Shira und Paul der Mahner. Helmut Lauschke

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Shira und Paul der Mahner - Helmut Lauschke

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nicht verlieren, wenn es nach vorn und weiter mit uns gehen soll.

      Shira. Weitergehen muss es, sonst sind wir hier am Ende, es wäre fatal, denn auch wir ersehnen die Wende, ich meine die Freiheit, dass die Kinder ihre Mahlzeit bekommen und wieder zur Schule gehen, um zu lernen.

      Paul. Ja, die Kinder sollen lernen und besonders das, was wir verlernt oder versäumt haben zu lernen, ich denke da an das Zuhören mit der Fähigkeit zur Toleranz. Wie anders säh es aus in dieser Welt, wenn wir gelernt hätten, dass auch andere Traditionen und Kulturen ihre positiven und schöpferischen Bildungswerte haben.

      Shira. Doch wir wurden vertrieben durch die Gewalt jener, deren Kulturen der eigenen dazu noch verwandt sind, ich meine Menschen, deren Sprache um Dialektbreite sich von der unsrigen nicht so weit unterscheidet.

      Paul. Ich verstehe den Einwand und fühle die Trauer, die Toleranz liegt vor der Mauer mit Menschen jung und alt, sie wurden gefoltert und ermordet, denen Wert und Würde auf barbarischste Weise geraubt wurden. Darunter sind die Brüder des Glaubens, was sich für uns nicht fassen lässt.

      Shira. Die alten Menschen können es nicht fassen, die mit den Besetzern, den Folterern und Mördern in dieselbe Schule gingen und sich dem selben Glauben täglich hingaben und sich opferbereit darin übten.

      Paul. Das macht die Sache umso schwerer, schneidet aufs Schmerzlichste ins eigene Leben, dessen Schicksale sich in diesem Lager pferchen mit dem Hunger, der Verlorenheit und Krankheit. Was ich damit sagen will, es fehlt das Licht, das die Hoffnung auf Freiheit in unsere Herzen leuchtet.

      Shira. Das ist das Licht zur tiefinnersten Belebung.

      Paul. Ja, das Licht, das dem Elend seine Grenzen setzt, das den Menschen aus der Not befreit und ihm zurückgibt, was ihn als Menschen auszeichnet, es ist die Rückgabe der Würde zum Leben, was nur mit dem Respekt und der Rückgabe der Freiheit erfolgen kann. Kritische Zeiten hat es gegeben, solange es das Volk gibt, doch diese Krise geht über die Grenze hinaus, wenn unsere Kulturgüter als Mahnmale unserer Herkunft, Geschichte und Schöpfung zerschmettert und zerschossen werden. Da geht’s an die Wurzeln des Volkes, ohne die es kein begründetes Weiterleben der Generationen gibt.

      Shira. Der Drang zur Befreiung ist groß, und er wächst weiter von Tag zu Tag.

      Paul. Doch mit der Magerkeit der Menschen schwindet die Kraft, der Unmenschlichkeit zu widerstehen und die Befreiung zu erzwingen.

      Shira. Und keiner weiß, wie lange es noch dauern wird, dass uns das Lager gefangen hält, das Trinkwasser salzig ist und uns der Hunger quält und bis zum Skelett abmagert, dass die letzte Hoffnung schwindet und selbst den Kindern den Atem für ihr junges Leben nimmt.

      Paul. Doch trotz allem, wir müssen uns üben in der Geduld. Sieh in das Schwarz der Wolken, sieh, wie Stadt und Dörfer brennen, stell dir die Qualen der Menschen vor, die es dabei trifft, denk dir, was wäre, wenn es dich und deine Kinder träfe.

      Shira. Als würde Babylon brennen, tiefschwarz ziehen die Schwaden übers Land und verzehren das Leben bis zum jüngsten Spross.

      Paul. Das Prinzip der verbrannten Erde ist so alt wie die Menschheit ist, als sie das Feuermachen erfand. Dass wir es sind, die es nun trifft, das ist der Wahn der Zeit, dem wir nicht entfliehen können. Hört, die Granaten zischen übers Lager, sie schlagen ein, was weit nicht ist. Da kann der Jammer einen schon erschlagen.

       Zweiter Auftritt

      Auf der Flucht

      Machmud. Die Füße, sie tragen uns weg aus unsrer Stadt.

      Achmed. An den Seiten der durchlöcherten Straße liegen die Körper, die es weiter nicht schafften.

      Machmud. Sie zu begraben, dazu fehlt die Zeit.

      Beide. Denn geschossen wird aus vollen Rohren, versteckt und in Not wurde neues Leben geboren. Vielen fehlt das Wasser und die Kraft, das Leben zu halten, den letzten Dienst des Abschiednehmens noch zu tun.

      Achmed. Uns brennt der Schmerz unter den Füßen.

      Machmud. Und in den Köpfen klopft und bohrt die Angst.

      Chor (unsichtbar). Wir ziehen in Kolonnen bei Tag und bei Nacht und wissen nicht, wohin können wir die erschöpften Körper legen. Das, was uns geblieben ist, das tragen wir auf der Haut, und der Schweiß tropft vor der letzten Trockenheit.

      Sirna. Die Beine werden schwach auf dem langen Marsch, die Frage ist, wie lange werden sie uns noch tragen. Kinder gibt’s, die erschöpft am Straßenrand liegen, weil die Mütter mehr als zwei nicht tragen können. Schwer lasten die Leiden und schwerer die Verluste, es schluchzen die Stimmen dem Zeitenlauf entgegen.

      Machmud. Sand schlägt hart in die Gesichter, dass die Augen im Schmerz erblinden. Ringsum reihen sich die Trichter, in deren Tiefen wir die Toten finden.

      Achmed. Nicht nur in den Füßen brennt der Schmerz, es brennt die ganze Stadt mit unserm Herz. Es brennt und bombt und donnert Tag und Nacht, Dächer stürzen brennend von den Wänden. Was soll an den Enden dann noch stehn?

      Machmud. So wachsen Angst und Sorgen über den Morgen. Dabei zerschlägt auch das, was Generationen bauten und schafften, denn wer soll die Verantwortung weiter tragen, wenn es keinen gibt, der davon etwas versteht.

      Achmed. Die Eintracht in den Jahren ist zerrissen, wertlos zu einem Tuchfetzen zerbissen. Dächer krachen, fliegen durch die Stadt, Mord und Tod hausieren und werden nicht satt.

      Sirna. Was wir in den Köpfen mit uns tragen, sind Schmerz und Trauer und die vielen Fragen. Was wir in den Händen halten, wird den Tag nicht überdauern, wenn das Wasser fehlt und die Schwäche uns befällt, wenn Kinder aus letzter Kraft den langen Weg uns folgen. Möge der Herrgott in seiner Gnade bewirken, dass es das junge Leben bis ans Ende schafft.

      Machmud. Der Tag geht zur Neige, ich blicke auf, dass uns der große Führer zeige, wo wir die Nacht verbringen können ohne Mord und Tod. Denn die Menschen sind erschöpft vom schweren Marsch, dass sie das Ruhelager für paar Stunden brauchen.

      Sirna. Die Finger krampfen im Schmerz von Hunger und Durst, die Füße haben sich wund gelaufen.

      Achmed. Was gestern war, es zählt nicht mehr, zerschossen liegen Haus und Gut in Trümmern.

      Sirna. Mit den Alten, die sich nicht wehren konnten, mit dem Lehrer, dem wir so vieles verdanken.

      Machmud. Zerschossen mit den Werken bleibt zurück, was unsere Erinnerungen zeitlebens füllt.

      Achmed. Darunter sind Freundschaften von Kindesjahren an, von denen viele ihr Leben verloren.

      Sirna. Die ersten Sterne ziehen auf, und wir sehnen uns nach einem Platz der Ruhe.

      Machmud. Wir brauchen die Ruhe für die Nacht.

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