Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch

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Der Totenflüsterer - Dietmar Kottisch

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      „Ich weiß, ich weiß.“ Paul war sich der Aufgabe bewusst. Er würde Klara fragen, wo genau sie damals in der Schweiz Urlaub gemacht hatten.

      „ Sarah war ja nicht in einem Schweizer See ertrunken, sondern in einem der Kahler Seen hier in der Nähe. Die Familie war damals aus dem Urlaub zurückgekehrt und dann war es passiert. Vielleicht existieren Briefe, die Sarah an ihren jungen Geliebten geschrieben hatte oder umgekehrt.“

      Dieter brachte einen berechtigten Einwand. „Selbst wenn ihr ihn ausfindig machen solltet, wisst ihr noch nicht, was ihr ihm sagen könntet. He, deine junge Liebe vor neunzehn Jahren lässt dich grüßen – aus dem Jenseits! Ich hab mit ihr gesprochen!“

      „ Er könnte uns für bescheuert halten,“ lachte Irmgard.

      „Es muss also noch einen anderen Beweis für diesen Äppli geben als die Erinnerung deiner Frau, einen objektiveren Beweis.“

      „Woher kommt eigentlich dieses mehrsprachige Phänomen im Phänomen Tonbandstimmen?“ fragte Franziska, das Thema wechselnd.

      Paul zuckte mit den Schultern. „Wir wissen es noch nicht, aber es ist Fakt. Jürgenson und Raudive und andere hatten es auch. Aber ich vermute, dass sie sich durch diese ungewöhnlichen Antworten oder Botschaften als die zu erkennen geben, die sie sind, nämlich unsere jenseitigen Freunde. Wer redet denn im normalen Leben so? “

      Er trank einen Schluck Tee.

      „Wir müssen das alles streng objektiv-wissenschaftlich betrachten. Nur wenn wir alle Möglichkeiten der äußeren Beeinflussung ausschließen können, hat unsere These Gewicht,“ warf Reinhard ein.

      „Das ist gar nicht so einfach, wenn es Stimmen von unseren Verwandten sind, da spielen die Emotionen eine gewaltige Rolle,“ setzte die Sekretärin ihren Kommentar fort.

      „Deswegen ist Objektivität ungeheuer wichtig.“

      „Das Wertvolle an unserer Forschung ist, dass wir sie jederzeit vorführen können. Es gibt eine Menge von Fragen, aber eines steht fest: dass es Stimmen sind, dass sie von verstorbenen Menschen stammen und teilweise von unseren Verwandten, die sich bemühen, zu uns durchzudringen.“ Paul schaute in die Runde. Dann setzte er fort: „ Weil ich davon ausgehe, dass unsere Freunde drüben den Kontakt wollen.“

      Einige schauten ihn fragend an.

      „Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, alte Tonbänder genau abzuhören. Ich hatte damals in meinem Mansardenzimmer die Absicht, Geräusche aufzunehmen, weil ich ein Hörspiel machen wollte. Dabei klingelte das Telefon und meine damalige Verlobte Anne rief mich an. Ich vergaß, das Tonband abzustellen. So hatte ich ungewollt das ganze Gespräch aufgenommen. Wir lachten später darüber, weil ich meiner Verlobten mit einem Glas Wein zuprostete und sie in ihrer Wohnung ebenfalls eine Flasche Wein öffnete und mir zuprostete. Später holte ich das Band hervor und hörte es jetzt mit meinen geübten Ohren und dem paranormalen Verständnis erneut ab – und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn zwischen den einzelnen Stimmen und Geräuschen hörte ich eine Männerstimme, die auf einmal „prost Anne“ sagte – und dann „Suffkopp“.“

      Es folgte ein kollektives Grinsen.

      „Suffkopp – jetzt kommt`s raus,“ lachte Irmgard Kowalski Paul an.

      Paul spürte ein seltsames Gefühl, als er ihren Blick sah.

      „Das ist unglaublich…“ warf Dieter ein.

      Jochen setzte das Thema fort: „Wenn also die Verstorbenen seit je her den Kontakt zu den Lebenden suchten, so frage ich mich, was haben sie denn früher getan, als es noch kein Tonband gab und die Radiowellen noch nicht gefunden wurden, sondern erst achtzehnhundertfünfundachtzig bis achtzehnhundertneunundachtzig durch Heinrich Hertz?“

      „Ich denke, dass sie ein Medium benutzt haben,“ mutmaßte Paul.

      Nach einer Weile des Schweigens und Nachdenkens: „Sie warnen uns auch,“ sagte Franziska. „Vor drei Jahren hatte ich ein Erlebnis, dass ich jetzt noch eine Gänsehaut kriege, wenn ich daran denke. Ich hatte einen Mann aus Amsterdam kennen gelernt. Ich verliebte mich und dachte, der wäre es fürs Leben. Wir verbrachten erst ein paar herrliche Tage am Rhein, dann flog er zurück nach Amsterdam. Wir schrieben uns Briefe, telefonierten fast jeden Tag. Ich schwebte im siebten Himmel. Auch Jan sagte mir, dass er auf dem besten Weg sei, sich in mich zu verlieben. Es schien alles zum Besten.

      Natürlich „konsultierte“ ich auch meine Kontaktperson >Elli< . Und seltsamerweise erhielt ich nie eine Reaktion. In einigen Alltagsdingen helfen sie uns manchmal, beraten uns. Aber wenn ich den Namen Jan und Amsterdam erwähnte, kam nichts. Ich fand das seltsam, machte mir aber keine Gedanken mehr, weil ich mit meinen Gefühlen ganz oben schwebte und vielleicht auch nichts Negatives hören wollte.

      Dann verabredeten wir, dass ich im Juni siebenundsiebzig für einen Kurzurlaub nach Amsterdam kommen sollte. Ich buchte für den zweiten Juni einen Platz im ICE von Frankfurt nach Amsterdam-Centraal. Am einunddreißigsten Mai spielte ich auf das Tonband ein. Was ich hörte, gefiel mir gar nicht. Ich sagte zu >Elli<, dass ich nach Amsterdam fahren werde, und dann kam die Stimme > Zug nicht bitte Venlo <. Ich reagierte so, wie ich im Normalfall nie reagiert hätte: ich wollte die Stimme nicht wahrhaben. Ich dachte, das wäre jemand von >drüben<, der mich nicht meinen konnte; ich dachte, dass es nicht <Ellis> Stimme sein kann, vielleicht ist <Elli> noch für jemand anderen eine Kontaktperson und diese Botschaft bezog sich auf den anderen.

      Einen Tag vor meiner Abreise, es war der erste Juni, spielte ich wieder ein. Und ohne dass ich den Namen Jan oder Amsterdam aussprach, brach <Elli> sofort durch: > Zug nicht für Franzi.. Venlo <. Und da wusste ich, dass sämtliche Verdrängungen für mich gefährlich sein konnten. Ich erstarrte innerlich, ich war am Boden zerstört, weil ich es nicht fassen konnte. Ich wollte zu meinem Liebsten. Morgen früh um zehn Uhr sollte ich abfahren. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Es war aber eindeutig: meine Kontaktperson wollte, dass ich nicht in den Zug stieg! Ich war auch nicht in der Lage, Jan anzurufen. Was hätte ich ihm sagen sollen? Dass mich ein Geist gewarnt hat, in den Zug zu steigen? Er hätte mich ausgelacht. Über meine Tonbandstimmen haben wir nie gesprochen.“

      Franziska nahm einen Schluck Kaffee. Die anderen konnten schon ahnen, was passiert war, aber sie hörten mit Spannung zu. Solche Dinge sind im Laufe der Zeit nichts Außergewöhnliches mehr. Warnungen kommen manchmal von der anderen Seite.

      „Ich war wie gelähmt, saß am zweiten Juni in meinem Wohnzimmer, starrte auf das Telefon und hoffte, dass er nicht anrief, um mir eine gute Reise zu wünschen und sich freue, mich am Nachmittag in die Arme nehmen zu können. Mein Körper spielte verrückt. Magenschmerzen, Herzrasen, Zittern. Warum hat mich <Elli> gewarnt? Die Antwort war für mich eindeutig: ich sollte ihn aus irgendwelchen Gründen nicht treffen. Dann sah ich in meinen Gedanken: Unglück, der Mann taugt nichts, es sollte nicht sein, ich bin für einen anderen bestimmt, Vorbestimmung, Schicksal, Fatalismus, Kismet. Was man sich so alles einbildet. Ich wurde noch nervöser, als es zehn Uhr war. Ich hielt es in meiner Wohnung nicht mehr aus, also setzte ich mich ins Auto und fuhr in die Stadt, wollte mich ablenken, einkaufen, essen gehen, eine Freundin besuchen. Nur nicht an ihn und an die Bahnfahrt denken.

      Und dann sah ich gegen Mittag die Schlagzeile der Bild-Zeitung auf der Zeil:

      „Zugunglück bei Venlo. Der ICE 690 von Frankfurt nach Amsterdam sprang gegen 14 Uhr aus den Gleisen. Bisher wurden 10 Tote geborgen.“

      „ Mir wurde schwarz vor den Augen, und ich musste mich an einer

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