Anna und Jadwiga. T. D. Amrein
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„Wie Sie meinen.“
„Ja, danke. Auf Wiedersehen, Herr Professor.“
„Sie können jederzeit wiederkommen, falls Sie weitere Auskünfte wünschen.“
„Vielen Dank. Ich weiß das sehr zu schätzen!“
„Bitte, Herr Kommissar!“
Krüger verließ das Institut mit flauem Gefühl im Magen. Er hatte an einen sofort tödlichen Schuss gedacht. Ins Herz beispielsweise. Das könnte von unterhalb des Rippenbogens vielleicht noch möglich sein. Aber dass diese Kugel beim Austritt weder Schulterblätter noch Halswirbelsäule tangierte? Praktisch undenkbar.
Er vermied es lieber, sich die alternative Version genauer vorzustellen.
***
Natürlich hatte Nadja bei den polnischen Kollegen nicht nur über Anna Duda Material gesammelt. Sondern auch zu deren vermissten Kollegin, Jadwiga Grabowska. Dass sie damals verschwand, daran bestand kein Zweifel. Jedoch, ob sie sich irgendwo versteckte, ausgewandert oder verstorben war, ließ sich nicht mit Gewissheit feststellen. Die deutsche Polizei hatte auf Nachfrage des Elternpaares, das sie beschäftigt hatte, einige laue Versuche angestellt, um sie zu finden. Eher lapidar wurde schließlich festgestellt, dass Jadwiga das Land höchstwahrscheinlich verlassen habe. Die polnischen Behörden behaupteten ziemlich genau das Gegenteil. Anfangs wurde bei Leichenfunden die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es sich um die Gesuchte handeln könnte. Im Lauf der Jahre erloschen Erinnerung und Interesse an Jadwiga. In beiden Ländern. Eine logische Entwicklung angesichts der Zahl von jährlich neu verschwundenen Personen.
Was immerhin als neue Möglichkeit denkbar schien: Falls sich eine DNA-Probe gewinnen ließe, die in der Datenbank zu einem Treffer führen könnte. Dazu benötigte man jedoch nicht kontaminiertes Material. Am besten eine Blut- oder Gewebeprobe, die seinerzeit fachgerecht präpariert und archiviert wurde. Erschien bei einem jungen Mädchen äußerst unwahrscheinlich. Eine vage Hoffnung: Früher war es üblich, von Kindern eine Haarlocke aufzubewahren. Wenn beim Abschneiden mit einer stumpfen Schere einige Wurzeln mit ausgerissen wurden, könnte eine Analyse vielleicht gelingen. Als Plan B blieb die Untersuchung des Erbgutes von Geschwistern möglich. Das Eine wie das Andere müsste jedoch erst mal beigebracht werden können.
5. Kapitel
Matthias Ramstedt durchsuchte zum x-ten Mal seine Bleibe nach der Uhr, die er vor Jahren als eine Art Sprungprämie von einer reichen Witwe erhalten hatte. Für ein einziges Mal Sex! Ein Schlüsselerlebnis. Seit damals hatte er es nur mit "richtiger" Arbeit versucht, wenn es gar nicht mehr anders ging.
Seine Bleibe, als Wohnung konnte man es nicht wirklich bezeichnen, bildete ein ziemlich verlottertes Fabrikgebäude. Er hatte schon darin gelebt, bevor Lofts in Deutschland total trendy wurden. Die Hütte ließ sich im Winter kaum heizen und verwandelte sich im Sommer in einen Backofen. Dafür blieb die Miete symbolisch und es bestand keine Gefahr, dass sich ein vermögendes Hipster-Pärchen einzunisten versuchte. Leider war die Menge an Ritzen, Spalten sowie dunklen Ecken hinter vorstehenden Metallteilen, die eine solche Uhr zu schlucken vermochten, schier unbegrenzt. Dass er bereits einige andere vermisste Gegenstände wiederentdeckt hatte, blieb ein schwacher Trost. Die Uhr vervollständigte sein cooles Outfit optisch und mental in einer Weise, die ihn unwiderstehlich machte. Dabei drängte die Zeit. Matthias benötigte unbedingt eine neue, möglichst leistungsfähige Milchkuh. Diese selbstverständlich bloß intern verwendete Bezeichnung bezog sich nicht auf ein prächtiges Euter. Obwohl ihn sowas nicht wirklich gestört hätte. Das wichtigste Teil seines neuen Lieblings stellte ein möglichst dickes Bankkonto dar. Und sie sollte nicht besonders an der Knete hängen. Viel bedeutsamer im Leben war doch ein potenter, aufmerksamer Partner. Der bei ihr Saiten zum Klingen bringen konnte, deren Vorhandensein sie bisher noch nicht einmal geahnt hatte.
Hauptsächlich trieb sich Matthias auf der Suche an Orten herum, wo er eine Chance sah, sich einer locker zusammengewürfelten Gesellschaft anzuschließen. Manchmal ganz spontan, ab und zu gezielt, wenn er zuvor von einem entsprechenden Anlass gehört hatte. Irgendwelche Fotoshootings oder eine Cocktailparty im Freien, wo er unauffällig einsam wirkende Damen seiner Zielgruppe ansprechen konnte. Matthias besaß inzwischen einige Maßanzüge mit Zubehör, womit ihn seine früheren Opfer eingekleidet hatten, solange sie ihm wohlgesonnen gewesen waren. Die dienten ihm mittlerweile sozusagen als Jagdausrüstung. In der besseren Gesellschaft erkannte man einen feinen Zwirn auf Anhieb. Matthias brauchte bloß auf dazu passendes, neu wirkendes Schuhwerk zu achten. Gern genommen wurden auch gepflegte Hände mit sorgfältig geschnittenen Nägeln und zumindest Spuren eines professionellen Haarschnitts. Der Typ Aussteiger, dem man noch ansah, woher er in Wirklichkeit stammte. Als Berufe eigneten sich eher diffuse Angaben wie Künstler oder Architekt. Matthias kleckerte ab und zu einige Leinwände voll, über die man sich stundenlang unterhalten konnte. In fast jede Richtung. Wenn er einer völlig abstrusen Theorie offenbar beeindruckt zustimmte, dass er im Kern genau das hatte darstellen wollen, avancierte er rasch zum Liebling.
Sobald das Spiel die körperliche Ebene erreichte, war es meistens ohnehin geschafft. Da verfügte er tatsächlich über echtes Talent. Und, das musste man ihm lassen, Matthias war muskulös, gut trainiert und ausdauernd.
***
An diesem Tag fand in Konstanz eine geeignete Feier statt. Ein Jubiläum zur Instandsetzung eines Bodenseedampfers, wofür die Reichen in der Umgebung kräftig gespendet hatten. Zur Belohnung hatte man die Namen der Gönner auf einer großen Messingtafel eingraviert. Die inzwischen an einer für die Passagiere gut sichtbaren Stelle im Salon des Schiffes angebracht worden war. Auf der zweistündigen Rundfahrt wurde ein großzügiges Buffet angeboten, woran sich die geladenen Gäste ausgiebig bedienen konnten.
Matthias interessierte sich kaum für echte alte Dampfer. Aber er mochte die Stadt. Obwohl er eigentlich damit rechnen musste, dass sich hier jemand an ihn erinnerte. Zu klein, um sicher anonym zu bleiben. Immerhin hielten die abgehalfterten Weiber meistens die Klappe, weshalb die Beziehung geendet hatte. Eine gewisse Solidarität sorgte dafür, dass grundsätzlich vermutet wurde, er dürfte wohl ganz profan den Reizen einer Jüngeren erlegen sein.
Das Wetter spielte heute mit: blauer Himmel, angenehme 25 Grad, schulterfreie Kleider. Diamanten und edles Metall glitzerten auf großzügigen Dekolletees. Man reihte sich langsam ein, um auf das Schiff zu gelangen. Für Matthias der Moment, einen ersten Versuch zu starten.
Eine gelangweilt wirkende Wasserstoffblondine mit goldbestickter Minihandtasche erregte seine Aufmerksamkeit. Sie sah sich regelmäßig um und wirkte unentschlossen, wohin sie sich wenden sollte. Er schätzte sie auf Mitte fünfzig, obwohl ihr knappes Kleidchen eher an einen unbedarften Backfisch erinnerte. Sie fühlte sich offenbar unbeobachtet. Auf jeden Fall genehmigte sie sich einen raschen Schluck aus einem silbern glänzenden Flachmann, bevor sie sich in Bewegung setzte. Im Gehen zupfte sie immer wieder ihren Fummel zurecht, der augenscheinlich nicht für Spaziergänge gedacht war. Genauso wenig wie die Schuhe. Matthias sah ihr hinterher, bis sie einen akzeptablen Vorsprung gewonnen hatte, und folgte ihr dann vorsichtig.
Schon nach wenigen hundert Metern blieb sie neben einem weißen Sportwagen stehen. Matthias konnte zwar nicht genau feststellen, ob sie bloß eine Pause einlegte oder ob das Fahrzeug tatsächlich ihr Ziel war. Jedoch das laute Zuschlagen einer Wagentür und eine kurz darauf aufsteigende Rauchwolke sprach dafür, dass sie wohl ihre Zigaretten im Auto vergessen hatte. An sich nicht weiter wichtig. Außer, man wollte herausfinden, wer die Dame war und ob sie vermögend sein könnte, so wie es Matthias vorhatte. Er überquerte die Straße, um ihr nicht direkt zu