Jenseits von Oberhessen. Carola van Daxx
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Vielleicht ging er nachher noch auf einen Neujahrstrunk zu Tonja herüber. Lina wäre stinksauer, wenn sie das wüsste. Trotz aller Harmonie, so ganz koscher war die Beziehung der beiden Damen um Jan noch immer nicht. Eigentlich kein Wunder. Aber offiziell war man sich natürlich supergrün…
In dem Moment klingelte es an der Tür. Asta bellte freudig. Sie hatte den Besuch am Schritt erkannt. Es war Tonja mit einer Flasche Sekt. Aha, verfrühtes Anstoßen, dachte Jan. Na denn.
*
In Bad Salzhausen klingelte es auch, aber am Telefon. Es war Mama Siebenborn, die die Stimme ihrer Lina noch einmal im alten Jahr hören wollte: „Du bist doch nicht etwa alleine an Silvester? Wo ist denn Jan schon wieder? Ist er am Ende wieder krank?“ Das war das reinste Öl ins Feuer, was ohnehin schon brannte! Ja, da biss die Maus keinen Faden ab: Fast immer, wenn sie anrief, hieß es: Jan ist nicht da. Er braucht seine Ruhe. Hat viel zu tun. Muss malen, hat Stress, dem geht es gerade nicht so gut. Et cetera pp.
Aber Margot Siebenborn war nicht blond. Nein, sie war grauhaarig und somit schon ein paar Tage länger auf der Welt. Lange genug zumindest, um zu merken, dass hier der Fischkopp ganz schön zu stinken anfing, und zwar am Kopp…
Also, ganz im Ernst: Schön ist was anderes.
Der Sonne hinterher
Nach dem verkorksten Silvester befand Lina, dass sie dringend mal „vor die Haustüre“ musste. Ihr Café hatte praktischerweise drei Wochen Betriebsferien – und sie war ebenfalls urlaubsreif. Abstand gewinnen, den Kopf klar kriegen, das wäre wohl angesagt. Nein, sie musste es zähneknirschend zugeben: Es war nicht die beste aller Ideen gewesen, am Silvesterabend mehrfach in desolatem Zustand (um das Wort „sternhagelvoll“ in dem Zusammenhang zu vermeiden!) bei Jan anzurufen, um völlig hirnloses Zeug auf den Anrufbeantworter zu sprechen – wobei Sprechen nicht unbedingt die geeignete Beschreibung für ihre Verbalentgleisung sein konnte, es war wohl eher Labern mit schwerem Zungenschlag. Voll peinlich. Was genau der Inhalt des Lamentos war, konnte Lina nur noch anhand der um 3.17 Uhr (!!!) abgeschickten Frust-Email erahnen, die voller Beschimpfungen und Ausraster (und Rechtschreibfehler!) gewesen ist. Frei nach dem Motto: „Nie hast Du Zeit für mich, nie kann man was mit Dir anfangen, schon gar nicht an Wochenenden oder Feiertagen, unter der Woche aber auch nicht, da musst Du ja diese ganzen langhaarigen Weiber mit ihren noch längeren Beinen unterrichten – oder wie der Bosbach durch alle Talkshows tingeln. Außerdem hältst Du mich sowieso nur hin, im ganzen Leben heiraten wir doch nie mehr, nie hast Du auch nur einmal gesagt, dass Du gerne mit mir alt werden würdest, nie, nie nie. Und von Kindern auch kein Wort von Dir, wahrscheinlich kann ich mir das sowieso bald abschminken. Dann bin ich nämlich dummerweise zu alt zum Schwangerwerden…
Dabei wusste sie doch aus unzähligen Frauenzeitschriften, dass jeder Paartherapeut heutzutage vehement davon abriet, das Wort NIE in Verbindung mit Vorwürfen an den Partner auszusprechen. Vollkommen kontraproduktiv. Aber wer weiß das noch im vollen „Kopp“ – in einer einsamen Silvesternacht? Ein Wunder, dass die Endungen zumindest im Schriftlichen noch vorhanden waren. Die Aufzeichnungen von Jans Anrufbeantworter hätte Lina nicht hören mögen, nicht im nüchternen Zustand. Das musste schon ziemlich daneben gewesen sein.
Oh, oh… Seitdem war wieder mal Funkstille zwischen ihr und ihrem nicht angetrauten Jan. Keine schlechte Ausgangssituation, um mal schnell die Biege zu machen und das Weite zu suchen. Und am allerliebsten auch das Warme, zumindest in Form einer luxuriösen Hotelsauna, denn es war inzwischen doch „arschkalt“ geworden, was Lina gar nicht behagte. Auf einmal, kurz nach Weihnachten, hatte sich der Winter wohl doch noch daran erinnert, warum er eigentlich Winter heißt. Und was ihn von den anderen Jahreszeiten üblicherweise so unterscheidet.
Zumindest ein Kurzurlaub müsste irgendwie noch drin sein, hatte sie sich überlegt. Ihren ursprünglichen Plan, die Ostsee von Travemünde bis Swinemünde abzugrasen, ganz gemütlich mit dem Auto, sozusagen aufs Geratewohl und ohne die üblichen Touristenströme wie im Sommer, könnte sie sich jedoch abschminken. Dabei hätte es so schön sein können. Im Winter war es oben an der Küste am allerbesten, das wusste sie aus Erfahrung. Außerdem wären sie vielleicht noch bei seiner Mutter und ihrem netten Italiener in Hamburg vorbeigeschneit und auf einen Drink in ihrem Lieblingshotel an der Alster abgestiegen. Aber das war jetzt auch Geschichte, befürchtete Lina.
Bei Jan brauchte sie jetzt wohl nicht mehr anzukommen, schon gar nicht mit der einst noch in vollkommener Harmonie geschmiedeten Reiseidee. Er schmollte ja jetzt in Hochform und hatte ansonsten die Läden heruntergelassen, sinnbildlich. Aber allein würde sie auch nicht wegfahren, sie kannte sich. Also, musste Plan B her: Urlaub unter Freundinnen! Na klar, das war doch die Lösung. Ein Trip mit den Mädels, super!!! Wann hatten sie auch das letzte Mal so richtig Zeit miteinander verbracht? Ohne, dass eine von ihnen schon zu Beginn des Treffens auf die Uhr – oder noch schlimmer, das Smartphone – schaute, frei nach dem Motto: Ich bin jetzt schon im Stress, hab‘ eigentlich gar keine Minute Luft, nicht mal für ein Mädelsmeeting.
Lina sehnte sich schon seit Längerem danach, mal wieder richtig einen abzuquatschen, wie sie es nannte. Wäre doch super, so ein paar Tage (und Nächte!) im Kreise der legendären Flaggenmädels, wie sie sich aufgrund ihrer Haarfarben nannten, die mit viel Phantasie die Deutschlandflagge plus Fahnenstange darstellten: Susi (schwarz), Ines (rot), Lina (gold) und Marie-Anne (metallic-grau). Das unschlagbare Vierer-Team seit nunmehr über zwanzig Jahren - wohlgemerkt, lange, bevor irgendjemand an „Sex and the City“ auch nur gedacht haben konnte! Sowas musste einem erst einmal jemand nachmachen. Das war doch mehr, als so manche Beziehungskisten oder Ehen zeitlich auf die Reihe bekamen, fand Lina.
Aber in letzter Zeit war es sehr still geworden, manchmal dachte sie schon, das war’s bald mit der Vierer-Bande. Jede ging ihrer Wege, jede hatte ihr eigenes Päckchen zu tragen: Susi Lustig, die rasende Reporterin vom Hessenfunk, war tatsächlich nach ihrer Scheidung wieder superglücklich mit ihrem einstigen Ex-Mann Jochen, Marie-Anne kämpfte immer häufiger mit gesundheitlichen Problemen und musste in ihrem Fußpflege-Studio so manchen langen Arbeitstag unter Schmerzen ihre Frau stehen – und Ines war beruflich stark engagiert, sie hatte ja Linas stressigen Chefsekretärinnenjob „geerbt“ – und zu alldem auch noch eine ernsthafte Rund-um-die-Uhr-Beziehung, denn ihr Siegbert war Boss und Lover in Personalunion.
Keine der Flaggenmädels konnte sich also über Langeweile beklagen, am allerwenigsten Lina selbst. Doch gerade aus diesem Grunde war sie der Meinung, eine Auszeit täte doch allen gut.
Also haute sie Folgendes in die Tasten:
Hi Mädels,
erst einmal PROSIT NEUJAHR, Ihr Lieben. Für das Neue Jahr 2015 alles Liebe, viel Glück und was Ihr sonst noch so gebrauchen könnt. Ich hoffe, Ihr habt es gut angefangen. Auf die Umstände meines komplett verkorksten Silvesters will ich jetzt mal nicht näher eingehen, da müsste man erheblich mehr Zeit einplanen. Wobei ich auch schon beim Thema wäre: Was haltet Ihr von einem gemeinsamen Mädels-Kurzurlaub? Mal wieder so richtig schön ausgiebig über alles und jenes herziehen, ohne zeitliche Begrenzung und das ewige Schauen auf die Uhr? Es gibt doch Super-Angebote, Stichwort „Freundinnen-Wellness“ und so… Muss ja nicht gleich ganz weit weg sein. Also, ich hätte Zeit.
So ein verlängertes Wochenende wäre doch was für uns?
Rückmeldungen und Vorschläge werden gerne genommen, möglichst zeitnah. Planmäßig habe ich mein ansonsten heiß geliebtes Café bis einschließlich 19. Januar geschlossen. Betriebsferien!!! Warum, fragt Ihr? Weil ich es mir verdient habe…