Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

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Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk

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Kampf, da sie es noch immer nicht riskieren wollte, den Gegner mit dem Pfeilspeer zu töten.

      Leriana ließ sich in aufrechter Haltung auf den Meeresboden sinken und beobachtete den Feind, der sie nun langsam umkreiste. Die Begegnungen zwischen Dornfisch und Kiemenmensch waren selten und in der Regel kam einer von beiden dabei ums Leben. Meist war es der Fisch, der dabei den Kürzeren zog und, falls es eine Kommunikation zwischen den Dornfischen gab, nicht mehr von seiner Erfahrung berichten konnte. Für den Gegner war Leriana also eine unbekannte Größe und es machte ganz den Eindruck, als überlege der Raubfisch, was er von ihr zu halten habe.

      Leriana glaubte seine Gedanken förmlich zu hören. War die Beute fressbar? Höchstwahrscheinlich. War sie gefährlich? Möglicherweise. Auf einen Probehappen verzichten? Niemals.

      Der Dornfisch griff erneut und mit der für seine Art typischen Schnelligkeit an.

      Leriana stand still und schien es ihm leicht machen zu wollen. Der Räuber drehte sich ein wenig und seine Haltung verriet, dass er seine Beute nicht ins aufgerissene Maul nehmen, sondern mit dem Dorn aufspießen wollte.

      Sie konzentrierte sich und verdrängte die Panik, die in ihr aufkommen wollte. Im genau richtigen Moment stieß sie sich ab, glitt im Wasser nach oben und stieß mit dem stumpfen Ende des Speers zu. Sie traf genau jene Stelle, von der man musste, wie empfindlich ein Dornfisch dort war. Direkt über dem Maul und dem Ansatz des langen Dorns. Dort befanden sich das Schallorgan und ein großer Nervenknoten.

      Der Pfeilspeer traf diesen Punkt mit großer Wucht und wurde Leriana beinahe aus der Hand gerissen. Die Wirkung auf den Angreifer war beeindruckend.

      Er krümmte sich auf unglaubliche Weise und der gesamte Körper begann zu zucken. Der Raubfisch schien jede Kontrolle über seine Bewegungen verloren zu haben. Er torkelte zu Boden, stieß sich ab, sank wieder auf den Grund. Dann schoss er förmlich in die Höhe.

      Leriana sah mit verengten Augen zu, wie er erneut zuckte und dann mit hastigen Flossenschlägen davon schwamm, immer wieder unkontrolliert zuckend.

      Wahrscheinlich würde er sich von dem Schlag erholen, doch für den Augenblick hatte der Angreifer genug und zog sich zurück.

      Leriana machte sich wieder auf den Rückweg zur An-Nerriva. Sie war erleichtert, als der langgestreckte beige Rumpf vor ihr erschien.

      Koros und eine Reihe von Seemännern waren gerade dabei, das Ladegeschirr des kleinen Krans an dem Goldbrocken zu befestigen. Als der Steuermann sie sah, winkte er lächelnd. Das Wasser verzerrte seine Stimme ein wenig. „Wir haben Glück, Sanari Leriana. Es ist nur ein einzelner Klumpen, der lose auf dem Grund aufliegt.“

      „Lasst ihn liegen“, befahl sie zur Überraschung der anderen. „Ich habe eine weit wertvollere Fracht für uns entdeckt. Einen Kristallstock. Ungefähr zwei Tausendlängen von hier entfernt, in Richtung auf das Ufer.“

      Ihr Vater hatte die Worte vernommen. Er saß mit baumelnden Beinen in der offenen Luke und ließ sich nun ins Wasser gleiten. „Was sagst du da, Kind? Ein Kristallstock? Hier, in diesem flachen Gewässer.“

      „Und was für einer.“ Leriana schilderte, was sie entdeckt hatte und sah das gierige Aufleuchten in seinen Augen. „So einen Fund macht man nur selten, Vater. Doch wir müssen vorsichtig sein. Ich bin einem Dornfisch begegnet. Es könnte sich ein Schwarm in der Nähe befinden.“

      Inzwischen ließ sich auch Hochmagier Donberon ins Wasser sinken. „Ein ganzer Stock Blaukristall mit einer ungewöhnlich großen Zentralsäule? Kein Schwarm Dornfische darf uns davon abhalten, die Kristalle zu ernten. Sie sind zu wichtig. Für uns selbst und für den Handel.“

      Lerimont nickte und man sah die Zustimmung in den Gesichtern von Koros und den anderen Seemännern. Sie waren an den Gewinnen des Handelshauses Leri beteiligt, da der Handelsherr zu recht davon ausging, dass dies die Motivation steigere, sich für den Erfolg deines Geschäftes einzusetzen.

      Leriana deutete in Richtung der Mulde. „Drei Tausendlängen vom Ufer und die Tiefe beträgt dort kaum dreißig Längen. Noch weniger, da die Korallenbänke in die Höhe ragen.“

      Lerimont lächelte. „Du bist nun die Führerin des Schiffes und du entscheidest. Was ist dein Wille, Kind?“

      Leriana fand es ein wenig unpassend, dass der Vater sie, praktisch im gleichen Atemzug, als Schiffsführerin und als Kind ansprach, auch wenn dies den Tatsachen entsprach. Doch für den Vater würde sie stets das Kind bleiben, gleichgültig, in welchem Alter und in welcher Funktion sie sich befand. „Wir fahren aufgetaucht, ankern über der Mulde und ernten den Kristallstock.“

      Koros klatschte in die Hände, was innerhalb des Wassers eher gemächlich wirkte und einen dumpfen Laut verursachte. „Ihr habt Sanari Leriana gehört, Seemänner der An-Nerriva. Löst das Geschirr und dann alles an Bord. Wollos, betätige das Schallhorn. Drei unserer Männern sind noch draußen und sollen wissen, dass sie nun zum Schiff zurückkehren müssen.“

      Während das Ladegeschirr gelöst wurde, betätigte Wollos das Unterwasserschallhorn. Der seltsam quäkende Laut trug sehr weit und als alles Arbeitsgerät wieder an Bord war, trafen die anderen drei Schwimmer ein, deren Erkundungen erfolglos geblieben waren. Umso größer war deren Freude, als sie von Lerianas Entdeckung erfuhren.

      Die Antriebswelle wurde bemannt, die Anker eingeholt und dann ließ Leriana langsam Pressluft in die Ballasttanks blasen. Gemächlich stieg die An-Nerriva zur Oberfläche empor.

      Das Wasser reichte nun noch zur Hälfte der Bugverglasung und man konnte im oberen Teil die nahe Insel sehen. Leriana hatte nur selten festes Land betreten und sah neugierig hinüber. Ein langer weißer Sandstrand, gesäumt von üppigem Grün hoher Urwaldriesen. Im Hintergrund ragte die Spitze eines Berges auf. Zwischen der An-Nerriva und dem Ufer erstreckte sich das Wasser, aus dem an einigen Stellen Felsen aufragten.

      Die See war ruhig und es gab kaum Wellengang, was die Arbeiten sehr erleichtern würde. Der Himmel war klar. Gegen das Sonnenlicht hob sich kaum eine Wolke ab. In der Ferne war ein Schwarm von Vögeln zu sehen, die immer wieder auf das Wasser hinabstießen, um einen Fisch zu erbeuten.

      „Kurzarm“, befahl Leriana. „Langsame Fahrt voraus. Koros, achte mir auf die Felsklippen.“

      Dieser Anweisung hätte es bei dem erfahrenen Steuermann nicht bedurft und seine Bestätigung klang ein wenig beleidigt. „Selbstverständlich, Sanari.“

      Leriana hatte, wie alle Angehörigen des Wasservolkes, einen ausgezeichneten Orientierungssinn und dirigierte das alte Handelsschiff mühelos an die richtige Position. Als die beiden Anker auf den Grund sanken, versammelten sich alle um die offene Ladeluke in der Unterseite des Schiffes und starrten andächtig in die Mulde mit den Kristallen hinunter.

      „Es ist wahr“, seufzte Donberon, als habe er an Lerianas Schilderung gezweifelt. „Was für ein Fund. Welche Macht an Magie die Blaukristalle bedeuten, lässt sich kaum abschätzen.“

      „Seht euch nur die Größe der Mittelsäule an“, kam es von Koros. „Und dann die Blüte um sie herum. Die Händler werden sich um die Kristalle reißen.“

      „Erst müssen wir sie ernten“, brachte Lerimont in Erinnerung. „Und denkt daran, es ist nicht damit getan, die Säulen zu fällen.“

      Man wusste immer noch nicht, was diese Kristalle nun wirklich waren. Sicher war eigentlich nur, dass ihre äußere Struktur rein mineralisch war, jedoch der Kern in ihrem Inneren aus biologischem Material bestand. Das

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