Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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Newcomerin. So war sie der Not gehorchend erst als Servicekraft auf dem Glühwürmchen gelandet, dann vom Schiffsvolk ins Büro abgeschoben worden und schließlich eines Morgens auf demselben Stuhl aufgewacht, auf dem der alte Personalchef verstorben war. Der Schlag hatte ihn getroffen, was sie bei dem ganzen Ärger mit dem Personal nicht weiter verwunderte. Mitunter träumte sie von dem Einsatz einer mentalen Transformationsmaschine: vorn marschierten all diese eigenwilligen Persönlichkeiten hinein, mit denen sie sich tagtäglich abplagte, und hinten heraus kamen willige, freundlich lächelnde Kolleginnen und Kollegen in adretter Uniform, die ihr aufs Wort gehorchten.

      Seit zwei Jahren redete sie sich ein, eine Bühnenshow zu inszenieren, sobald sie früh um sieben die Bürotür aufschloss, und in der Tat gab es zwischen Theater und Firma keine gravierenden Unterschiede. Hüben wie drüben hing der Erfolg der Inszenierung vom Können und den Launen der Mitwirkenden ab, und hier wie da beurteilte das Publikum das Stück. In der letzten Saison war der Ordner Beschwerden dermaßen aus den Nähten geplatzt, dass sie einen zweiten Ordner hatte anlegen müssen. Im Binnenschifffahrt-Katastrophengesetz gehörte die Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen mit Fug und Recht auf Platz eins der Gefahrenliste. Schon vor der diesjährigen Saison war es zu einer Beinahe-Katastrophe gekommen, als Eddie und Chris mit der Libelle den Tündernanleger aus dem Hamelner Hafen schleppten, um ihn an seinem rechtmäßigen Platz unterhalb der Holländischen Windmühle zu vertäuen, und sich der Ponton losriss. Was heißt losriss? Irgendwo im unkontrollierten Arbeitsablauf gab es ein Kuddelmuddel helfender Hände, und die starke Flussströmung nahm sich des plötzlich herrenlosen Pontons an und trug ihn in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Zumindest ein Stück weit, die Hälfte des Weges ungefähr. Bevor ihn zwei mutige Mitarbeiter des DRLG mit Hakenstöcken einfangen konnten, riss er etlichen Anglern die Ruten aus den Händen und brachte ein Schlauchboot zum Kentern. Nur eine der vielen Katastrophen, die sich alljährlich in Jansens Schifffahrtsgesellschaft häuften. Es war, als läge ein Fluch auf der Firma.

      Die Sache mit der Schleuse hatte sich in der letzten Saison ereignet. Natürlich war es ein Fehler des Schleusenwärters gewesen, dazu ein grober Verstoß gegen die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung, die Sportboote vor einem Fahrgastschiff in die Schleuse zu lassen, aber du meine Güte, bei der Schleuse handelte es sich um eine Schleppzugschleuse, zwei offene Kammern mit einer Länge von insgesamt zweihunderteinundzwanzig Metern und elf Metern Breite. Die Schrecke maß vom Bug bis zum Heck keine fünfundvierzig Meter, wo also hatte das Problem gelegen, rechtzeitig die Maschinen zu drosseln?

      An die Sache mit dem Frachter, als sie selbst in ihrer Anfangszeit auf der Libelle ausgeholfen hatte, und sich Frachter und Libelle ausgerechnet in der Vlothoer Gosse begegneten, durfte sie gar nicht denken. Bei Niedrigwasser. Noch heute wachte sie manchmal schweißgebadet auf, während Chris’ Gebrüll Volle Kraft zurück durch ihre Träume geisterte. Der Frachter hätte Vorfahrt gehabt, klar doch. Die Vlothoer Gosse war aufgrund der Felsen im Flussbett als Engstelle gekennzeichnet, ein schmales Fahrwasser, gerade mal für ein Schiff ausreichend. Als Talfahrer hatte nun mal der Frachter Vorfahrt gehabt, und die Schrecke hätte natürlich vor dem Achtung-Engpass-Schild gewartet, wenn Eddie gewusst hätte, dass ihm Frachter Isolde auf Talfahrt entgegentuckerte. Ebenso natürlich hatte die Isolde vor Einfahrt in die Engstelle den vorgeschriebenen Funkspruch abgesetzt, den Eddie jedoch nicht hören konnte, weil er vergessen hatte, das Funkgerät einzuschalten.

      Eigentlich, so dachte die Personalchefin oft, müssten alle Schiffe der Schifffahrtsgesellschaft Jansen nach dem morgendlichen Ablegen das Bleib-weg-Signal hören lassen. Eine Viertelstunde aus vollem Horn tuten, abwechselnd ein kurzer und ein langer Ton und dazu noch im Bug und im Heck jeweils eine Person, die eine rote Laterne schwenkte. Ein Bleib-weg-Signal eben. Ein Kommt-uns-bloß-nicht-zu-nahe-wir-sind-unberechenbar-Signal.

      Seit zwei Jahren also versuchte die Personalchefin der Schifffahrtsgesellschaft Jansen das Serviceniveau auf dem Schiff um ein paar Sterne anzuheben, aber bedauerlicher Weise brauchten vielversprechende Neue durchschnittlich nur vierzehn Tage für die Erkenntnis, sich für zu wenig Geld mit zu vielen Widerständen an Bord abplagen zu müssen. Es war diese verdammte Dickschädeligkeit der Schiffsleute, denn auch wenn die Personalchefin auf der Gehaltsliste ganz oben stand, wurden alle wichtigen Entscheidungen direkt auf den Schiffen getroffen und dort auch auf der Stelle umgesetzt.

      Rein theoretisch teilte sie als Personalchefin die Aushilfskräfte für das Wochenende ein. Praktisch aber gaben schließlich nicht Rainer und Ute am Montagmorgen ihre unterschriebenen Stundenzettel ab, sondern Marlene und Ruth. Inga und die Serviceleitungen der übrigen Schiffe praktizierten ihre eigene Personalpolitik. Dies führte zu einer zunehmenden Irritation Okko Jansens, der bei seinen Kontrollbesuchen auf den Schiffen nicht die Servicekräfte von der Liste vorfand, die sie, die Personalchefin, ihm Tag für Tag nach Holzminden faxte. Zwangsläufig musste er sich fragen, ob seine Personalchefin den Überblick verloren hatte oder unter alzheimerschen Schüben litt. Das Schiffsvolk arbeitete jedenfalls mit Eifer daran, Jansen genau dies glauben zu machen. Sechs Schiffe, vier Schiffsbesatzungen, eine Personalchefin mit abgekauten Fingernägeln.

      Im Hamelner Büro, das sich sinnigerweise in einem Nebengebäude des Bahnhofs befand, weit weg vom Anleger, dafür direkt unter Gleis 2, hockten nach Meinung des Schiffsvolks Frauen mit angemalten Fingernägeln und manikürten Händen. An Bord brach man sich die Fingernägel alle Nase lang ab. Die Frauen im Büro gingen in eine ausgedehnte Mittagspause, die Frauen an Bord schlangen ein kaltes Würstchen im Stehen hinunter, und auch da mussten sie sich schon über die Schultern blicken, ob nicht zufällig der Chef hinter ihnen stand und das Würstchen vom Lohn abzog. Die Frauen im Büro schlossen nach acht Stunden auf die Minute pünktlich die Bürotür hinter sich ab und gingen shoppen, während das Schiffsvolk nach den Rundfahrten eben erst in den Hafen tuckerte und die stinkenden Klos putzte.

      Arbeitsbeginn war acht Uhr morgens, Arbeitsende laut Vertrag, wenn das Schiff im Hafen lag und sauber war. An sechs Tagen in der Woche, während die Bürodamen auf ihre Fünftagewoche den größten Wert legten. Dazu kamen Sonderfahrten an den freien Dienstagen und Charterfahrten in den Abendstunden. Das Schiffsvolk war der Meinung, es habe die Arbeit erfunden, während sich die Damen aus dem Büro, so gut es eben ging, darum drückten.

      Ganz so war es natürlich nicht. Während der Saison zwischen Mai und September klingelte das Telefon im Zweiminutentakt, und zwar alle Bürotelefone gleichzeitig, und wenn die Bürodamen abends mit rauchenden Köpfen nach Hause schlichen, waren sie heiser. Den lieben langen Tag gaben sie Auskunft, buchten Gruppen und Grüppchen auf die Schiffe, stellten Verträge aus, faxten, kopierten und versuchten die Kundschaft zu überreden, an Bord möglichst viel Geld auszugeben. Kaffeegedecke, Getränkepauschalen, Mittagessen oder Saloncharter, Jansen behielt den Gastroumsatz im Auge, und wenn der nicht stimmte, waren die Bürodamen seine ersten Ansprechpartner. Ebenso wie bei Havarien, Ausrastern des Schiffsvolks, Kolbenfressern der Maschinen, weil irgend ein Jemand zu dusselig gewesen war, Öl nachzufüllen, bei Hoch- oder Niedrigwasser, fehlendem Kuchen an Bord, bei allen sonstigen Pannen auf und an der Weser und sogar dann, wenn der Chef in seinem kleinen roten Flitzer auf dem Weg von Holzminden nach Hameln liegen blieb. Das Büro diente als Punchingball für Chef, Kunden und Schiffsvolk. Hier tobte man sich ungestraft aus.

      Die Entfernung zwischen Büro und Anleger trug ihren Teil dazu bei, die Fronten zu verhärten. Statt Dampfer donnerten Züge über die Köpfe der Bürodamen hinweg, während die Leute vom Schiff nur im Büro auftauchten, wenn es sich nicht vermeiden ließ, dann aber mit untrügsamem Spürsinn ausgerechnet in den wöchentlichen fünf Minuten, in denen die Bürodamen ausnahmsweise zusammenhockten und Kaffee tranken. Ansonsten verständigte man sich lediglich über das Telefon, vorausgesetzt die Schiffsleute ließen sich dazu herab, ans Schiffshandy zu gehen, wenn auf dem Display die Nummer des Büros erschien.

      Manchmal hatte die Personalchefin der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen alles einfach nur noch satt. Nicht, dass sie das Schiffsvolk nicht verstanden hätte. Fast alle Schiffsführer kamen vom eigenen Frachtschiff, aus der Selbstständigkeit, in der ihnen außer Frau und Kindern

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