Shira und Paul der Mahner. Helmut Lauschke

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Shira und Paul der Mahner - Helmut Lauschke

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hohe Tugend, die zu erlangen nicht jedem gegeben ist. Denn um bescheiden zu sein, bedarf es der Bildung, die über das gewöhnliche Maß doch hinausgeht. Selbst Menschen meines Alters sind wenige, die mit dieser Tugend zum Wohle der Menschen gesegnet sind. Und die Zeiten nehmen an Gewalt und Härte zu, dass sie diese Milde nicht mehr wahrnehmen.

      Sirna. So kommt selbst die Bescheidenheit einem Wunder näher.

      Tarek. Du kannst sagen, sie kommt einem Wunder gleich.

      Sirna. Und dieses Wunder ist kein kleines mehr.

      Tarek. Dass zu erfahren schon ein großes ist. Darin, ich meine im Wunderbaren, haben sich die Zeiten zum Nachteil der Menschen verändert. Die Armut, die es auch früher gab, hat sich weit auf die Seelen ausgedehnt und sich ihrer bemächtigt, dass die Herzen hart, so steinhart geworden sind.

      Sirna. So behüte mich Gott, er ist der Menschen Schöpfer, dass mein Herz die Milde weder verachtet noch verwirft, dass meine Hände helfende Hände sind für Menschen, die der Hilfe im Leben so dringend bedürfen.

      Tarek. Mein Kind, du hattest schon immer ein weiches Herz, wofür dir die Menschen dankten und weiter danken werden.

      Paul. Welch ein Zufall, welch ein Tag, dass ich dich hier wieder treffe, den guten Lehrer der großen Schule, aus der die guten Schüler kommen und als Ärzte und Anwälte den Menschen dienen.

      Tarek. Ja, es ist ein Zufall, denn lange hab ich dich nicht gesehen und habe mir doch Sorgen um dich gemacht.

      Paul. Sorgen solltest du dir meinetwegen nicht machen, das Leben hat mich weise bis hierher geführt.

      Tarek. Du meinst, weise, weil du am Leben bist und dir kein Geschoss durch Arm oder Bein gejagt wurde. Auch sind dir die Wangen nicht eingefallen wie den vielen, die sich auf den Weg gemacht haben.

      Paul. Es ist der Weg in die Ungewissheit, vor der sich nicht nur die Menschen fürchten, sondern auch die Tiere, die uns tragen und begleiten, denn auch sie dürsten nach dem klaren Wasser.

      Tarek. Doch die Esel sind an größere Gewichte gewöhnt mit den Säcken von Kleidern und von Mais, die sie auf dem Weg in die Ungewissheit tragen.

      Paul. Und wir uns dabei fragen, ob es Sinn hat mit den Kleidern, wenn wir nicht wissen, ob wir sie noch einmal tragen werden.

      Tarek. Wenn wir sie nicht tragen, dann werden es die andern tun und das mit nicht geringerem Stolz. Denn teure Kleidung steht auch armen Menschen gut, die sich solche Stücke bislang nicht leisten konnten.

      Paul. Was die Zeit uns bringt, ist das Mehr an Gleichheit, wir haben Haus und Gut verloren, was unsere Väter und Vorväter erarbeitet und aufgebaut haben. Wir sind besitzlose Bettler geworden und retten unsere Haut mit Kopf und Kragen.

      Tarek. Und das Mehr an Gleichheit bezieht sich auf den Stand der Bettler.

      Paul. Ja, auf jene mit dem letzten Hemd und den leeren Händen, denn in der Besitzlosigkeit gleichen sich die Menschen am meisten, da geht es bis zur letzten Notdurft gemeinsam und ohne Neid.

      Tarek. Doch der Schmerz in der Besitzlosigkeit ist verschieden, die einst Wohlhabenden empfinden die besitzlose Gleichheit schmerzhafter als die, die schon vorher nur wenig oder nichts hatten.

      Paul. Doch was denkst du von den Händen der Menschen?

      Tarek. Da geb ich dir recht, wo sich die großen Hände von den kleinen unterscheiden, was der Gleichheit widerspricht.

      Paul. Und die Ungleichheit wird noch stärker, wenn die Hände sich zu Schalen formen und in Bettelmanier gestreckt uns entgegengehalten werden, um gefüllt zu werden mit Dingen die nötig sind, wenn es den Hunger und den Durst betrifft.

      Tarek. Da kleine Menschen auch große Hände und große Menschen kleine Hände haben können, treten bei der Verteilung die Ungleichheiten auf, die als ungerecht empfunden werden.

      Paul. Die Hände lassen sich weder verkleinern noch vergrößern, wenn vom Wachstum kindlicher Hände abgesehen wird. Du siehst, mein Freund, wie die Form mit dem Format die Gleichheit durcheinander bringt, wenn es um die Hände geht.

      Tarek. Und wie ist es mit den Köpfen, die sich in Form und Größe unterscheiden?

      Paul. Der Kopf ist ein besonderer Behälter, der das Gehirn zum Inhalt hat, während die Hand nur Muskeln und Sehnen zu den Fingern führt. Was ich damit sagen will, ist, dass im Kopf die Gedanken entwickelt und der Wille formiert werden, während Muskeln und Sehnen der Hand die Finger in Bewegung setzen, wie es das Hirn schaltet und befiehlt.

      Tarek. Dann sind es die Bewegungsabläufe, durch die und in denen sich die eine Hand von der anderen unterscheidet.

      Paul. Und was für die Hände gilt, gilt nicht weniger für die Füße, denn im Gang unterscheidet sich der eine Mensch vom andern, und das im Tempo und der Art des Zusammenspiels der Muskeln im Bewegungsverlauf.

      Tarek. Auf großem Fuße leben, bleibt hier eine Illusion, die bei Tage betrachtet den größeren Eindruck hinterlässt.

      Paul. Es zählt nicht mehr das zu tragende Gewicht, es sei denn das Kind und die alte Mutter, die den Weg auf eigenen Füßen nicht schaffen. Da wird die Ungleichheit zur Menschlichkeit, wird Ausdruck der tätigen Liebe am Nächsten. Und auf diese Tätigkeit kommt es an, die im tiefsten Sinne auf dem Glauben beruht, dass das Leben, ohne dem andern zu helfen, wertlos und ein vergeudetes Leben ist.

      Tarek. So sprach auch Sirna, die das Wunder erlebte, dass auf dem langen und steinigen Weg ein freundlicher Mann den kleinen erschöpften Izmir auf seine Schultern setzte und bis zum Lager trug, wo er ihm noch die Flasche Wasser gab.

      Paul. Das ist, was ich meine, edel sei der Mensch und gut, wenn das Leben Sinn und Wert bekommen soll. Denn ohne diese Güte sitzt der Teufel uns im Nacken, den loszuwerden viele und meist junge Leben fordert und das Leben der Unschuldigen kostet und verschlingt. Darum halt ich es den Lehrern vor, nicht nur das Wissen, sondern auch die Güte der Herzensbildung zu vermitteln, denn das Wissen von den Dingen reicht nicht aus, um einen guten Menschen heranzubilden, der seinem Nächsten eine Hilfe ist, wenn er sie braucht.

      Tarek. Es leuchtet ein und gibt ein helles Licht, was du über die Bildung sagst. Doch wo sind die Schulen und die Lehrer, die solch eine Bildung vermitteln?

      Paul. Hier im Lager findest du schnell die Menschen, die durch eine solche Schule gegangen sind. Sie sind zwar oft armselig gekleidet, doch wenn sie sprechen und handeln, dann strömt ein Reichtum aus ihren Herzen, was Menschen aus deren Not heraushilft und ihnen das Leben leichter macht und Leben rettet und den Tag mit der schweren Bürde erträglicher macht.

      Tarek. Diesen Menschen zu danken, das soll uns im Verständnis der Dinge dann auch selbstverständlich sein, denn die Werte ihrer Menschlichkeit sind doch unbezahlbar. Es ist ihre Selbstlosigkeit, die einem Wunder gleicht, dem sich Menschen unserer Zeit weit entfernt haben.

      Paul. Ja, die Menschen sind’s, die Not und Freude bringen,

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