Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch

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Der Totenflüsterer - Dietmar Kottisch

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vor Schmerz, die Mutter erholte sich kaum von diesem Unglück, auch sie folgte ihrem Mann zwei Jahre später ins Grab, weil der Krebs durch dieses Unglück beschleunigt wurde. Noch heute fiel es Klara schwer, darüber zu reden, denn die beiden Schwestern waren ein Herz und eine Seele. Als sie später das Elternhaus verkaufte, stellte sie fest, dass Sarahs Zimmer seit damals nicht mehr verändert wurde, das Bett blieb so, wie es Sarah an dem Morgen verlassen hatte, die Bettdecke aufgeschlagen, das geblümte Nachthemd hing über der Bettkante, der Stuhl, über dem ihre Kleider hingen, stand immer noch vor dem Tisch, der Schrank war immer noch offen, und drinnen hingen ihre anderen Sachen und standen ihre Schuhe. Das Buch, das sie 1961 gelesen hatte, irgendein „Silvia-Roman“, lag aufgeschlagen am Tischrand. Keiner der beiden Eltern konnte sich mit der Tatsache abfinden, dass ihre ältere Tochter nie mehr wiederkommen wird. Es war so, als wäre die Zeit an diesem Tag stehen geblieben.

      Er folgte ihr nach oben und fand sie auf dem Bett liegend vor. Er setzte sich an den Rand und legte seine Hand auf ihre Schulter und streichelte sie. „ Schatz, es tut mir Leid.“ Die nächste Viertelstunde verbrachten sie beide schweigend, und sie begann sich wieder zu beruhigen.

      „Lass uns morgen darüber reden.“ flüsterte sie.

      „In Ordnung.“

      Das Essen war natürlich kalt, keiner von beiden hatte jetzt noch Hunger.

      Sie setzte sich unten ins Wohnzimmer und nahm ihren Roman zur Hand, nachdem sie das Essen in den Topf zurückgegeben hatte.

      Er ging wieder in sein Arbeitszimmer.

      Sie konnte sich nicht auf ihren Roman konzentrieren. Diese Botschaft ging ihr nicht aus dem Kopf. Natürlich hatte auch sie sich seit einiger Zeit Gedanken gemacht. Sie wusste, dass Paul einen Interessenverein der Tonbandstimmen gegründet hatte. Die Männer und Frauen diskutierten über das Thema, sie hatten alle ein Tonbandgerät und nahmen Stimmen auf, die aus dem Jenseits kamen, wie sie ernsthaft behaupteten. Dieser Schwede, dieser Jürgenson, wollte sogar Hitlers Stimme eingespielt haben. Entweder waren sie alle bescheuert inklusive ihres Mannes, oder…..? Das war das große Fragezeichen, mit dem sie sich in letzter Zeit gedanklich herumschlug, denn Paul war trotzt der Stimmeneinspielungen kein Spinner. Sie nahm Shakespeare als „Vehikel“, der in seinem Hamlet sagte > es gibt mehr Ding` im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt<. Und das mit der wissenschaftlichen Schulweisheit kennt man ja: es darf nicht sein, was nicht ins Raster passt.

      Im tiefsten Winkel ihres Herzens jedoch reifte der Wunsch, mit Sarah in Verbindung zu treten, weil diese Stimmen vielleicht doch die Brücke dazu wären. Aber schnell verbannte sie ihre Absicht wieder.

      Paul hatte oft gesagt, dass er versuchen wird, mit der toten Sarah Kontakt aufzunehmen.

      Ihre Freundinnen und Verwandten würden denken, sie habe den Verstand verloren. Sie würden sie vielleicht mitleidig belächeln. Letztendlich könnte die Schulbehörde davon erfahren und ihre Reputation wäre im Eimer.

      Sie hatten sich geliebt, die beiden Schwestern. Sie waren viel auf sich alleine gestellt, denn ihr Vater wollte ein gut gehendes Hotel aufbauen. Und ihre Mutter hatte wenig Zeit, sich um ihre Töchter zu kümmern, weil sie beim Aufbau mithelfen musste.

      Klara konnte sich nicht konzentrieren, weil sie dauernd zur Türe des Arbeitszimmers schaute. Was würde passieren, wenn sie jetzt den Mut aufbrächte hineinzugehen, um ihren Mann aufzufordern, die Stimme abzuspielen? Die Stimme ihrer toten Schwester! Er hatte ein Kapitel aufgeschlagen, das sie eigentlich nie wieder lebendig werden lassen wollte, aber plötzlich trieb sie wieder die ungeheure Neugierde an; und die Vorstellung, ihre Schwester zu hören, raubte ihr schier den Verstand. Dann klappte sie das Buch zu, stand auf und ging hinüber in sein Arbeitszimmer.

      Er saß wie üblich wieder konzentriert an seinem Tisch, die beiden großen Kopfhörer an den Ohren und schaute auf die zwei Spulen am Tonbandgerät. Vor ihm lag ein Notizheft, in der Hand hielt er einen Kugelschreiber. Leise klopfte sie ihm auf die Schulter. Er drehte sich um und nahm die Kopfhörer ab.

      „Weißt du, ich hab mich doch entschlossen……“ brachte sie heraus und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch.

      „Bist du dir ganz sicher?“

      „Ich denke, ja.“ Das wäre das erste Mal seit ihrer Hochzeit vor sechs Jahren, dass sie so etwas hören würde.

      Er nickte wieder, blickte sie an. „Gut, Klara. Du wirst hören, dass die Stimmen nicht immer klar und deutlich sind. Manchmal kommen sie sehr schnell herein, manchmal singend oder sogar polyglott.“

      „Polyglott? In mehreren Sprachen?“

      „Ja.“

      Sie faltete die Hände auf ihrem Schoß zusammen. Aber die Angst wich nicht von ihr.

      „Ich spiele manchmal Stimmen ein, mit denen ich nichts anfangen kann. Vielleicht ist es jemand, der seine lebenden Verwandten anruft, die aber wissen nichts davon, weil sie keine Ahnung haben von den Tonbandstimmen. Zum Beispiel eine Kinderstimme: >was wär` ich geworden, wenn du mich geboren hättest?<“

      „Du meinst, eine Kinderstimme? Ein totes Kind spricht da?“ fragte sie und bekam eine Gänsehaut. „Ein Kind, das gar nicht erst geboren wurde? Oh Gott.“

      „Vermutlich ist es so. Die Mutter war schwanger und starb.“

      Sie rieb sich die Arme. „Und du weißt nicht, wer das Kind ist?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, ich hab nur die Stimme eingespielt.“

      Er trank einen Schluck Tee und stellte die Tasse wieder ab.

      „ Ich hab oft versucht, mit diesem Raudive Kontakt zu kriegen. Er ist neben Jürgenson der andere, der Tausende Stimmen katalogisiert und wissenschaftlich behandelt hat. Er sagte in einer Einspielung auf meine Frage, ob es nach dem Tode unsere Zeitbegriffe gibt, folgenden Satz: <Es ist vieles anders<.“

      Sie atmete tief durch, und hatte das Gefühl, in ihrem Kopf wirbelt alles durcheinander.

      „Oder manchmal eine junge Frauenstimme: < Ich will dir deinen Vater zeigen, Josua, hab Vertrauen>“.

      Sie nickte leicht, aber schaute ihn trotzdem fragend an.

      „Ich spiele dir erst mal ein paar andere Stimmen vor, damit du ein Gefühl dafür bekommst, nachher hörst du dann deine Schwester, o.k.?“

      „O.k.“ sagte sie etwas bange.

      Paul drehte an ein paar Knöpfen: „Du sagst mir, was du gehört hast.“

      „Sag du es mir vor….“

      „Nein, nein, das geht nicht, du selbst musst es hören. Die Hintergrundgeräusche sind sehr laut, sie müssen es sein, weil ich den Eingang auf die höchste Stufe stellen muss, lass dich nicht davon stören. Achtung!“

      Sie hörte ein Rauschen wie in einem Kino mit dem Dolby-surround-System.

      Dann plötzlich brach eine dunkle Männerstimme durch, und Klara hörte die Worte: >Such Welle – such Welle< wobei die Worte abgehackt und schnell klangen. Die Stimme war sehr gut hörbar, wirkte aber auf sie unheimlich. Sie zuckte erst einmal heftig zusammen.

      Er lächelte: „Und?“

      Sie

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