Es war einmal .... Dietrich Novak
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Manfred Hoger überreichte ihr einen eingetüteten Zettel, auf dem in Druckbuchstaben stand: „Diese Prinzessin wird keine hundert Jahre schlafen. So viel ist sicher.“ Weiter unten gab es einen Nachsatz: „Die Nächste wird weniger leicht zu finden sein. Deshalb ist Eile geboten, bevor ihr die Luft ausgeht.“
»In ihrer Tasche hatte das Mädchen einen Apfel in einem rechteckigen Glasgefäß mit Deckel. Also offensichtlich Hinweise auf die Märchenfiguren Dornröschen und Schneewittchen.«
»Hilfe, nicht schon wieder so ein kranker Spinner!«, rief Valerie entsetzt aus. »Aber ich muss dir Recht geben. Die Dornen und die Spritze, die wohl als Ersatz für die Spindel dient … Allerdings hat Dornröschen nicht in den Dornen gelegen, sondern dahinter. Und der Glasbehälter mit dem Apfel steht wohl für Schneewittchens Glassarg. Demnach hat er das zweite Opfer auch am Leben gelassen. Nur wo kann man unbemerkt einen Glassarg aufbauen? Wohl kaum in der Öffentlichkeit. Eher auf einem Privatgrundstück. Die Chance, das Mädchen noch rechtzeitig zu finden, dürfte gleich null sein. Oder wie lange reicht der Sauerstoff in solch einem Behälter?«
»Zusammen mit dem ausgeatmeten Kohlendioxid wohl kaum länger als ein bis zwei Stunden«, mutmaßte Hoger. »Es sei denn, das Opfer ist derart betäubt, dass die Atmung und der Stoffwechsel deutlich verlangsamt sind.«
»Mist. Wie sollen wir in so kurzer Zeit den Standort finden?«, fragte Valerie. »Gibt es keinen weiteren Hinweis?«
»Die junge Frau trug zwei Ausdrucke von Fotografien bei sich. Zumindest der eine erinnert an verlassene Orte in Berlin, von denen es, seit die Treuhand aktiv war, reichlich gibt.«
»Das Thema hatten wir gerade auf der Fahrt hierher«, sagte Valerie. »Die Wende hat nicht nur Positives gebracht.«
Manfred zeigte die Ausdrucke in die Runde. Auf dem ersten sah man eine Art Ballsaal mit Rundbogenfenstern und abblätternder Wandfarbe beziehungsweise hellblau gerahmten Kassetten auf der halbhohen, gelben Wandtäfelung.
»Das Foto kenne ich«, sagte Kevin Heller. »Der Saal gehört zum „Riviera“, dem ehemaligen Ballhaus Grünau, das aus dem „Riviera“ und dem „Gesellschaftshaus“ bestand. Dort haben ganze Generationen gefeiert. Es gab sogar einen eigenen Anlegesteg. 1991 wurden beide denkmalgeschützten Häuser geschlossen und von der Treuhand verwaltet. Ein halbes Dutzend Investoren kamen und gingen. Seitdem verfällt alles.«
»Da fragt man sich, wozu es überhaupt den Denkmalschutz gibt«, sagte Valerie. »Das ist wirklich ein Skandal. Und das andere Foto, wo ist das?«
»Dabei handelt es sich um das ehemalige Stadtbad Lichtenberg«, meinte Tamara Liebscher. »Das Foto täuscht, weil der Raum mit dem Kaltwasserbecken völlig intakt aussieht. In Wahrheit verfällt auch dort alles. Das 1928 eröffnete Bad wurde 1991 geschlossen, weil die Sanierung zu teuer geworden wäre. 2012 wurde abermals ein neuer Förderverein gegründet. Seitdem sind Begehungen möglich. Jetzt sucht man wieder verstärkt nach Investoren. Auch eine kulturelle Zwischennutzung ist im Gespräch.«
»Da spielt doch einer mit uns Katz und Maus«, ereiferte sich Hinnerk. »Sollen wir jetzt „Ene, mene, muh“ machen, um den eventuellen Fundort zu finden?«
»Wir könnten uns aufteilen«, sagte Kevin.
»Ich überlege gerade, wo ein Glassarg besser hinpassen würde«, meinte Valerie. »Ich denke, in das Schwimmbad.«
»Da müssten Sie in die Atzpodienstraße in Lichtenberg fahren. Die Hausnummer ist die 6«, sagte Kevin. »Das dürfte von hier aus etwa eine Viertelstunde sein. Nach Grünau sind es eher vierzig Minuten. Das Gebäudeensemble liegt an der Regattastraße im Bezirk Treptow-Köpenick.«
»Ach du lieber Himmel, da haben wir unlängst eine Art Sekte ausgehoben*«, rief Valerie aus.
»Komm, lass uns das machen«, sagte Tamara. »Wir kennen uns da besser aus. Lass die beiden nach Lichtenberg fahren.«
* siehe „Böse Mächte“ Band 9
»Danke. Geben Sie uns einen von Ihren Beamten mit?«, fragte Valerie.
»Ja, natürlich. Wendland, Sie folgen uns bitte mit dem Streifenwagen, und Sie, Richter, begleiten die Hauptkommissare.«
»Dann kümmern wir uns jetzt weiter um etwaige Spuren«, sagte Manfred Hoger. »Kein leichtes Unterfangen bei dem Dornengestrüpp. Aber ich habe schon einen Fußabdruck in lockerer Erde ausgemacht. Schuhgröße in etwa dreiundvierzig. Der Sohle nach ein Sportschuh oder Sneaker. Das passt also.«
»Hatte die junge Frau keine Papiere bei sich?«
»Nein. Die wird man ihr wohl abgenommen haben.«
»Gut, wir müssen dann los. Vielleicht können wir das zweite Opfer noch retten. Wir erwarten dann deinen Bericht.«
»Okay. Viel Glück.«
»Und wir bleiben telefonisch in Verbindung, Frau Liebscher, Herr Heller, Herr Wendland …«
»So machen wir’s. Mal sehen, wer zuerst etwas findet. Viel Hoffnung habe ich allerdings nicht.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, witzelte Valerie. »Macht’s gut, Kollegen!«
Bei der Apotzienstraße handelte es sich um eine ruhige Seitenstraße, zum Teil mit Parkbuchten. Keine schlechte Voraussetzung für einen Transport der besonderen Art. Nachts würde davon kaum jemand etwas mitbekommen. Das Gebäude des ehemaligen Schwimmbades war schmutzig grau und wies verbarrikadierte Fenster und zugemauerte Türen auf. Nur im mittleren Eingang gab es eine behelfsmäßige Eisentür – wohl für die Besichtigungen –, die jedoch fest verschlossen war.
»Das ist alles sicher«, sagte Polizeimeister Richter. »Soll ich noch ein weiteres Mal um das Gebäude herumgehen?«
»Ich denke, das können wir uns sparen. Ich habe nicht das kleinste Schlupfloch entdeckt«, sagte Hinnerk.
»Das war wohl nix«, meinte Valerie. »Das ist alles so hermetisch abgeriegelt …«
»Was hast du erwartet? Eine aufgebrochene Tür am Seiteneingang oder im Keller?«
»Ja, warum nicht? Irgendwie muss er doch hereingekommen sein.«
»Dann steht der Sarg vielleicht doch in dem Ballhaus, wenn überhaupt. Wer sagt uns eigentlich, dass die Ankündigung für heute Nacht gilt?«, meinte Hinnerk. »Es dürfte schwierig genug sein, sich innerhalb weniger Stunden zweier Opfer zu entledigen. Noch dazu mit einem so heiklen Objekt wie einem Glassarg. Ich denke, die Inszenierung erfolgt erst in den nächsten Tagen.«
»Kann sein. Und was machen wir jetzt? Das Gebäude rund um die Uhr bewachen lassen?«
»Das dürfte sich nur auf einen vagen Verdacht hin als äußerst schwierig gestalten. Alles, was wir vielleicht durchkriegen, ist, dass die Direktion 1 öfter in den Nächten einen Funkwagen vorbeischickt. Aber noch besteht ja die Möglichkeit, dass die Kollegen in Grünau etwas finden. Ich rufe gleich mal an.«
»Warte noch einen Moment. Die hatten einen viel längeren Weg. Vielleicht melden sie sich auch von sich aus.«
»Und was machen wir in der Zwischenzeit?