnehmen möchte. Einen Moment lang wünschte er sich die guten alten Zeiten der Inquisition zurück, in denen Hexen auf dem Marktplatz verbrannt wurden und Jungs wie er die brennenden Fidibusse in Händen hielten.

      »Okay«, sagte Fred und räusperte sich. »Dann sag mir mal eben, bevor ich den Vertrag aufsetze, wie du dir den ersten Schritt in diesem Fall vorstellst.« Er lächelte milde.

      Alice zuckte mit den Schultern. »Kein Problem. So wie’s aussieht, ist unser Rattenfänger auf einem Schiff ermordet worden. Wir haben Anfang Mai, die diesjährige Saison in der Fahrgastschifffahrt hat laut Zeitung gerade erst angefangen. Bekanntermaßen zahlen Reeder schlecht, ergo rennen ihnen die Servicekräfte nicht gerade die Bude ein, ergo suchen sie ständig Personal, ergo fängt einer von uns als Servicekraft inkognito auf dem Schiff ein, zwecks Insiderinformationen, während die anderen beiden extern und ganz offiziell recherchieren. Oder hat jemand einen besseren Vorschlag?«

      Gott, wie ich sie hasse, dachte Fred Roderich und bückte sich nach den abgefallenen Blättern des suizidgefährdeten Ficus. Konnte sie anderen denn nicht einmal eine Chance geben, bevor sie sich dermaßen dreist prostituierte.

      »Wir werden sehen«, nuschelte er im Bücken.

      »Na

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