Von den Göttern verlassen IV. Sabina S. Schneider

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Von den Göttern verlassen IV - Sabina S. Schneider

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Stadt!

      Sie hatten endlich eine Stadt erreicht.

      Niedrige Holzzäune umringten einstöckige Häuser, deren Dächer mit Stroh gedeckt waren. Jedes Häuschen hatte einen Blumengarten vor der Tür und ein Gemüsebeet im Hinterhof. In dem Hof eingezäunt standen mal Ziegen, mal Hühner. Manchmal auch eine Kuh oder ein paar Schweine.

      Je weiter sie in die Stadt hineingingen, desto kleiner wurde der Hof und desto höher die Gebäude. Bald schon sah man Backstein und Ziegel anstatt Holz und Stroh. Die Zäune und die Höfe verschwanden ganz. Gaststätten und kleine Läden nahmen den Platz von Gemüsebeeten und Tieren ein. Alles wurde gedrängter und hektischer. Smalt war keine große Stadt, hatte nicht einmal eine Stadtmauer. Doch für Selena und Lucel, die ihr Heimatdorf noch nie verlassen hatten, war es die erste menschliche Siedlung, die sie zu Gesicht bekamen.

      Bald fanden sie auch einen kleinen Gasthof, der Zimmer vermietete. Und nach einem herzhaften Abendmahl legte sich Selena auf das weiche, fast saubere Bett und schlief in dem Moment ein, als ihr Kopf das nicht mehr ganz weiße Kissen berührte. Sie vergaß sich darüber zu beschweren, dass sie sich mit zwei Männer den Raum teilen musste, und schlief in voller Montur ein. Sie bemerkte nicht einmal, wie Lucel ihr die Stiefel auszog und sie zudeckte.

      ��

      Nadine saß in ihrem goldenen Käfig. Der Sessel war bezogen mit dem weichsten Leder, das man sich vorstellen konnte. Weiß war er, wie die Unschuld. Auch die Seidenbettwäsche und der Baldachin aus der schönsten Spitze mit Blumenmuster umhäkelt waren weiß. Das Bett selbst war aus dunklem Kirschholz, wie auch die Kommode, die Stuhlbeine, der Tisch und das Bücheregal. Auf Nadines Schoß lag ein Buch über Magie. Sie stand auf und es glitt lautlos zu Boden, federte an dem Fell, das fast den ganzen Boden bedeckte, lautlos ab.

      Wie immer waren Nadines Füße nackt, doch ihre Fußsohlen hatten die ersten Freuden der Weichheit vergessen. Sie erinnerten sich noch kaum an das Glück, das sie erfüllt hatte, als Halif ihr das Anwesen zum ersten Mal gezeigt hatte. Ein eigenes Königreich, nur für sie beide, in dem sie ihre kleine Familie großziehen konnten.

      Familie.

      Nadines schönes Gesicht verzerrte sich in Abscheu. Wann war es passiert? Wann war aus ihrem Zuhause ein Gefängnis geworden und aus Liebe Einengung und Abneigung? War da noch Liebe für Halif in ihr? Oder war es nur Mitleid, das sie an ihn band? Kalte Augen blickten in den Spiegel, die noch vor wenigen Jahren erfüllt waren mit Glück und Liebe. Jetzt sah sie in ihnen nur die Kälte ihrer Seele.

      Ihre Hand fuhr über ihren flachen Bauch. Er hatte es noch nicht bemerkt und wenn es nach ihr ginge, würde er es nie erfahren. Nicht nachdem, was er mit ihrem letzten Baby gemacht hatte. Ihr Gesicht verzerrte sich mit Hass, dann kamen die Schuldgefühle. Er hatte mit dem Baby das Gleiche getan wie mit Serena. Die Zeit angehalten, als es seinen ersten und letzten Atemzuge getan hatte. Es war nicht lebensfähig gewesen und auch ihre Magie hatte es nicht retten können.

      Nadine glitt zu Boden. Ihr Körper zitterte und sie krallte ihre Fingernägel in die Oberarme. Wozu hatte sie diesen verdammten, göttlichen Funken in sich? Sie konnte eine neue Rasse erschaffen, doch ihrem eigenen Kind kein Leben einhauchen. Sie hatte sich die Schuld gegeben. Ihr Gesicht verdunkelte sich. Belogen hatte sie sich und damit das Leben ihres Babys verwirkt. Das würde ihr kein zweites Mal passieren.

      Nadine richtete sich auf.

      Halif hatte sich wieder in seinem Labor eingeschlossen und würde bis spät in die Nacht nicht nach ihr sehen. Zu sehr war er mit seinen widerwärtigen Experimenten beschäftigt. Eine kleine Stimme, die sich an den letzten, irrationalen Hoffnungsschimmer klammerte und an die Erinnerungen der tiefen Liebe, die Nadine für Halif empfunden hatte, flüsterte ihr zu: „Er macht es für dich, für euer gemeinsames Kind.“

      „Er macht es aus Angst und Egoismus. Der Zweck heiligt nicht die Mittel!“, sprach Nadine gegen die leise Stimme laut an. Halif hatte unsagbare Dinge getan, die nicht verziehen werden konnten. Nicht verziehen werden durften. Ihr Herz zog sich zusammen. Nadine hatte Lucel um Verzeihung gebeten. Ob er die Kraft hatte, die ihr zu fehlen schien?

      Ihr Handspiegel vibrierte. Es war so weit. Sie blickte hinein und eine blonde Schönheit strahlte ihr wie die Sonne entgegen. Wäre sie doch nur die Sonne und würde mit ihrer Güte über sie alle wachen. Doch die Sonne über den Landen war verseucht. Verseucht wie die Erde.

      Phynissia blickte in die kalten, harten Augen, die ihr aus der glatten Wasseroberfläche entgegenstarrten. Sie schloss die Lider und dachte an liebende Augen voller Glück. Ein naives Herz, das selbst in Todesgefahr um die Seele anderer betete. Sie hatte so viel in ihnen gesehen und geglaubt, die Welt besser zu verstehen. Auch jetzt war ihr Herz erfüllt von Verständnis. Phynissia verstand, warum die Götter ihre eigene Schöpfung vernichten wollten. Lebewesen, die so etwas Reines und Vollkommenes wie Nadines Seele verdunkeln konnten, hatten nicht das Recht zu existieren.

      Dann öffnete Phynissia ihre Augen und beschrieb einen Kreis in der Luft, murmelte Worte einer längst vergessenen Sprache. Sie hielt inne und fragte ein letztes Mal leise, kaum hörbar: „Bist du dir sicher, dass du das willst?“

      Nadine nickte, die Augen steinhart und entschlossen.

      „Er könnte dich entdecken. Das nächste Kraftfeld werde ich nicht durchstoßen können. Er hat in den Jahren viel gelernt und ist stark geworden.“

      Nadine nickte ein zweites Mal.

      Phynissia dachte an den Mann, den sie einst vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Kein Fünkchen Macht in sich, hatte er es doch geschafft, sich zum mächtigsten Magier der Landen aufzuschwingen. Auf eine Art, die Phynissia nicht verstand, war er mächtiger als sie, vielleicht sogar mächtiger als Lucel. Ihm war es gelungen, die Kraft ihres Enkels einzusperren, sie dazu zu bringen, sich selbst zu verschlingen.

      Ein brillanter Mann, ein Genie. Der alles tat für die Frau, die er liebte.

      „Wenn er weder dich noch euer Kind hat, wird er dem Wahnsinn verfallen“, und sie würden ein Ungeheuer, schlimmer als Morphis es je hätte werden können, auf die Welt loslassen.

      „Halif ist bereits wahnsinnig. Er hat unser Kind mit den Ausdunstungen seiner Experimente vergiftet.“ Nadine wurde von Husten geschüttelt, wob einen Stillezauber um sich und wartete, bis der Anfall vorüberging. Die Hand, die sie sich vor den Mund gehalten hatte, war rot gefärbt. Nadine zitterte am ganzen Leib. Sie war schuld an dem Tod ihres Kindes. Sie hatte alle Anzeichen ignoriert, weil sie an Halif hatte glauben wollen.

      Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal begehen.

      Sorgenvoll blickte Phynissia auf das Kind des Lebens, das von Tod umgeben war. Sie atmete tief ein und aus und sagte: „Geh! Du hast fünf Minuten, bevor er dich entdeckt. Wenn er in seine Arbeit vertieft ist, vielleicht länger.“

      Nadine nickte und machte einen Schritt nach vorne.

      Die Luft um sie herum verschwamm wie eine senkrecht stehende Wasseroberfläche. Der Raum verflüssigte sich, bewegte sich und das verhasste Weiß wandelte sich in Schwarz. Von Dunkelheit umgeben, wusste Nadine, wo sie hin musste, auch wenn sie den Raum erst einmal betreten hatte.

      Mit dem Mantel der Stille um sich gelegt, ging sie an den Regalen vorbei, blickte nicht zu den Gläsern, in deren Flüssigkeit die Zeugnisse von Halifs Gräueltaten schwammen. Ihr war nur eines wichtig. Auf einem kleinen Altar stand ein Glasbehältnis mit goldenem Deckel. Nadine griff mit fester Miene, aber zitternden Händen danach. Versuchte das Geräusch, als lebloses Fleisch gegen Glas

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