Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch

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Der Totenflüsterer - Dietmar Kottisch

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gemacht werden können. Raudive meint damit, dass es vielleicht für jeden Experimentator eine andere Radiowelle gibt, die ich noch suchen müsste. Aber ich habe meine Welle noch nicht gefunden und arbeite noch mit dem Mikrophon.“

      „ Und wer ist das jetzt gewesen? Wie heißt der Mann?“

      „Ich weiß es noch nicht. Jetzt hör bitte zu, die nächste Stimme.“

      Sie hörte ein dumpfes und nicht erklärbares Pfeifen im Hintergrund, dann plötzlich eine helle und singende Stimme: >Hier Esther.…..Paul will gute Tee.<

      Ihr Herz klopfte heftig. Diese weibliche Stimme klang so intensiv, als ob die Person im Raum wäre. „Esther…..“ sagte Klara und schaute Paul an, „und gute Tee. Wer ist das?“

      „Jeder kriegt eine Art Begleitperson von „drüben“ , die ihm behilflich ist. Ich hab dann auch mal nach so einer Kontaktperson gefragt, und es hat sich diese Esther sehr oft gemeldet. Vor zirka vier Jahren brach immer wieder diese schöne Frauenstimme durch. >Esther zeigt dir den Weg< sagte sie, oder sie nannte nur meinen Namen >Paul< >Paule< oder >Guten Abend Paule<. Mittlerweile kenne ich ihre Stimme genau. Ich hab dann gefragt, wo sie vor ihrem Tod einmal gewohnt hat.“

      „Und?“

      „Sie sagte: in Eltville am Rhein, Deutschland.“

      “Das gibt es nicht!…und Paul will gute Tee …., das ist ja so, als… schwebe sie über uns.“

      Sie umschlang ihre Arme. „Mir wird richtig kalt, mir läuft es den Rücken herunter, Paul.“

      Er legte den Zeigefinger erneut auf die Wiedergabetaste. „Was du jetzt hörst, ist fast typisch für alle Einspielungen, es hört sich an wie ein Männerchor, höre!“

      Erst kam das Rauschen, dann laute singende Bariton-Stimmen: >Wir sind daaaaaaaaaaa….< Die letzten Vokale klangen lang gezogen aus.

      „…wir sind da!“ sagte sie. Er legte seine Hand auf ihren Arm, über den sich eine Gänsehaut zog und streichelte ihn. Ihre Miene drückte jedoch noch immer Skepsis aus.

      „Wann kommt die Stimme von Sarah?“

      „Gleich.“

      Er drückte wieder auf Play. Eine schnelle, laute Stimme. >Mutter redet hier – e`Telefon<.

      „Wer war das?“

      „Meine Mutter…“ sagte er. Klara erstarrte.

      „Und jetzt wieder eine junge, helle Stimme. Hör bitte!“

      Aus dem Lautsprecher kamen schnelle, helle Worte: >Tobi …mir geht… .sehr gut<

      Paul sagte, dass er auch mit dieser Stimme nichts anfangen kann. Aber es ist eine paranormale Stimme wie die anderen auch.

      Und dann kam es unerwartet. Die Stimme klang so, als rufe jemand am Ende eines Tunnels, es war eine Jungmädchenstimme, und Klara hatte das Gefühl, jeden Augenblick zusammenzuklappen. Das lähmende und entsetzliche Gefühl kam von ganz unten und wurde immer größer.

      Sie hörte ringsherum nichts mehr.

      Sie schloss die Augen und sah ihre kleine Schwester vor sich.

      >Sarahhhhhhhhhhhh<, der Konsonant klang wie ein hin gehauchter Atem. Sie schüttelte den Kopf…“Nein, nein Paul, das ist … das kann nicht meine Schwester sein…“ Sie wehrte sich mit allen Kräften gegen das Gehörte, wollte es leugnen. Es mag Millionen Menschen mit dem Namen Sarah geben, dachte sie abwehrend! Paul sagte nichts, denn dann kam dieselbe Stimme noch einmal, und beide hörten anschließend das Wort >Äppli<. Er stellte das Gerät ab.

      „Wer oder was ist Äppli?“ fragte er und sah in ihr blasses Gesicht. Sie setzte sich ganz nah an ihn heran, verkrampfte ihre Hände im Schoß und starrte das Tonbandgerät an. Ihr Herz stolperte vor Erregung. Dann nahm sie seine linke Hand in ihre und drückte sie so fest zu, dass die Knöchel weiß wurden. Es war totenstill im Zimmer. Sie presste die Lippen zusammen, als wolle sie das nicht sagen, was sie sagen musste. Es war wie der stumme Schrei vor neunzehn Jahren, als sie erfuhr, dass Sarah ertrunken war. Mit einem Schlag traf sie die Erkenntnis, dass diese Stimmen real waren. Und dass diese wie aus weiter Ferne hin gehauchte Jungmädchenstimme die ihrer toten Schwester ist. Minuten des Schweigens vergingen.

      Er fragte noch einmal behutsam: „Liebling, was oder wer ist Äppli?“

      Dann drehte sie langsam den Kopf zu ihm. „Äppli war Sarahs erste zarte Liebe – mit dreizehn.“

      Das war genug an diesem Abend. Mehr konnte und wollte sie nicht hören, sie musste jetzt plötzlich alles, was sie bezweifelt hatte, in einem anderen Licht sehen. Die ganze Nacht hatte sie Schwierigkeiten einzuschlafen.

      Paul hatte versucht, sie in die Arme zu nehmen, aber sie hatte sich zurückgezogen, sie wollte mit diesem seltsamen Gefühl alleine sein.

      Immer wieder hörte sie diese hin gehauchte Stimme, diese Frage oder Mitteilung, dieses stille, hauchende Rufen aus weiter Ferne. Gegen vier Uhr fielen ihr die Augen zu, und sie begann in einen Dämmerzustand hinüberzugehen, einer Phase zwischen Wachen und Halbschlaf. Und auch da hörte sie ihre Schwester in immer wieder anderen Stimmlagen „Sarahhhhhh“ und „Äppli“ rufen. Gerne hätte sie ihren Mann geweckt, aber er musste früh aufstehen. Gegen halb fünf schlief sie ein.

      Am anderen Morgen spürte sie Pauls Mund an ihrer Wange. Er küsste sie und verließ die Wohnung, um in einen seiner drei Teeläden zu fahren.

      Gegen acht Uhr stand sie auf. Sofort waren ihre Gedanken wieder bei ihrer Schwester und der Stimme von gestern Abend. Sie fühlte sich wie gerädert, dann kamen Kopfschmerzen hinzu. Und in einer irren Phase dieses Morgens hatte sie das Gefühl, sie wäre nicht alleine in der Wohnung, Sarah wäre bei ihr. Sie kochte sich einen Tee, Hunger hatte sie keinen, die ganze Sache war ihr auf den Magen geschlagen. Während sie nach ihrer Teedose griff und einen Löffel Darjeeling für ihre Tasse herausschöpfte, dachte sie unwillkürlich daran, dass Sarah jetzt dreiunddreißig Jahre alt wäre, vielleicht wäre sie verheiratet oder wieder geschieden, vielleicht hätte sie Kinder, vielleicht wäre sie glücklich oder auch nicht. Es war wie ein Zwang, an Sarahs nicht-lang-gelebtes-Leben zu denken. Sie erinnerte sich an Bertolt Brecht aus dem Lesebuch für Städtebewohner „Wenn die Wunde nicht mehr schmerzt, schmerzt die Narbe“.

       2.

      Für den nächsten Abend hatten sich Lothar und Annemarie angemeldet.

      Lothar war für Klara der richtige Skeptiker, seine Frau Annemarie dachte schon eher in Richtung, alles kann möglich sein in dieser Welt. Auch sie nahm Hamlet als Beispiel, dass > es mehr Ding` im Himmel und auf Erden gibt, als eure Schulweisheit sich träumen lässt<. Klara fragte Paul, ob sie es den beiden mitteilen soll, was sie gestern Abend erfahren hatte, weil es unweigerlich immer wieder zum Thema Tonbandstimmen kam. Er sagte: „Das musst du selber wissen, wenn du davon überzeugt bist, Liebling.“

      „Überzeugt ist nicht der richtige Ausdruck. Ich hab zum ersten Mal solche Stimmen gehört, bin ziemlich aufgewühlt über Sarahs Stimme. Ich brauche viel Zeit, um wirklich - - na ja - - alles zu verinnerlichen.“

      „Klar, sprich drüber, wenn du willst.“

      Lothar

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