Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk
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Doch in jedem Fall war sicher, dass das biologische Leben im Inneren der Kristalle starb, sobald die Säulen von der Kristallblüte getrennt wurden. Innerhalb weniger Stunden wurden die Kristalle dann stumpf und nutzlos. Wollte man ihre verschiedenen Fähigkeiten erhalten, so war man gezwungen, das biologische Innere aus ihnen zu entfernen, bevor es sich zu zersetzen begann. Es war keine besonders schwierige, aber eine sehr unangenehme Arbeit, denn das absterbende biologische Material stank bestialisch.
„Wir brauchen Kristallsägen, Kernzieher und Putzstöcke.“ Koros wies auf einzelne Seemänner und teilte sie ein. „Wenn der Handelsherr zustimmt, so werde ich die trennenden Schnitte vornehmen.“
Lerimont nickte. „Du hast die größte Erfahrung und sicherste Hand beim Trennen der Kristalle. Du wirst die Arbeit zum Erfolg führen, Koros.“
Kristalle ließen sich immer wieder finden, vor allem in tieferen Gewässern, doch immer in Bereichen, in die noch ein klein wenig Sonnenlicht einfiel. In der ewigen Finsternis der Tiefe schienen sie nicht zu gedeihen. Meist stieß man auf wesentlich kleinere Säulen. Es gab blauen und weißen Kristall. Der Weiße war ein hervorragender Lichtspeicher, doch nur der Blaue besaß die Fähigkeit, magische Kräfte zu verstärken. Er war daher vor allem bei jenen Völkern begehrt, die über eigene Magier verfügten. Sie alle waren auf jene Wenigen angewiesen, die in der Lage waren, die Kristallblüten zu finden und sie abzubauen. Hauptsächlich war dies das Wasservolk, doch es sollten im nördlichen Meer schwimmende Städte von Zwergen existieren, die in der Lage waren, mit Anzügen in die Tiefe zu tauchen, und die ebenfalls mit Kristall handelten. Ob es diese Wesen tatsächlich gab, wusste keiner der Antari zu sagen. Manche hielten die Zwerge der Meere für eine jener Geschichten, mit denen fremde Reisende gelegentlich gerne prahlten.
Auch Handelsherr Lerimont hatte schon Kristalle geerntet, doch jetzt, im hohen Alter, verfügten seine Hände nicht mehr über die Ruhe jüngerer Jahre. Auch die Sehkraft seiner Augen hatte nachgelassen. So war Koros die erste Wahl, wenn es darum ging, die Kristallsäulen abzutrennen und ohne Schaden zu bergen.
Die riesige An-Nerriva schwebte, von ihren Ankern gehalten, scheinbar reglos über der Mulde. Ihr Anblick würde wohl jeden Schwarm von Dornfischen von einem Angriff abhalten, denn die Jäger mussten das Unterwasserschiff für ein unbekanntes Ungetüm aus der Tiefe halten. Dennoch postierte Lerimont vorsichtshalber ein Dutzend Seemänner mit Pfeilspeeren rund um das begehrte Objekt, während Koros und drei Helfer hinabschwammen und sich an die Arbeit machten.
Der Steuermann begutachtete die Hauptsäule und die kleineren der Blüte, klopfte gegen das Kristall und lauschte dem hell singenden Laut, den dieser von sich gab. Schließlich nickte Koros zufrieden und markierte für jede der Säulen die Stelle, an welcher der Trennschnitt gesetzt werden musste.
Während sich die Säge durch die erste Säule fraß, bereitete Leriana die danach anfallenden Arbeiten vor. Zusätzliche Leinen wurden neben den Ketten des Ladegeschirrs angeschlagen, Kernzieher und Putzstöcke bereitgelegt. Die ganze Zeit sah Donberon den Vorbereitungen mit wachsender Nervosität zu. Unruhig knetete er die Finger und stieß immer wieder leise Seufzer hervor. Diese Unrast rief immer wieder belustigte oder auch verärgerte Blicke der Männer hervor, die Leriana zur Hand gingen.
„Vielleicht sollten wir das Schiff mit Wasser fluten“, schlug Donberon schließlich vor. „Das würde das Kristall schonen, wenn wir das Innere ausräumen.“
Der Magier wollte wohl kaum an Bord bleiben, wenn die biologische Masse aus dem Kern gekratzt wurde, denn der Gestank würde mörderisch sein. Leriana verstand die Erregung des Hochmagiers und lächelte besänftigend. „Meister Donberon, wir können das Schiff nicht fluten. Im Wasser würden sich die Duftstoffe der Zersetzung noch sehr viel schneller verbreiten.“
„Ein ungeheuerlich verlockender Gestank für Dornfische“, fügte ein Seemann hinzu. „So verlockend, dass sie nicht einmal die An-Nerriva von einem Angriff abhalten wird. Die Fressgier dieser Bestien ist ja nur zu bekannt.“
„Hm, ja, das ist sie wohl“, murmelte Donberon.
Leriana war versucht, ihm mitfühlend den Arm um die Schulter zu legen, doch sie wahrte den erforderlichen Respekt, auch wenn der Magier ihr im Augenblick wie ein hilfloses Kind vorkam. „Meister, wir alle wissen um die Bedeutung des Kristalls. Er wird unbeschadet an Bord gelangen und ich werde ihn persönlich säubern.“
Eigentlich hatte sie kein Verlangen danach, sich freiwillig dem Gestank auszusetzen, doch auf seltsame Weise fühlte sie sich verpflichtet, Donberon beizustehen. Immerhin war er ihr Mentor, hatte die Entwicklung ihrer magischen Gaben von Kindesbeinen an gefördert und ihr an diesem Tag die Befähigung zum Führen eines Schiffes zuerkannt.
„Du wirst es selber tun, Sanari Leriana?“, vergewisserte er sich.
Sie nickte ergeben. „Und ich werde kein Fitzelchen der biologischen Masse übersehen. Die Kristalle werden in reinstem Licht erstrahlen.“
Koros tauchte aus dem Wasser auf und schob den Kopf ins Innere des Schiffes. „Es ist so weit. Die zentrale Säule ist frei. Nun liegt es an dir, Sanari.“
Leriana drückte ihm das Bündel der Ketten und Gurte in die Hände. „Dann mache sie gut fest, Steuermann, und gib ein Zeichen, wenn alles bereit ist.“
Koros tauchte wieder hinab. Leriana sah die Gesichter der anderen Seemänner. „Wir ziehen die Säulen herauf und ich säubere sie. Verschließt eure Nasen und bringt mir eine Kiste für die Bio-Masse.“
Sie brachten rasch eine Kiste, die aus Metall gefertigt war und aus einem Handel mit den Landmenschen stammte. Man konnte sie luftdicht verschließen, was die Dauer der Geruchsbelästigung zeitlich begrenzen würde. Rasch wurden Nasenstöpsel aus Tang oder Stofffetzen improvisiert. Der Anblick der Männer, die sich auf diese Weise vor dem Gestank schützen wollten, ließ Leriana lächeln, dabei hoffte sie selbst inbrünstig, dass die Provisorien etwas Linderung brachten.
Die mittlere Kette klirrte leise.
Gemeinsam zogen sie die erste Säule an Bord und schwenkten sie über den festen Boden des Rumpfes. Rasch wurden Ketten und Leinen wieder ins Wasser hinabgelassen, während sich Leriana an das untere Ende der Säule kniete, eine rasche Bitte an die Götter der Meere schickte, was niemals schaden konnte, und dann den korkenzieherartigen Kernzieher ansetzte.
Schon breitete sich übler Gestank aus, der noch intensiver wurde, als sich das Gerät immer tiefer in den Kern der Säule fraß. Immer wieder zog Leriana es ein Stück zurück und holte so die gelöste Masse heraus, bevor sie mit weiteren Bewegungen tiefer drang.
Ein Seemann nahm die gelösten Fragmente mit angehaltenem Atem und stopfte sie in die Kiste, deren Deckel ein anderer sofort wieder verschloss.
Als der letzte Rest der biologischen Masse aus dem Kern gelöst war, nahm Leriana den Putzstock. Mit raschen Bewegungen rieb sie die Reste aus dem Inneren der nun hohlen Säule, säuberte den Schwamm und achtete akribisch darauf, auch nicht den kleinsten Rest zu übersehen.
Sie war gerade mit der ersten Säule fertig, als auch schon die zweite an Deck gehievt wurde.
Alle arbeiteten konzentriert und schnell und die Mühe war nicht vergebens. Schließlich lagen eine große und fünf kleinere Kristallsäulen in ihrem hellen blauen Schimmer im Inneren der An-Nerriva.
Hochmagier Donberon saß auf der größten und strich mit den Händen immer wieder